Qualifikation in Monaco:Gremlins stoppen Mercedes

Der Australier Daniel Ricciardo startet am Sonntag von der Pole Position und zeigt: Red Bull ist wieder da. Die Silberpfeile dagegen kriegen die Krise. "Das wird langsam schon frustrierend."

Von Elmar Brümmer, Monte Carlo

Die Twitter-Botschaft des Mercedes-Rennstalls zierten drei Klatschehändchen - der Applaus des Teams, das gerade in der Qualifikation zum Großen Preis von Monaco geschlagenen worden war. Während die Silberpfeile von Nico Rosberg und Lewis Hamilton wegen zu hoher Benzintemperaturen erst gar nicht anliefen oder gleich ausgingen, konnte der Australier Daniel Ricciardo mit dem Red-Bull-Rennwagen die beste Runde und damit auf Startplatz 1 fahren. Und die hat nicht allein mit den besonderen Umständen der Raserei im Fürstentum zu tun. Red Bull ist wieder da, Mercedes kriegt die Krise, das Publikum jubiliert.

Jahrelang lief Daniel Ricciardo mit einer Zahnspange durch die Fahrerlager der Formel 1, und das Ergebnis zahlte sich am Samstagnachmittag um kurz nach drei sichtbar aus: Der 26-Jährige hat nach der ersten Pole-Position seiner Karriere das breiteste, das schönste Lachen von allen. Vom Gebiss und vom Ergebnis her. Ein Erfolg, der fast mehr Prestige mit sich bringt als die drei Siege des Australiers in der Saison 2014 gegen Sebastian Vettel: "Was für eine Kulisse, um das endlich zu schaffen!"

Mit der Hilfe von Adrian Newey und Mario Illien

Während sein Red-Bull-Teamkollege Max Verstappen das Auto gleich übermotiviert in die Leitplanken setzte, legte Ricciardo im Top-Ten-Qualifying auf Anhieb die perfekte Runde hin. Das hatte nicht nur damit zu tun, dass Dan, the Man den Frust der vergangenen Rennen, als ihm trotz starker Leistungen der Erfolg versagt blieb, in positive Energie umsetzen konnte. So ausbalanciert wie der Pilot präsentierte sich bei der wilden Jagd über Kanaldeckel und Zebrastreifen auch der Rennwagen vom Typ RB 12. Es ist die jüngste Schöpfung des Ausnahme-Konstrukteurs Adrian Newey, und das Chassis gilt als das beste im Feld, besser noch als jenes der Siegerpfeile. Allein, was fehlte, war die nötige Power. Die stellt sich jetzt ein. Mit Hilfe des ehemaligen, erfolgreichen Mercedes-Motorenschöpfers Mario Illien hat die Rennabteilung von Renault plötzlich das nötige Mehr aus dem Hybrid-Antriebsstrang geholt, das Ricciardo in die Nähe des Monaco-Rundenrekords katapultierte. Vom kommenden Rennen an wird auch Kollege Verstappen in den Genuss des Updates kommen.

Natürlich spielten Riccardo die neuerlichen Zuverlässigkeitsprobleme beim Primus Mercedes in die Hände. Aber auch WM-Spitzenreiter Nico Rosberg spürt, dass nach noch nicht einmal einem Drittel der Saison eine Verschiebung der Machtverhältnisse anstehen könnte: "Die haben einen guten Job gemacht, sie haben schnell aufgeholt." Eine Wachablösung sieht er allerdings nicht, man müsse die Besonderheiten der Strecke ins Kalkül ziehen. Aber: "Sie waren diesmal schneller. Aus!" Plötzlich ist jedoch nicht allein Ferrari der Rivale für die Titelverteidiger, sondern Red Bull Racing - mit der nötigen technischen Expertise, mit aller finanziellen Kraft und der Erfahrung von vier WM-Titel in Serie zu Anfang des Jahrzehnts. Für die Mannschaft aus Milton Keynes war es die erste Pole-Position seit dem November 2013. "Es ist sehr schmerzhaft, hier nicht ganz vorn zu stehen", gesteht Mercedes-Sportchef Toto Wolff, "aber ich sehe einem großen Kampf entgegen." Und vielleicht noch einer Menge Ärger.

Hamilton erneut von der Technik ausgebremst

Ricciardos unbefangenes Lachen, das auch mit einem Vorteil in der Reifenstrategie zu Beginn des Rennens zu tun hat, stand bei der Talkrunde nach der Qualifikation im denkbar stärksten Kontrast zu den Mienen der beiden Mercedes-Fahrer, die ihn flankierten. Dem um 0,169 Sekunden geschlagenen Nico Rosberg war jedwede Energie aus dem Gesicht und den Worten entwichen; Hamilton als Dritter, der erst in den letzten fünf Minuten wieder auf die Piste gehen konnte, war kaum zu verstehen. Die Demütigung, in der entscheidenden Phase am Ausgang der Boxengasse stehengeblieben zu sein, und dann der Zeitverlust durch drei Aufwärmrunden paarten sich mit dem schwindenden Vertrauen in die Zuverlässigkeit seines Autos. Der Brite wurde jetzt schon zum dritten Mal bei sechs Rennsamstagen von der Technik ausgebremst. Selbst anderthalb Stunden nach Ende der Qualifikation hatte er sich nicht erholt. Kaum von einer Schale Erdbeeren aufsehend, in die er immer wieder griff, nuschelte er: "Die Probleme sind ja zur Normalität geworden."

Gremlins, kleine Monster, werden solche schwer erklärlichen technischen Probleme in der Formel-1-Sprache genannt. "Wir hatten in der ganzen Testphase keinerlei Sorgen, aber natürlich treiben wir die Leistung jetzt ans Limit", sagt ein nachdenklicher Toto Wolff, "wir machen gerade harte Zeiten durch. Das wird langsam schon frustrierend." Das Benzintemperatur-Problem sieht er für die 78 Rennrunden gelöst - es sei nur aufgetreten, weil die Fahrzeuge nach kurzer Höchstbelastung wieder in die Garage geschoben wurden und dort der Sprit überhitzte.

Verlieren die Rivalen wieder die Nerven?

In der Weltmeisterschaft liegt Hamilton 43 Punkte hinter seinem Erzfeind Rosberg zurück. Nein, erklären könne er sich das nicht, klagte der Brite. Und schon vor dem Start in das Monaco-Wochenende hatte er über den weiteren Saisonverlauf gesagt: "Ich lege meine Hoffnungen in Gottes Hände." Von Startplatz drei aus, den er mit einer Wutrunde kurz vor Schluss einfahren konnte, braucht er einen perfekten Start, der nur mit der richtigen Balance aus Kontrolle und Aggression möglich ist. Was er im Rennen erreichen könne, wurde der kaum ansprechbare Brite nach der dritten gehandicapten Qualifikation des Jahres noch gefragt. "Wenn mein Auto fährt, werde ich mit den anderen kämpfen", sagte er ungewohnt zurückhaltend.

Denn da ist ja noch die erste, die in Monte Carlo meistens alles entscheidende Kurve - und der Crash der beiden Werksfahrer gleich zu Beginn des letzten Rennens. "Ich schaue nur nach vorn", behauptet Nico Rosberg, "und fokussiere mich ganz darauf, zu gewinnen." Zurückhaltung habe er sich nicht auferlegt, obwohl das Mercedes-Management klar gemacht hatte, dass so etwas nicht mehr passieren dürfe: "Barcelona ist abgehakt." Personalchef Wolff setzt auf die Kraft der Statistik: "29 Rennen lang haben sie sich nicht berührt. Ich fange das Zählen jetzt wieder von vorn an."

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