Radwanska verliert Finale gegen Williams:Aus Mitleid Siegesmut geschöpft

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Zunächst sieht es nach einem einseitigen Frauen-Finale in Wimbledon aus: Serena Williams dominiert ihre Gegnerin Agnieszka Radwanska nach Belieben. Nach einer Regenunterbrechung schlägt die junge Polin beeindruckend zurück und verliert erst im dritten Satz. Die Zuschauer an der Church Road werden sie für ihren großen Kampf in guter Erinnerung behalten.

Martin Anetzberger

Als Agnieszka Radwanska im dritten Anlauf zum ersten Mal ihren Aufschlag durchbrachte, da brandete auf dem Centre Court von Wimbledon der Jubel der Zuschauer so laut auf, dass man meinen konnte, Publikumsliebling Roger Federer habe gerade einen hart umkämpften Satz für sich entschieden. Doch der Satz war für die 23-jährige Polin in ihrem Finale gegen Serena Williams schon längst gelaufen, denn es stand bereits 1:5 gegen sie.

Agnieszka Radwanska gratulierte nach ihrem ersten Grand-Slam-Finale fair der Siegerin Serena Williams. (Foto: dpa)

Die Zuschauer klatschten und schrien, weil sie befürchteten, dass das Endspiel der Frauen möglicherweise nach einer Stunde beendet sein könnte. Und sie hatten möglicherweise auch ein wenig Mitleid mit Radwanska, die in ihrem ersten Grand-Slam-Finale stand und überhaupt nicht wusste, was sie gegen die Raketenaufschläge und die harten Grundlinienbälle ihrer Gegnerin ausrichten sollte.

Zu diesem Zeitpunkt hielt es niemand für möglich, dass Radwanska den zweiten Satz 7:5 gewinnen und die Favoritin in einen entscheidenden dritten Satz zwingen könnte - den verlor sie 6:2.

Im ersten Durchgang ließ sie zwar mit gefühlvollen Stops und Lobs ihre Klasse aufblitzen, machte die attraktiveren Punkte und zeigte auch ihre Qualitäten in der Defensive. Doch meist konnte sie die nicht einmal wahnsinnig platziert gespielten Bälle der früheren Weltranglistenersten aus den USA nur zurückbringen. An ein vor allem auf dem schnellen Rasen von Wimbledon effektives Konterspiel war gar nicht zu denken. Die starken Returns spielte Williams: Der zweite Aufschlag ihrer Gegnerin lud die 30-Jährige geradezu dazu ein, direkte Punkte zu machen.

So war der erste Satz nach einer knappen halben Stunde Geschichte, und jetzt bekam Radwanska zusätzlich zu den Zuschauern auch noch Unterstützung von oben. Leichter Regen setzte ein. Die Veranstalter entschieden sich für eine kurze Unterbrechung und ließen das Dach über dem Centre Court geöffnet. Es wirkte fast so, als wollte man der jungen Außenseiterin noch einmal die Möglichkeit geben, sich zu sammeln und den zweiten Satz wenigstens ein bisschen ausgeglichener zu gestalten.

Und tatsächlich: Die Weltranglistendritte kam mutig aus den Katakomben zurück und brachte ihr Service zum ersten Mal ungefährdet durch. In ihrem Blick spiegelte sich, wenn auch keine Zuversicht, doch ein wenig Trotz, der besagte: "So schnell wird es im zweiten Satz nicht gehen, Ms. Williams!" Doch die 13-fache Grand-Slam-Siegerin ließ sich zunächst nicht aus ihrer beinahe schon phlegmatischen Ruhe bringen. Schon das zweite Aufschlagspiel Radwanskas holte sie sich wieder - zu Null.

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Doch diesmal brach Radwanska nicht zusammen. Die Zuschauer sahen jetzt ausgeglichenere Rallys, in denen die Polin ihre Gegnerin mit Hilfe ihres variablen Spiels viel laufen ließ. Williams' Aufschlag begann zu wackeln und ihre Fehlerquote ging deutlich nach oben. Schon beim Stand von 2:3 führte Radwanska 0:30, ehe Williams mit vier Punkten in Folge 4:2 in Führung ging.

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Während des Endspiels hält sich Serena Williams mit extrovertierten Gesten weitgehend zurück. Doch nach dem Sieg sieht man, wie viel ihr der erste Grand-Slam-Titel nach zwei Jahren Pause bedeutet. Der Weg der US-Amerikanerin vom Matchball bis zur Siegerehrung.

Ihr eigener Aufschlag bereitete Radwanska im weiteren Verlauf jedoch keine Probleme mehr und beim Stand von 3:4 war es Zeit für das erste Break der Polin. Sie spielte aggressiver und nutzte ihre Spielintelligenz, um Williams mit starken Longline-Schlägen in die Ecken des Platzes zu schicken. Außerdem setzte sie ihren Slice immer geschickter ein, um Williams' Spiel abzubremsen.

Beim Stand von 6:5 holte sie sich mit ihrem zweiten Break den zweiten Satz und machte ein zunächst vollkommen einseitiges Match wieder spannend.

Erster emotionaler Ausbruch im dritten Satz

Im letzten Durchgang gab zunächst keine der beiden Akteurinnen ihr Service ab. Dann gelang Williams das erste Break, das sie mit ihrem eigenen Aufschlag bestätigte. Sie führte nun 4:2. Beide spielten ab sofort losgelöstes, teils spektakuläres Tennis, in dem die Amerikanerin ihre Return- und Aufschlagstärke wiederfand. Radwanska kämpfte aufopferungsvoll, doch es nutzte ihr nichts. Williams durchbrach ihr Service zum zweiten Mal und zeigte daraufhin ihren ersten emotionalen Ausbruch, als sie beide Hände zur Faust ballte.

Dann absolvierte sie ihre letztes Aufschlagspiel beim diesjährigen Turnier in Wimbledon, fiel zu Boden und hielt sich die Augen zu. Agnieszka Radwanska gratulierte ihr mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Zu Matchbeginn hatte sie das Londoner Publikum aus Mitleid unterstützt, in den Sätzen zwei und drei begeisterte sie mit ihrem Spiel und ihrem Kampfeswillen. Das werden ihr die Zuschauer an der Church Road nicht vergessen.

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