Radsport in Deutschland:Lehren aus der Seuche

Das nächste Jahr geht wohl ohne deutsches Profiteam über die Bühne - eine Konsequenz aus den vielen Affären. Nun muss sich der deutsche Radsport ein Beispiel an Frankreich nehmen.

Andreas Burkert

Die Franzosen versöhnen sich gerade mit dem Profisport. Zwar werden sie wieder mit den Unappetitlichkeiten aus dem Pariser Rotlichtmilieu unterhalten und somit an den peinlichen Auftritt ihrer Équipe tricolore bei der Fußball-WM erinnert. Doch dafür sind sie ganz verzückt von der Tour de France, wo ihre Landsleute bereits sechs Etappensiege eingefahren haben.

Da lässt es sich verschmerzen, dass auch 25 Jahre nach Bernard Hinault kein Franzose als Tour-Sieger in Frage kommt. Von solchen Bilanzen werden die deutschen Radsportfreunde nun wohl ähnlich lange träumen dürfen wie Frankreich, das sich seit dem Festina-Skandal 1998 nach Erfolgsetappen sehnte. Denn nun haben die Deutschen wohl 2011 kein eigenes Team mehr am Start beim größten Radrennen der Welt - erstmals seit 1992.

Schuld am Niedergang einer schönen Sportart sind natürlich nicht die Medien. Die Medien haben diesen Sport erst groß gemacht, obwohl ihr Einfluss natürlich nicht annähernd so groß gewesen ist wie der Einfluss der Spezialmediziner aus Freiburg oder Madrid. Die Franzosen haben aus ihrer Seuchen-Affäre vor zwölf Jahren recht sinnvolle Schlüsse gezogen.

Sie leben in einem Radsportland, und die Experten dort an der Strecke und vor dem Fernsehen haben seit der Festina-Affäre begriffen, dass dieser Sport zwar schön und faszinierend ist, aber auch flächendeckend verseucht. Die jungen französischen Fahrer hatten seit 1998 wenig gewonnen, das Wehklagen war in jedem Juli groß. Doch die Teams und die jungen Fahrer hatten sich eben versprochen, für einen sauberen Radsport einzutreten.

Das Resultat dieser Aufbauarbeit feiern die Franzosen gerade. Zumindest ist das der Eindruck.

Auch in Deutschland gibt es sehr viele Talente, die Jedermann-Rennen in den Großstädten boomen. Auch stehen die Menschen, sofern es mal wieder ein Rennen gibt, massenweise an den Strecken. Die meisten von ihnen wissen sogar von den mutmaßlichen Geheimnissen derjenigen, die um den Tour-Sieg mitfahren. Die deutsche Velo-Gemeinde sollte sich nun nicht nur auf der Sponsorensuche in Geduld üben, ernüchternde Erlebnisse wie die Entzauberung von Jan Ullrich liegen erst drei, vier Jahre zurück. Auch wenn nun die Besten ins Ausland gehen müssen, sollte man einen seriösen Neuaufbau anstreben. Das kann sich lohnen, das wissen die Franzosen seit 1998. Damals wurden sie Weltmeister. Im Fußball.

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