Prozess um gedopten Radfahrer Schumacher:Fragen an die Schattenwelt

Betrugsprozess gegen Radprofi Schumacher

Der Betrugsprozess gegen Radprofi Schumacher hat in Stuttgart begonnen. 

(Foto: dpa)

Stefan Schumacher beschreibt am ersten Verhandlungstag vor dem Stuttgarter Landgericht ausführlich das Dopingsystem im Radsport - auch beim Team Gerolsteiner. Namen von Ärzten will er aber nicht nennen. Und so wirkt seine Aussage wie ein Sittenbild des verseuchten Sports.

Von Roman Deininger, Stuttgart

Okay, sagt Stefan Schumacher zum Vorsitzenden Richter, er erzähle gern alles noch einmal, seine ganze Dopinggeschichte beim Team Gerolsteiner: Wachstumshormon, Epo, Kortison. "Sie haben natürlich nicht die Pflicht, diverse Magazine zu lesen."

Der Richter lächelt milde, er sagt, seine Pflicht sei es halt, hier im Saal 18 des Stuttgarter Landgerichts die zweite Auflage der Schumacher'schen Beichte anzuleiten. Vor der 16. Großen Strafkammer beginnt am Mittwochmorgen ein in Deutschland womöglich wegweisender Prozess: gegen einen Doper - wegen Betrugs an seinem Arbeitgeber.

Der Angeklagte Schumacher hat allerdings vorab schon in der Presse ausgepackt, er hat damit der Staatsanwaltschaft die Strategie ruiniert: Er ist jetzt nicht mehr der verstockte Leugner klar bewiesener Vorwürfe, er hat sein jahrelanges Doping endlich gestanden. Er leugnet nur noch das, was an den acht geplanten Verhandlungstagen in Stuttgart juristisch relevant ist: den Betrug am Arbeitgeber.

Laut Anklageschrift soll sich Schumacher drei Monatsgehälter erschlichen haben, indem er während der Tour de France 2008 gegenüber seinem unwissenden Team bestritt, die damals neue Epo-Variante Cera eingenommen zu haben. Bei Nachtests im Herbst 2008 wurde Cera dann bei ihm nachgewiesen, für den Zeitraum der Tour und der Olympischen Spiele in Peking.

Die Fragen, die das Landgericht Stuttgart nun klären muss, zielen mitten hinein in die Schattenwelt des Radsports: Kann ein Profi systematisches Doping betreiben ohne Kenntnis und Unterstützung seines Teams? War Gerolsteiner-Chef Hans-Michael Holczer im Fall Schumacher wirklich ahnungslos?

Namen will Schumacher nicht nennen - noch nicht

Zuerst mal muss sich das Gericht aber an die sehr spezifische Materie gewöhnen. Eine Richterin weiß nicht recht, was sie unter dem "U23 Team Telekom" verstehen soll, für das Schumacher einst fuhr. Nach den durchaus engagierten Erklärungsversuchen des Angeklagten sagt sie: "Ich hab's immer noch nicht verstanden." Schumacher sagt: "So was wie die FC-Bayern-Amateure." Da nickt die Richterin.

Schumacher, 31, ist ein äußerst freundlicher Angeklagter, er trägt auch einen sommerlich hellen Anzug. Kühl wird er immer dann, wenn es um Holczer geht. Natürlich habe der Teamchef über alles Bescheid gewusst, sagt Schumacher.

Über die falschen Atteste, über ausgedachte Leiden am Knie oder am Ellbogen, damit gefahrlos Kortison gegeben werden konnte. Über die Mini-Zentrifuge, die das Team stets im Bus gehabt habe, um den Hämatokrit-Wert der Fahrer zu kontrollieren. Und selbstverständlich auch über das Kochsalz, das die Gerolsteiner-Ärzte regelmäßig verabreicht hätten, um erhöhte Werte wieder zu senken.

Für die Zuhörer im vollen Saal ist Schumachers mehrstündige Aussage so etwas wie ein Sittenbild des Radzirkus. Wie man sich die Beschaffung von Dopingmitteln vorstellen müsse, wird er einmal gefragt. "Wie bei Jugendlichen, die kiffen wollen", sagt er. Es sei immer klar, wen man fragen muss.

"Es war nicht so, dass der Teamchef mit dem großen Koffer kam." Aber: "Es hat eine Form der Kommunikation gegeben, wo man wusste, was da gespielt wird." Dass Holczer mitgespielt habe, versucht Schumacher mit Zitaten des Teamchefs zu belegen. "Hey Schumi, hast du zu viel Synacthen geblasen?", soll Holczer ihn bei den deutschen Meisterschaften 2006 gefragt haben.

Und 2007, nach Schumachers Sieg beim Amstel Gold Race, soll er gesagt haben: "Schumi, ich bin nicht blöd. Amstel gewinnt man nicht einfach so. Aber ich glaube, für einen Weltklassefahrer bist du relativ sauber." Holczers Frau Renate hört sich viel von dem als Zuschauerin im Saal an; als sich Schumachers Verteidiger darüber beschweren, geht sie freiwillig.

Doch Schumachers Beichte hat ein Loch. Den Namen des Gerolsteiner-Arztes, der ihm Dopingmittel besorgt haben soll, will er nicht verraten: "Der Mann wollte mir helfen, weil er es auch nicht besser wusste." In einer Verhandlungspause brüllt der Dopingbekämpfer Werner Franke Schumacher an: "Nenn' den Namen!" Auch der Staatsanwalt wird laut, aber Schumacher sagt: "In diesem Saal nenne ich keinen Namen", er wolle niemanden "denunzieren."

Sein Anwalt meint später, man solle sich einfach gedulden: Der Name werde schon noch rauskommen im Laufe des Prozesses.

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