Radsport:Von der Rolle

Der BDR schaut tatenlos zu, wie Sportdirektor Bremer eine Sportlerin um ihr Debüt bringt und nur "im Spaß" zurücktritt - Cadel Evans holt Gold.

Andreas Burkert

Am Sonntag ist Schwarzrotgold noch einmal ordentlich im Bild gewesen bei der Straßenrad-WM im Tessin, André Greipel, der Sprinter vom Columbia-Rennstall, präsentierte zunächst das deutsche Trikot rund 210 Kilometer in einer Fluchtgruppe. Ein echte Siegchance rechnete sich der Rostocker nicht aus trotz mehr als zehn Minuten Vorsprungs, die auch er nach knapp der Hälfte der 262 km zwischenzeitlich besaß. Der Sprinter Greipel, 27, zuletzt Gewinner von vier Vuelta-Etappen, kennt die Eigenheiten eines WM-Rennens, in dem frühe Vorstöße taktische Rochaden darstellen und die favorisierten Nationen ihre Kräfte fürs letzte Drittel sparen. Greipel und auch der später vorne gesichtete und im Ziel auf dem guten elften Rang notierte Landsmann Fabian Wegmann spielten bei der Entscheidung erwartungsgemäß keine Rolle, Gold ging an den Australier Cadel Evans, der damit seinen Ruf als ewiger Zweiter fürs Erste tilgte.

Es ging den Deutschen allerdings auch um den Gesamteindruck, den eine Mannschaft hinterlässt. Und mit der sportlichen Bilanz konnte der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) schon vor dem Finale leben, wenngleich er mit zweimal Bronze im Zeitfahren durch den U23-Mann Patrick Gretsch und Profi Tony Martin nicht annähernd das Resultat von Varese 2008 (fünf Medaillen) erreichte. Trotzdem wird die WM in der Südschweiz aus Sicht des BDR erneut weniger wegen des Sports in Erinnerung bleiben, was diverse Nationalfahrer, die ungenannt bleiben möchten, mit routinierten Flüchen kommentierten - sondern wegen des Spotts.

"Gemacht hat er wohl nichts"

Es herrscht ja sowieso seit Jahren ein sonderbares Verhältnis zwischen den Fahrern und den altgedienten Funktionären. Das Gesicht dieser Funktionärsclique ist Burckhard Bremer, der Sportdirektor des BDR. Wenn Roland Düster den Namen hört, sagt er, er wolle "im Moment lieber nichts sagen - denn es brodelt hier in uns allen - aber wir werden das sicher nicht auf sich beruhen lassen". Er ist Sprecher der Rad-Union Wangen 1913 und Vater von Sarah Düster, deren Name die jüngste Affäre trägt, die Bremer zu verantworten hat. Die Allgäuerin war wegen eines "Meldefehlers" um ihr WM-Debüt gebracht worden (SZ 26./27.9.); ihr Name fehlte im Online-System des Weltverbandes UCI, das ist das eine. Das andere: Bundestrainer Thomas Liese hatte Bremer am Montag voriger Woche darauf hingewiesen, dass Düster keine Akkreditierung erhalten habe - sondern einen Ausweis für die frühere Straßenmeisterin Luise Keller - die jedoch gar nicht in Mendrisio weilte.

Bremer habe Liese dann gesagt, er "mache das schon", erzählt Sarah Düster, "aber gemacht hat er wohl nichts". Bis 72 Stunden vor dem Rennstart hätten Bremer oder BDR-Vize Udo Sprenger das Malheur beheben können.

Sarah Düster, 27, sagt, sie habe seit 2004 hart auf ihre WM-Premiere hingearbeitet, deshalb sitzt die Wunde über "den doppelten Fehler" doppelt tief. Die RU Wangen war doch extra nachts angereist, sogar der Bürgermeister gehörte der Reisegruppe an. Sarah Düster, gelernte Erzieherin und Profifahrerin bei Cervélo, sagt am Sonntag: "Bremer hat sich noch nicht mal entschuldigt." Sprenger? "Er auch nicht. Liese hat sich entschuldigt, dabei kann er gar nichts dafür."

Bremer, 62, schweigt offiziell, in Mendrisio hieß es nur, er habe seinen Rücktritt angeboten. "Das hat er abends im Spaß gesagt", relativierte aber bald der Gefährte Sprenger; es werde noch eine offizielle Entschuldigung geben. Dass der Radverband Bremer nicht entlässt, liegt auf der Hand. Denn Gründe für eine Trennung ignorierte er schon häufiger. So soll Bremer nach Aussagen eines früheren Bundestrainers bei der WM 2000 unzulässige Blutwerte des gedopten Patrik Sinkewitz mit vertuscht haben; vor Olympia 2004 hatte er der damaligen BDR-Präsidentin auffällige Blutwerte eines Fahrers nicht mitgeteilt. Die Blamage von Peking 2008, wo erstmals bei Olympia kein BDR-Vierer startete, wurde ihm wegen Unkenntnis des Qualifikationsvorgangs angelastet. Viele Sportler kritisieren seinen Führungsstil. Die Vorwürfe in den Dopingaffären wies Bremer zurück. Sie stehen aber weiterhin im Raum. Das BDR-Präsidium um Rudolf Scharping - in Mendrisio nicht anwesend - verlängerte kurz vor Peking trotz ungeklärter Affären und diverser Flüche Bremers Vertrag bis zur Rente. Als wisse er zu viel.

UCI-Chef McQuaid bestätigt

Aber wieso soll ausgerechnet der BDR anders handeln als der Rest der Radsportgemeinde? Auch UCI-Präsident Pat McQuaid wurde in Mendrisio routinemäßig und bei einer Wahl ohne Gegenkandidat bestätigt. Der Ire wiederholte anschließend mal wieder zur Sache des bisher nur in Italien wegen Dopings gesperrten WM-Mitfavoriten Alejandro Valverde (im Ziel Neunter), man habe leider noch nicht alle Dokumente erhalten - dabei war die UCI im Frühjahr bei Valverdes Prozess selbst vertreten. Zu Gerüchten, bei der Vuelta habe es Positivfälle gegeben, entgegnete McQuaid übrigens, davon wisse er nichts.

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