Radsport:Die Familie will aufsteigen

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Gerettet: Alex Dowsett bringt seine knappe Gesamtführung aus dem Zeitfahren nach Nürnberg und entscheidet die Bayern-Rundfahrt für sich. (Foto: imago)

Alex Dowsett gewinnt die 36. Bayernrundfahrt. Die Tour soll bald zur World Tour gehören.

Von Christian Bernhard, Nürnberg/München

Ralph Denk kennt Tiago Machado sehr gut, im vergangenen Jahr fuhr der portugiesische Radprofi unter Teamchef Denk für das deutsche Team Netapp-Endura. Machado, so Denk, sei ein feuriger Typ. Und ein Siegertyp. Denks deutsches Team heißt jetzt Bora-Argon 18 und Machado fährt mittlerweile für das Team Kathusa, seinen Siegeswillen hat er dort aber nicht verloren. Deshalb war der Portugiese am Sonntag mit großen Plänen in die letzte Etappe der 36. Bayern-Rundfahrt gegangen, schließlich hatte er nur zwei Sekunden Rückstand auf den Gesamtführenden Alex Dowsett (Team Movistar). Doch es reichte nicht. Dowsett verteidigte seine Führung und holte sich erstmals den Bayern-Rundfahrt-Gesamtsieg.

Die Tour durch Bayern zog in den letzten Jahren große Namen an. Tour-Sieger Bradley Wiggins war schon dabei, ebenso Zeitfahr-Olympiasieger Fabian Cancellara. Dieses Jahr ragte John Degenkolb aus heraus, der Deutsche hatte die Frühjahrs-Klassiker Mailand-San Remo und Paris-Roubaix gewonnen und zeigte sich auch in Bayern stark. Er entschied die zweite Etappe in Selb und den Schlussabschnitt in Nürnberg im Massensprint für sich.

Bei Teams und Fahrern ist die Rundfahrt wegen der familiären Atmosphäre und der kurzen Wege beliebt. Die Mannschaften können teils sogar zwei Nächte im selben Hotel übernachten - eine Seltenheit bei großen Rundfahrten. "Da steckt ganz viel Herzblut drin", sagt Denk und verweist darauf, dass im Fahrerlager auch mal kostenlos Kuchen verteilt werde. Das, sagt Denk, "gibt es nirgendwo anders".

Trotz der Konkurrenz durch den Giro d'Italia und die Kalifornien-Rundfahrt, die gleichzeitig stattfinden, hat sie sich für viele als Tour-Vorbereitung etabliert. Dieses Jahr waren acht Teams dabei, die auch bei der Frankreich-Rundfahrt im Juli an den Start gehen. Und auch bei jungen Fahrern ist die Bayern-Tour beliebt. Wer sich hier in den Vordergrund fährt, "kann sich ins Gespräch bringen", sagte U23-Bundestrainer Ralf Grabsch. Marcel Kittel etwa, der schon acht Tour-Etappen für sich entschieden hat, war 2008 als U23-Fahrer dabei. Besonders die Top-Zeitfahrer kommen gerne nach Bayern. Nach Cancellara, Wiggins oder Vorjahressieger Geraint Thomas schlug dieses Jahr Dowsett auf. Der Brite hatte kürzlich den Stundenweltrekord verbessert und entschied das Einzelzeitfahren in Haßfurth, aber mit nur zwei Sekunden Vorsprung auf Machado, für sich.

Das Zeitfahren war fast doppelt so lang, wie jenes bei der Tour de France im Juli - Dowsett bezeichnete den Kurs als "technisch anspruchsvoll". Durch den G7-Gipfel auf Schloss Elmau musste die Rundfahrt zwei Wochen früher starten - nach den Klassikern hätten sich die Fahrer mehr Pause gewünscht. Die Bayern-Rundfahrt liegt Ende Mai mit Blick auf die Tour ideal.

Sie ist das größte, weil mittlerweile einzige, deutsche Rad-Etappenrennen. Sie rangiert in der zweithöchsten Kategorie des Welt-Radverbandes UCI, der sogenannten "Hors-Categorie", welche die wichtigsten internationalen Rennen außerhalb der World Tour (höchste Kategorie), den Weltmeisterschaften und den drei großen Rundfahrten Tour de France, Giro d'Italia und Vuelta a Espana umfasst.

Rundfahrtleiter Ewald Strohmeier hat aber noch größere Pläne. Bei der in nächster Zeit anstehenden Reform des Wettkampfkalenders, die momentan aufgrund von Streitigkeiten zwischen UCI und den Teams um die Verteilung der Fernsehgelder auf Eis liegt, kann er sich gut vorstellen, dass die Bayern-Rundfahrt in die World Tour aufsteigt. "Wenn uns die UCI mit einplanen würde, sagen wir ja", betont Strohmeier, rechnet aber "frühestens 2018" mit dem Zustandekommen der Reform.

Ralph Denk traut der Bayern-Rundfahrt diesen Sprung zu. Voraussetzung dafür sei, "mehr Geld zu generieren und dazu braucht sie das Fernsehen", betont der Bora-Teamchef. Ob bei diesem Schritt das Familiäre beibehalten werden kann, liege einzig am Veranstalter. "Dem Ewald", sagt Denk, "traue ich das aber zu". Strohmeier ist das Herz und die Seele der Bayern-Rundfahrt, er hat sie 1980 gegründet und über die Jahre aus einem kleinen Etappenrennen für Amateurfahrer eine Profi-Rundfahrt verwandelt.

An der Zeit wäre nur wieder mal ein deutscher Erfolg in der Gesamtwertung. Zuletzt war Linus Gerdemann 2009 erfolgreich, dieses Jahr landete Nils Politt (Team Stölting) als bester Deutscher auf Rang sechs.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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