Radsport: Tour de France:Den Gegner im Teambus

Ullrich kommt nicht, Armstrongs Team dafür mit weiteren Favoriten, und die Kontrolleure haben vage Hoffnungen - auch die 96. Tour de France wirft Fragen auf.

Andreas Burkert

Jan Ullrich ist nicht gekommen. Dabei ist gerade sein Wetter an der Côte d'Azur, und sein Widersacher von früher hält sich ja auch hier auf. Aber Ullrich sei krank, heißt es, deshalb fehlt der unehrenhaft aus dem Peloton geschiedene, von den Veranstaltern dennoch eingeladene Rostocker am Freitag beim Benefizrennen des monegassischen Fürsten mit illustren Radsport-Idolen früherer Zeiten. Aber die 96. Tour de France kommt sicher ohne Ullrich aus, obwohl er das von hinreichend verdächtigter Prominenz gespickte Feld schlüssig ergänzt hätte. Und so steht vor malerischer Kulisse Rückkehrer Lance Armstrong im Fokus, der siebenmalige Tour-Sieger, der nach vier Jahren nach Frankreich zurückgekehrt ist - und damit ein paar zusätzliche Fragen aufwirft.

Radsport: Tour de France: Lance Armstrong startet für Astana bei der 96. Tour de France.

Lance Armstrong startet für Astana bei der 96. Tour de France.

(Foto: Foto: Getty)

Weshalb fährt Lance Armstrong wieder? Nachdem der Texaner im Herbst sein Comeback angekündigt hatte, erklärte er sich dazu ausführlich im Guardian. Er habe fit werden wollen, "ich wollte den Chicago-Marathon sehr schnell laufen, also begann ich, echt hart zu trainieren". Dieses Ritual, "das tägliche Trainieren", habe ihn rasch nachdenklich werden lassen. Neben der Sucht nach Leistung und Wettbewerb treibt den bald 38-Jährigen auch ein wirtschaftliches Ziel an. Es gilt seiner Krebsstiftung Livestrong. Mehrere hundert Millionen Dollar hat sie bereits eingesammelt, für seinen Start beim Giro im Mai erhielt er angeblich drei Millionen. Wohin das Geld letztlich fließt, weiß niemand. Fakt ist, dass sich Livestrong längst zur auch kommerziell ausgerichteten Gesundheits-Plattform entwickelt hat, der Untertitel der Internetseite lautet: Health, Fitness, Lifestyle. Vor allem in den Staaten gehen Beobachter davon aus, dass Armstrong die Struktur der Stiftung dazu nutzen wird, irgendwann in die Politik einzusteigen.

Warum darf Armstrong eigentlich mitfahren?

Warum darf Armstrong eigentlich mitfahren?

Der deutsche Eishockey-Nationalspieler Florian Busch wurde kürzlich vom Internationalen Sportgerichtshof, den Regeln entsprechend, für zwei Jahre gesperrt, weil er eine Dopingkontrolle verweigert hatte. Armstrong wurde nicht belangt, als er im März einen Kontrolleur der französischen Antidopingagentur AFLD warten ließ und erst mal duschen und telefonieren ging, wie er angab. Die AFLD protestierte, der Weltverband UCI unternahm nichts. Auch jene sechs Positivproben auf Epo, die in wissenschaftlichen Nachtests von Kontrollen aus dem Jahr seines ersten Tour-Sieges (1999) entdeckt wurden, spielen für den Radsport keine Rolle mehr. "Es gibt keine Regel, kein Gesetz, das mir verbieten könnte zu fahren", sagt Armstrong.

Ist Armstrong willkommen?

Ist Armstrong willkommen?

Bei der Teampräsentation am Donnerstagabend am Quai Albert I. in Monte Carlo wurde der vor vier Jahren von der französischen Mehrheit mit Flüchen und Erleichterung verabschiedete Rekordsieger mit dem stärksten Beifall begrüßt. Auch Albert II., der Fürst von Monaco, erhob sich applaudierend von seinem Sitz; Christian Prudhomme, der in seinem Erneuerungseifer eingebremste Tour-Chef, klatschte eher pflichtgemäß. Doch die Tour-Veranstalter von der A.S.O., die Armstrong noch vor drei Jahren eine Akkreditierung verweigerten, haben sich mit ihm versöhnt, versöhnen müssen - auf Geheiß der Firmenleitung, die aus wirtschaftlichen Gründen den Radsport positiver darstellen will. Konfrontationen gibt es jetzt also nicht mehr. So wurde auch der Belgier Tom Boonen am Freitag doch noch zur Tour zugelassen - nachdem das französische Sportgericht einen entsprechenden Antrag zugunsten des Quick-Step-Profis entschieden hat. Eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Kokain-Sünder scheut die A.S.O., sie nannte Boonen am Freitag einen "großen Champion". Im Reglement der UCI werden Drogen im Training nicht sanktioniert, dennoch hätte sie Boonen sperren können, da er das Image seines Sports beschädigt hat. Das tat sie aber nicht.

Gewinnt Armstrong zum achten Mal?

Gewinnt Armstrong zum achten Mal?

Seinen größten Gegner hat Armstrong im Teambus sitzen: Der Spanier Alberto Contador, einst in der Kundenkartei des Blutmischers Fuentes zu finden, gilt als Favorit. Teamchef Johan Bruyneel hat ihm pflichtschuldig die Kapitänsrolle zugesprochen und erschien am Freitag auch nur mit dem Spanier zur Pressekonferenz. Armstrong wird seine Antwort im Rennen geben. Eine interne Rivalität, wie sie 1986 zwischen Bernard Hinault und dem letztlich siegreichen Amerikaner Greg LeMond bei La Vie Claire herrschte, schwelt offenbar schon bei Astana. Bruyneel sagt: "In diesem Moment ist Alberto unsere Nummer eins." Dennoch, bald trennen sich die Wege: Armstrong wird ein eigenes Team aufziehen, während das kasachische Konsortium mit Contador und dem bald wieder startberechtigten Blutdoper Alexander Winokurow eine Neuausrichtung anstrebt.

Was ist aus deutscher Sicht erwartbar?

Was ist aus deutscher Sicht erwartbar?

14 Deutsche sind am Start. Auch Milram-Kapitän Linus Gerdemann wird auf Armstrong treffen, der ihm nach den zunächst weniger euphorischen Worten des Münsteraners über seine Rückkehr über Astana-Kompagnon Andreas Klöden eine kleine Drohung zukommen ließ. Gerdemann kommt so oder so fürs Klassement kaum in Frage, eher für einen Etappensieg. Columbias Aufsteiger Tony Martin, 24, könnte beim Auftaktzeitfahren über 15 Kilometer das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers erreichen. Martin, Polizeimeister aus Eschborn, ist sehr aufgeregt, will aber sogar die vielen schlechten Meldungen über seinen Sport ignorieren: "Ich genieße das hier noch."

Ist diese Tour sauber?

Tony Martin sagt, er sei schon vor der Tour de Suisse "mehrfach im Training kontrolliert worden - das sei doch ein gutes Zeichen". Die AFLD hat ihre Zielkontrollen mithilfe des Blutpass-Monitorings durchgeführt und eine neue Testmethode angekündigt. Doch weiterhin gibt es für zahlreiche Substanzen und Methoden kein Testverfahren, zum Beispiel für den verbotenen Blutaustausch. Dopingfälle während und nach der Tour sind deshalb auch diesmal zu erwarten. Denn es ist die Tour.

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