Puyols Abschied in Barcelona:Samson macht Schluss

FC Barcelona vs. Athletic Bilbao

Bereit für die letzte Ehrenrunde: Carles Puyol.

(Foto: dpa)

Ende einer Ära: Nach bisher 593 Spielen verlässt Carles Puyol den FC Barcelona zum Saisonende. Mit ihm geht kein Techniker, aber ein unverwüstlicher Arbeiter. In die Barça-Nachwuchsakademie wurde er einst nur widerwillig aufgenommen.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Da geht einer, bevor man ihm sagt, dass er doch bitte gehen möge, noch bevor Pfiffe seine Kämpferlegende zerreißen. Der Fußballer Carles Puyol geht aufrecht, irgendwie unzeitgemäß. Puyol ist bald 36 Jahre alt. Zwei Jahre würde sein Vertrag beim FC Barcelona noch gelten, zwölf Millionen Euro Gehalt stünden ihm zu - selbst dann, wenn er gar nicht mehr spielte.

"Samson", wie sie ihn wegen seiner mächtigen Haarmähne nennen, hätte sich also ein bisschen erholen können von den heroischen Schlachten einer langen Verteidigerkarriere. Weich gebettet in der Dankbarkeit des Vereins. Doch das hätte nicht zum Symbol gepasst.

Puyol bestellte also die Presse ein, um in einem auswendig gelernten, nüchternen, nur eineinhalbminütigen Vortrag kundzutun, dass er Barça nach 15 Jahren, bisher 593 Spielen und 21 Titeln am Ende der Saison verlassen werde. Wahrscheinlich wird der "ewige Kapitän" ganz aufhören, vielleicht hängt er noch eine Spielzeit in Amerika an, in New York etwa, wo seine Frau eine Wohnung besitzen soll; vielleicht locken ihn auch die Arabischen Emirate.

Verletzungen als Trophäen

Aber für Erstklassigkeit reicht Puyols körperliche Verfassung bald nicht mehr aus. Sagt er selbst. Sein rechtes Knie heilt nicht mehr ganz. Viermal musste Puyol es schon operieren lassen. Insgesamt 38 Mal hat er sich verletzt in seiner Laufbahn: an Knöcheln und Bändern, an Schenkeln und Rippen. Er brach sich einen Backenknochen, das Jochbein, die Nase. Und kehrte stets zurück, unverwüstlich.

Oft sah man Puyol an Krücken oder mit Gesichtsmaske. Er trug die Verletzungen wie Trophäen seiner Unerschrockenheit mit sich herum. Spanische Zeitungen schreiben mit bewunderndem Unterton von 38 "Kriegswunden". Alle Blätter schicken nun ihm Elogen hinterher, sogar die aus Madrid - 100 Mal hat er ja auch für Spanien gespielt.

Katalanische Antwort auf Braveheart

Als Carles Puyol erst mit 17 Jahren zur Nachwuchsakademie von Barça stieß, glaubten nur wenige, dass aus diesem Jungen aus der katalanischen Provinz ein Großer werden würde. Zu rustikal erschien sein Vortrag, zu mittelmäßig die Ballbehandlung, das Talent. Weder war er besonders groß, wie es Innenverteidiger im besten Fall sind, noch überzeugte er mit sicherem Passspiel. Aufgenommen haben sie ihn, weil er es unbedingt wollte.

Wegen seines Kampfgeistes. Wegen dieser "garra", wie die Spanier sagen, wenn sie damit die ansteckende Energie eines kämpferischen Enthusiasten und Motivators meinen. Das war er immer, schon im B-Team, in dem er sich länger als andere gedulden musste. Puyol wurde zum leibhaftigen Synonym von "garra", zur katalanischen Antwort auf "Braveheart".

In Zeiten des großen Barça, von 2008 bis 2012, als Trainer Pep Guardiola mit den feinen Künstlern Messi, Xavi und Iniesta dem Klub alle Glorie bescherte, die der Fußball offeriert, wirkte Puyol hinten in der Abwehr manchmal wie ein spielerischer Fremdkörper. Etwas unbeholfen und kantig bewegte er sich, während sie vorne den Tiki-Taka tänzelten. Vorne Poesie, hinten Puyol'sche Prosa. Doch er war das Zentrum der Mannschaft, das Herz.

Puyols Geschichte ist eine Parabel für Fleiß und Treue

Guardiola lobte ihn als natürlich charismatischen Leader der Gruppe und obendrein als einen der besten Antizipierer der Welt: Puyol spürte meist vorab, wo der Ball hinkommen würde. Und so lange die Beine fit genug waren, war er auch oft früher zur Stelle als seine schnelleren Gegenspieler. Mal grätschend, mal springend. Alles setzte er ein, um den Verein vor einem Tor zu bewahren, seinen ganzen Körper. Jeder Ball, als wäre er der letzte.

So werden sie ihn in Erinnerung behalten bei Barça. Sein Beispiel überstrahlt das Fußballerische. Es funktioniert als Parabel für ehrliche Arbeit und Fleiß, für Treue auch. Wäre Puyol rhetorisch etwas begabter, hätte er das Zeug zur Ikone des stolzen, wachsenden Katalanismus. Vielleicht sogar zur politischen.

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