Radsport:Neuer Präsident - aber wer hat das Sagen?

Radsport: Christopher Froome (im gelben Trikot) und andere Fahrer bei der Tour de France 2017

Christopher Froome (im gelben Trikot) und andere Fahrer bei der Tour de France 2017

(Foto: AFP)
  • Der Franzose David Lappartient löst Brian Cookson an der Spitze des Rad-Weltverbandes ab.
  • Nun geht es neben der Haltung des neuen Chefs zu den anhaltenden Betrugsthemen seines Sports vor allem um sein Verhältnis zur Aso, dem mächtigen Veranstalter der Tour de France.

Von Johannes Aumüller

Als sich die Delegierten des Rad-Weltverbandes (UCI) am Donnerstag im Sitzungssaal zu Bergen versammelten, da konnten sie ausführlich über einen beeindruckenden Triumph reden. Unaufhaltsam und mit großem Vorsprung war der Niederländer Tom Dumoulin am Vorabend zum WM-Sieg im Zeitfahren gestürmt, weswegen er spätestens jetzt als großer Herausforderer des Briten Christopher Froome für die Tour de France 2018 gilt. Aber als die UCI-Abgesandten darüber räsonierten, konnten sie noch nicht ahnen, dass sie bald darauf den Boden für einen ähnlich beeindruckenden Triumph bereiten würden. Denn da wählten sie mit einer erstaunlich großen Mehrheit von 37:8 den Herausforderer David Lappartient gegen den Amtsinhaber Brian Cookson aus Großbritannien zu ihrem neuen Präsidenten.

"Das war kein Fotofinish, die Botschaft ist klar und deutlich", jubilierte der Franzose. Aber nach dem großen Sieg ist nun die große Frage: Führt dieser Wechsel in diesem immer noch so übel beleumundeten Verband auch zu Veränderungen?

Lappartient, im Hauptberuf Bürgermeister der bretonischen Gemeinde Sarzeau, ist zwar erst 44, aber in der Rad-Funktionärsszene beileibe kein Unbekannter. Er war acht Jahre Präsident der französischen Föderation. Seit 2013 amtierte er als Chef des Europa-Verbandes und UCI-Vize. Natürlich hat er erst einmal viele Veränderungen angekündigt und auch zu den bis heute frappierenden Betrugsthemen seines Sports manch gut klingenden Satz gesagt; etwa indem er eine stärkere Verzahnung in der Zusammenarbeit der UCI mit der Gendarmerie befürwortete. Aber aufgrund der einschlägigen Erfahrungen mit der Funktionärswelt, nicht nur im Radsport, ist die Skepsis diesbezüglich groß.

An die Situation von vor vier Jahren erinnert

Manch einer in der Branche fühlt sich nun an die Situation von vor vier Jahren erinnert. Damals war Cookson nach einem ebenso knappen wie bitteren Wahlkampf gegen den Iren Pat McQuaid, einen Repräsentanten der verschmutzten Lance-Armstrong-Tage, an die Macht gelangt. Danach gab er sich als großer Reformator. Aber faktisch tat sich kaum etwas.

Beim zentralen Thema, der Aufklärung der radsportlichen Schattenseite, blieb Cookson weit hinter den Ankündigungen zurück. Er setzte zwar eine Kommission namens Circ ein, die ein Sittengemälde über die Vergangenheit malte, aber kaum in die Gegenwart eindrang. SZ-Recherchen ergaben, dass sie insbesondere mit konkreten Hinweisen von Doping-Kronzeugen zu aktuellen Personen fragwürdig umging. Beim virulenten Thema Motor-Doping, also dem Betrug mit technischen Hilfsmitteln, kritisieren Experten die von der UCI eingesetzten und von Cookson so gefeierten Methoden als wenig effektiv.

Wer hat das Sagen hat im Radsport?

Radsport: Bürgermeister im Hauptberuf, nebenbei gut vernetzt im Radsport und seit Donnerstag neuer Chef des Weltverbandes: der 44 Jahre alte Franzose David Lappartient.

Bürgermeister im Hauptberuf, nebenbei gut vernetzt im Radsport und seit Donnerstag neuer Chef des Weltverbandes: der 44 Jahre alte Franzose David Lappartient.

(Foto: Fred Tanneau/AFP)

Doch nicht nur von Betrugsbekämpfern, sondern auch aus dem Peloton kam viel Unverständnis. Der deutsche Zeitfahr-Spezialist Tony Martin, in Bergen auf der schweren Strecke nur Neunter, teilte mit, er höre zwar ständig etwas von Reformen, sehe diese aber nicht - weder in der Sicherheitsdebatte noch beim Reglement der World Tour. "Nullkommagarnichts" habe sich geändert. Auch bei Team-Verantwortlichen ist Groll über Cookson zu vernehmen; unter anderem, weil sich in Vermarktungsfragen nichts richtig weiterentwickelte und die Existenz der Mannschaften weiter stark am Wohlwollen der Sponsoren hängt, was die Planungen erschwert.

Ein sportpolitischer Konflikt

Dazu gab es noch einen großen sportpolitischen Konflikt, der Cooksons Amtszeit überschattete: die Auseinandersetzung zwischen dem Rad-Weltverband und der Amaury Sports Organisation (Aso), dem vielleicht mächtigsten Akteur der Branche. Die Aso veranstaltet nicht nur den saisonalen Höhepunkt, die Tour de France, sondern auch eine Reihe anderer wichtiger Rennen: von der Spanien-Rundfahrt über den Kopfstein-Klassiker Paris - Roubaix bis zur Deutschland-Tour, die im kommenden Jahr in Form einer Vier-Tages-Rundfahrt ein Comeback geben soll.

Es geht vereinfacht darum, wer das Sagen hat im Radsport, und im Vorjahr schlossen die Streitparteien in verschiedenen Punkten nur einen notdürftigen und kaum überzeugenden Kompromiss. Dass sich die Aso einen anderen UCI-Chef gewünscht haben soll, war kein Staatsgeheimnis.

Manch einer in der Branche sieht den neuen Mann an der Verbandsspitze daher nun als Marionette der Tour-Macher. In den Tagen vor der Wahl wies Lappartient das selbstverständlich zurück, aber gleichwohl gab er sich betont kooperativ. "Ich würde sagen, dass ich eine gute Beziehung zur Aso habe, und ich denke, es ist gut, einen Präsidenten mit einer guten Beziehungen zur Aso zu haben", teilte er in einem Interview mit. Denn was immer die UCI mache, so bleibe doch die Aso der stärkste Renn-Organisator der Welt. "Und ich sehe keinen Grund, warum die UCI sich in einer Art Krieg mit der Aso befinden muss."

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