Giro d'Italia:Bei 40 Grad durch heikles Terrain

Giro d'Italia: Training in der Nähe von Bet Shemesh: Der Giro startet diesmal in Israel.

Training in der Nähe von Bet Shemesh: Der Giro startet diesmal in Israel.

(Foto: AFP)
  • Der Giro d'Italia startet erstmals außerhalb von Europa - mit drei Etappen durch Israel.
  • Das Unterfangen ist politisch heikel, schon vor dem Start gibt es Ärger.
  • Sogar das italienische Außenministerium ist in die Etappenplanung involviert.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Erstmals in seiner mehr als hundertjährigen Geschichte startet der Giro d'Italia außerhalb Europas. Dass das am Freitag in Israel der Fall sein wird, ist einem Mann zu verdanken: Sylvan Adams. Der Milliardär und Radsportenthusiast ist vor zwei Jahren von Kanada nach Israel eingewandert und hatte sich zum Ziel gesetzt, den Giro ins sogenannte Heilige Land zu holen. Seine Hartnäckigkeit und seine finanziellen Zusagen, auch ein mögliches Defizit abzudecken, haben die Tourveranstalter in Mailand überzeugt. Dazu beigetragen hat auch eine Reise nach Jerusalem, zu der Adams Renndirektor Mauro Vegni eingeladen hatte. Der gläubige Katholik fand die Idee wunderbar, die beiden heiligen Städte Jerusalem und Rom symbolisch zu verbinden. Deshalb endet der Giro dieses Jahr nicht wie üblich in Mailand.

Zum Auftakt führt das rund zehn Kilometer lange Zeitfahren in Jerusalem die rund 220 Fahrer aus 22 Mannschaften durch einen technisch anspruchsvollen Parcours. Los geht es unterhalb des Jaffa-Tors, weiter zum King-David-Hotel und dann vorbei am Parlamentsgebäude, der Knesset. Im Ziel werden die Fahrer mit Blick auf die Mauern der Altstadt unweit des katholischen Notre-Dame-Centers einfahren.

Wem gehört Jerusalem? Die Giro-Veranstalter erkannten bald, welch heikles Terrain sie betraten

Die erste Etappe ist dem im Jahr 2000 verstorbenen italienischen Radsporthelden Gino Bartali gewidmet. Als Kurier versteckte Bartali während des Zweiten Weltkriegs in den Rohren seines Fahrrads Fotos und Spezialpapier, aus denen falsche Pässe für untergetauchte Juden hergestellt wurden. Er nutzte seine Trainingsfahrten zum Transport der Papiere.

Die Etappe in Jerusalem wurde bewusst in den Westteil der Stadt gelegt, den Ostteil beanspruchen die Palästinenser als ihre Hauptstadt eines noch zu gründenden Staates. Auf welch heikles Terrain sie sich begeben haben, dürfte den Veranstaltern spätestens dann bewusst geworden sein, als die israelische Regierung heftig gegen die offiziellen Streckenpläne protestierte, auf der von "Westjerusalem" die Rede war. Für Israel gebe es "nur ein vereinigtes Jerusalem", ließen die Minister wissen. Rasch lenkten die Organisatoren ein.

Andererseits protestierten später Palästinenser gegen Fotos auf der offiziellen Twitter-Seite des Giro d'Italia, auf denen der spanische Radprofi Alberto Contador mit dem Jerusalemer Bürgermeister Nir Barkat vor verschiedenen Sehenswürdigkeiten der Altstadt posiert. Damit werde Jerusalem als Teil Israels präsentiert, wurde kritisiert. Der Eintrag verschwand daraufhin. Und die palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi warf den Giro-Veranstaltern vor, sie hätten sich "der Okkupation und des Völkerrechtsbruchs" mitschuldig gemacht.

Für die Planung der zwei Etappen außerhalb Jerusalems wurden Experten des italienischen Außenministeriums einbezogen, um nicht einen weiteren diplomatischen Eklat hervorzurufen. Der zweite Tag führt entlang der Küste über 167 Kilometer von Haifa über Akko und Caesarea nach Tel Aviv. Am dritten Tag, dem Sonntag, geht es von Beerscheva durch die Wüstenlandschaft in 229 Kilometern bis an Israels südlichsten Punkt, die Stadt Eilat am Roten Meer. Für diesen Tag werden rund 40 Grad Hitze vorhergesagt. Dann muss der Tross mitsamt den 880 Rädern übers Mittelmeer: Der Giro wird auf italienischem Boden in Sizilien fortgesetzt und endet nach exakt 3546,2 Kilometern am 27. Mai auf der Via dei Fori Imperiali nahe dem Kolosseum in Rom.

Eine Milliarde Zuschauer im Fernsehen?

Die drei Etappen in Israel bescheren dem Land eine der teuersten Sportveranstaltungen in seiner Geschichte. Das Budget beträgt umgerechnet rund 27 Millionen Euro. Aber dass der Giro just zum 70. Jahrestag der Staatsgründung in Israel startet, wird von offizieller Seite als Prestigeerfolg angesehen. Eine Milliarde Zuschauer sollen weltweit via TV die Veranstaltung verfolgen. Damit verbunden ist die Hoffnung auf einen Tourismusboom. 10 000 Besucher kommen in den nächsten Tagen nur wegen des Giro nach Israel. Ein Großteil der Kosten wird durch den enormen Sicherheitsaufwand verursacht. Wie viele Polizisten, Spezialeinheiten und private Wachmänner eingesetzt sind, wollen die Veranstalter nicht sagen, nur so viel: Tausende.

Immer wenn es vorab bei der Organisation irgendwo schwierig wurde, war Initiator Adams da, um Türen zu öffnen. Inzwischen ist der Giro zu einem nationalen Kraftakt geworden, zur Auftakt-Pressekonferenz am Mittwoch marschierten fünf Minister auf und zollten dem Gönner Respekt. Mindestens zwölf Millionen Euro trägt Adams zur Finanzierung bei.

Sportlich sorgt Chris Froome für die größte Aufregung

Der 59-Jährige, dessen Vater während der Nazi-Zeit aus Rumänien geflüchtet ist und in Kanada mit dem Bau von Shoppingmalls ein Vermögen verdient hat, kam selbst erst spät zum Radsport. Er war sechsmal kanadischer Meister und holte 2009 und 2013 bei den Makkabi-Spielen insgesamt fünf Goldmedaillen. Er ist nun Miteigentümer des Israeli Cycling Academy, der israelischen Mannschaft, die zum ersten Mal an einem renommierten Radrennen teilnimmt. Zwei arabische Teams sind auch angemeldet: aus Bahrain und aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die größte Aufregung aus sportlicher Sicht verursacht nach wie vor Chris Froome. Der Brite hat die Tour de France vier Mal gewonnen und ist auch Favorit für den Gesamtsieg bei diesem Giro. Weil er allerdings bei der Vuelta 2017 positiv auf das Asthmamittel Salbutamol getestet wurde und das Verfahren noch läuft, könnte er im Nachhinein sogar noch gesperrt werden. Froome kassiert für seinen Start in Israel angeblich bis zu zwei Millionen Euro - auch das soll Sylvan Adams übernommen haben.

Den Dank bekam der Gönner am Mittwoch präsentiert: Das noch in Bau befindliche Velodrom in Tel Aviv, das erste im Nahen Osten, wird seinen Namen tragen.

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