Räikkönens Rückkehr zu Ferrari:Dampf in der Küche

File photo of Ferrari Formula One driver Alonso and Lotus Formula One driver Raikkonen celebrating after the Chinese F1 Grand Prix

Bald wieder Teamkollegen: Kimi Räikkönen (li.) und Fernando Alonso

(Foto: REUTERS)

Von "explosiv" bis "komplett wahnsinnig": Mit Kimi Räikkönen und Fernando Alonso fahren im kommenden Jahr zwei ehemalige Weltmeister für Ferrari, die Szene wertet den Zug als gewagt. Räikkönens Rückkehr könnte schon das aktuelle Titelrennen am Wochenende in Singapur entscheidend beeinflussen.

Von Elmar Brümmer

Frust weckt Verzweiflung, selbst bei einem netten Jungen wie Felipe Massa. Mehr als ein Jahrzehnt lang gab er den Ferrari-Diener. Bald aber muss er seinen Platz räumen. 2014 kehrt Kimi Räikkönen zurück, der letzte Weltmeister, den die Scuderia aus Maranello stellte (2007). Im ersten Trotz darüber hat Massa angekündigt, von nun an werde er nicht mehr an sein Team oder seinen Teamkollegen Fernando Alonso denken. Er werde nur noch die eigene Ideallinie im Blick haben.

Und seinen Chefs bei Ferrari hat er geraten: "Atmet noch mal tief durch! Kommendes Jahr werdet ihr nicht mehr viel Gelegenheit dazu haben." Fernando Alonso und Kimi Räikkönen - eine atemraubende Fahrerpaarung - so sehen das viele.

"Eine harte Nuss" warte da im kommenden Jahr auf ihn, ahnt Red-Bull-Lenker Sebastian Vettel. Michael Schumacher nennt die Kombination aus dem 32 Jahre alten Spanier Alonso und dem 33 Jahre alten Finnen Räikkönen "eine explosive Mischung". Als "komplett wahnsinnig" stuft Jacques Villeneuve den Versuch ein, die beiden zusammenzuspannen. Auf jeden Fall ist es eine Abkehr vom bisherigen Beifahrer-Prinzip: Erstmals seit 1953 wird Ferrari im kommenden Jahr wieder gleichzeitig zwei Weltmeister beschäftigen.

Das letzte, was Alonso gebrauchen kann

Die Nummer ist gewagt - auch, weil sie schon auf das diesjährige Titelrennen Auswirkungen haben könnte. Den Windschattengeber zu verlieren ist genau das, was Fernando Alonso im Moment überhaupt nicht gebrauchen kann: Mit dem Sieg beim Großen Preis von Italien in Monza hat Sebastian Vettel seinen Vorsprung in der Fahrerwertung auf 53 Zähler ausgebaut.

Gewinnt der Deutsche an diesem Wochenende zum dritten Mal nacheinander das Nachtrennen in Singapur (Quali, Sa., 15 Uhr/Rennstart, So., 14 Uhr), ist ihm der vierte Titel in Serie vermutlich nicht mehr zu nehmen. Aus diesem Grund gilt es, Einigkeit zu demonstrieren - was beim ersten öffentlichen Auftritt der Ferrari-Protagonisten im Fahrerlager in Singapur auch geschah.

Die Location auf der Rückseite des Teampavillons hatte dabei allerdings den Charme einer Garküche: Rechts briet die Mercedes-Crew Burger, links köchelte bei Red Bull das Curry. Dazwischen waren ein paar Klappstühle aufgebaut - immerhin rot - und auf dem kleinen Podest nahmen schließlich Fernando Alonso, Teamchef Stefano Domenicali und Felipe Massa Platz.

Schöner Schein über Maranello

Abwechselnd, manchmal auch gleichzeitig, hielten sie die Hände gefaltet, was ein trautes Bild abgab, eines wie fürs Familienalbum. Man stimmte sich gegenseitig zu: Dass Räikkönen die beste Wahl sei. Was für ein prima Kerl doch der Felipe sei. Und dass es keinerlei Änderung in der Ferrari-Philosophie gäbe. Quintessenz der Medien-Andacht: Der schöne Schein bleibt in Maranello heilig.

Wer aber genau hinschaute, vermochte zu erkennen: Alonso wirkte, als trüge er eine Maske seiner selbst, als spüre er den Vertrauensverlust in dem Rennstall, dem er sich 2010 angeschlossen hatte und der, um das überhaupt möglich zu machen, Räikkönen damals abgefunden hatte. Der verschlossene Nordmann war an dem Anspruch gescheitert, Michael Schumachers Erbe fortzusetzen. Gleiches muss Alonso nun auch fürchten.

Unter Schumacher war die Scuderia eine Art Schumeria: Der Deutsche stand für absolutes Teamplay, gerade in Zeiten heftiger Angriffe von außen. Nach seinem Weggang begann der Versuch des Umbaus zu einer Art italienischer Nationalmannschaft. Das aber hat nicht funktioniert. 2010 musste Ferrari schon dieses Prinzip aufgeben: Damals kam der Brite Pat Fry als Technikchef von McLaren. Mit Räikkönen wird die Internationalisierung weitergehen, er bringt den bisherige Lotus-Chefingenieur James Allison, einen Briten, mit in die Emilia Romagna.

All das kommt dort nicht überall gut an. Die einflussreiche italienische Presse spinnt gern die Geschichte vom Feind im eigenen Bett. Fragen wie die, ob er sich künftig häufiger als früher in der Renn- fabrik blicken lässt, beantwortet Räikkönen aber nur mit einem verächtlichen Kaugummiknautschen. Über das Konfliktpotenzial blickt er hinweg: "Ich bin ziemlich sicher, dass Fernando und ich die Dinge aussortieren können. Wir sind ja keine 20-jährigen Jungs mehr."

Die Alonso-Fraktion leistet unterdessen schon fleißig Vorarbeit für künftige Entgleisungen und bringt ihren Klienten für 2015 bei McLaren ins Gespräch, wenn der japanische Autokonzern Honda dort sein Comeback als Motorenlieferant gibt. Mark Webber wiederum, der scheidende Red-Bull-Getreue, prophezeit einen baldigen Vettel-Wechsel nach Italien. All das zeigt, wie viel Dampf nach Bekanntwerden des Wechsels plötzlich in der Küche ist.

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