Radsport:Der Clown vom Dienst ist Weltmeister

Radsport: Clown und Champion - Peter Sagan (Mitte) ist zum dritten Mal in Folge Rad-Weltmeister.

Clown und Champion - Peter Sagan (Mitte) ist zum dritten Mal in Folge Rad-Weltmeister.

(Foto: AP)
  • Peter Sagan wird in Bergen zum dritten Mal nacheinander Rad-Weltmeister. Das war zuvor noch niemanden geglückt.
  • Der Sprinter kommt erstaunlich gut über Anstiege und könnte sogar ein Mann für den Sieg bei der Tour de France werden.
  • Der 27-Jährige füllt zudem die Rolle als Clown vom Dienst aus.

Von Johannes Aumüller

Die Rettung für den Rest des Pelotons und die Garantie für ein bisschen Abwechslung auf dem WM-Thron nahte in Gestalt von Georg Spazier. Das ist kein aufstrebendes Radfahr-Talent, sondern der Chef-Organisator der WM 2018, die in Innsbruck stattfindet. Und in dieser Funktion stellte er kürzlich den Parcours vor, den die Fahrer im nächsten Herbst zu meistern haben: Sechs schwere Anstiege hinauf nach Igls und als Krönung eine Kraxelei auf die "Höttinger Höll" beinhaltet er, unter anderem.

Niemand kann heute, genau 369 Tage vor dem Rennen, sagen, wer Rad-Weltmeister 2018 wird. Aber mit ziemlich genau 369-prozentiger Wahrscheinlichkeit lässt sich festhalten, dass es Peter Sagan nicht wird. Denn für solche Schwierigkeiten ist er trotz seiner vielfältigen Qualitäten nicht der Fahrertyp. Und so darf sich der Slowake schon jetzt damit beschäftigen, nächstes Jahr "länger Urlaub" zu machen, wie er scherzte. Anstatt mal wieder ein WM-Rennen zu gewinnen.

Manche nennen ihn "Legende"

Peter Sagan ist am Sonntagabend beim Straßenrennen in Bergen ein großer Coup geglückt. Zum dritten Mal nacheinander sicherte er sich den WM-Titel, im Schlussspurt gegen den Norweger Alexander Kristoff. Es hatte zwar schon vier Sportler gegeben, die im Laufe ihrer Karriere dreimal den WM-Titel errangen: Alfredo Binda, Rik van Steenbergen, Eddy Merckx und Oscar Freire. Aber dreimal nacheinander zu triumphieren, das war noch niemandem geglückt - bis Sagan kam.

"Legende", nennt ihn mancher Konkurrent, wie etwa Rick Zabel, der wie alle deutschen Starter mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun hatte. Nun ist der Sport mit solchen Begriffen recht schnell, aber in jedem Fall steht fest, dass dieser Peter Sagan ein sehr erfolgreicher und aus vielen Gründen sehr ungewöhnlicher Rennfahrer ist.

Ein Sprinter mit Bergqualitäten

Es ist im Straßenradsport schwerer als etwa im Tennis, den tatsächlich "besten" Athleten zu suchen und zu küren. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen an die Rundfahr-Spezialisten einerseits und die Experten für Eintagesrennen andererseits. Meistens stehen für die Öffentlichkeit eher die Rundfahrer im Fokus, derzeit also insbesondere der viermalige Tour-de-France-Sieger Christopher Froome. Aber sollte es im Peloton mal eine Abstimmung über den aktuell besten Fahrer der Welt geben, hätte Sagan wohl beste Chancen.

Der Slowake, geboren in Zilina und mittlerweile in Monaco lebend, präsentiert sich nämlich erstaunlich vielfältig. Schon fünf Mal gewann er bei der Tour das Grüne Trikot des besten Sprinters. Für einen Sprinter kommt er aber auch sehr gut über schwierigere Anstiege. Auf die harten Eintages-Klassiker wie die Flandern-Rundfahrt oder Paris - Roubaix versteht er sich auch bestens, wie mehrere Top-Sechs-Resultate in den vergangenen Jahren zeigen. Und als Abfahrer mit manchmal halsbrecherisch aussehender Technik, die er sich in seinen Jugendjahren als starker Mountainbiker beigebracht hat, ist er ohnehin in einer eigenen Liga unterwegs. Dabei ist Sagan erst 27 Jahre alt, mancher traut ihm zu, sich zum Rundfahrer wandeln zu können, würde er es denn darauf anlegen. Viel vor hat er in jedem Fall noch: "Wollt ihr etwa, dass ich aufhöre, Rennen zu fahren?", fragte er in Bergen.

"Wer heute dopt, ist dumm"

Sagan, der bald Vater wird, weiß aber auch, sich gut in Szene zu setzen in diesem oft graumäusigen Feld des Radsports. In den sozialen Netzwerken inszeniert er sich gut, und regelmäßig füllt er seine Rolle als Clown vom Dienst aus. Sagan ist ohne Zweifel ein Einzel-Vermarkter; ein Sprecher seiner Generation sein zu wollen, lehnt er ab. Und zur bis heute existenten Doping-Problematik fallen ihm nur Sätze ein wie: "Wer heute dopt, ist dumm." Obwohl die Schwächen des Anti-Doping-Systems offenkundig sind und die Zahl der offiziell überführten Sportler sowie die in anonymen Umfragen ermittelten Werte weit auseinandergehen.

Sagans Serie

Radsport-Weltmeister im Straßenrennen seit 2007

2007 Stuttgart Paolo Bettini (Italien)

2008 Varese/Italien Alessandro Ballan (Italien)

2009 Mendrisio/Schweiz Cadel Evans (Australien)

2010 Geelong/Australien Thor Hushovd (Norwegen)

2011 Kopenhagen Mark Cavendish (Großbrittanien)

2012 Valkenburg/NL Philippe Gilbert (Belgien)

2013 Toskana/Italien Rui Costa (Portugal)

2014 Ponferrada/Spanien Michał Kwiatkowski (Polen)

2015 Richmond/USA Peter Sagan (Slowakei)

2016 Doha/Katar Peter Sagan

2017 Bergen/Norwegen Peter Sagan

Bei seiner Mannschaft Bora-hansgrohe aus Raubling (Oberbayern) sind sie in jedem Fall froh, dass sie Sagan mitsamt einigen Getreuen im vergangenen Winter ins Team holen konnten. Für viel Geld, versteht sich; kolportiert werden vier Millionen Euro jährlich, das Team nennt keine Zahlen. Aber die Verantwortlichen verbreiten den Eindruck, dass sich das Investment ausgezahlt hat.

Dabei war es durchaus eine zwiegespaltene Saison für Sagan. Die Frühjahrsklassiker verliefen ordentlich, aber er hatte sich insgeheim mehr erhofft als Rang zwei bei Mailand - Sanremo und zwei Platzierungen jenseits der 20 in Flandern und Roubaix. Und dann geriet vor allem Sagans Auftritt bei der Tour de France zu einem Reinfall: Die Organisatoren schlossen ihn nach der vierten Etappe aus, weil er aufgrund seines Fahrverhaltens im Sprintfinale angeblich einen Sturz des Konkurrenten Mark Cavendish verursacht hatte. Der Protest gegen den Ausschluss wurde zurückgewiesen, bis heute ist der Fall eine Sache für den Internationalen Sportgerichtshof.

Mit dem sechsten Grünen Trikot wurde es deshalb nichts. Aber vielleicht war das auch ein Grundstein für den nun so bejubelten dritten WM-Titel. "Es hat", so Sagan, "manchmal auch seine guten Seiten, wenn einem etwas Schlechtes passiert."

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