Prozess gegen Uli Hoeneß:Ein Korb voller Millionen

Zweiter Tag im Hoeneß-Prozess

Uli Hoeneß (links) neben seinem Anwalt Markus Gotzens.

(Foto: dpa)

Ruhig, aber hart in der Sache berichtet eine Steuerfahnderin, wie zögerlich Uli Hoeneß die belastenden Daten herausrückte. Der Angeklagte hört mit rotem Kopf zu. Dass er mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, wird immer unwahrscheinlicher.

Von Annette Ramelsberger

Es ist der Tag der Zahlen und es ist der Tag der Leiden. Die zuständige Steuerfahnderin berichtet vor Gericht, wie sie versucht hat, den hinterzogenen Geldern von Uli Hoeneß auf die Spur zu kommen, und man muss sagen: Die Frau hat eine Leidensgeschichte hinter sich. Immer wieder hat sie versucht, an Unterlagen zu kommen, die dem Finanzamt erklären könnten, wie viel Geld Hoeneß eigentlich an Steuern hinterzogen hat. Immer wieder wurde Hoeneß und seinen Beratern eine Frist gesetzt. Doch es kam nichts.

Und nun, das sieht man deutlich, ist das Leiden an Hoeneß. Es wird von Zahl zu Zahl schlimmer für ihn. Und es steht nun nicht mehr nur eine einfache Steuerhinterziehung im Raum, sondern eine besonders schwere. Dafür liegt das Strafmaß bei bis zu zehn Jahren.

Am 17. Januar 2013 hatte Hoeneß seine Selbstanzeige abgegeben. Man muss sich vor Augen halten, dass eine Selbstanzeige nur gültig ist, wenn sie rechtzeitig erfolgt und vollständig ist. Ob Hoeneß den Fahndern zuvorkam, darüber lässt sich streiten - wenn, dann waren es nur ein paar Stunden, wie die Zeugen am Montag berichtet hatten. Bei der Vollständigkeit der Selbstanzeige aber tut sich ein Abgrund auf.

Die Steuerfahnderin hat einen ganzen Korb an Akten dabei, sie berichtet über Stunden, in denen sie versucht hat, den Wust von Unterlagen zu durchforsten, die ihr der Steuerberater und die Verteidiger von Hoeneß überließen. Sie redet von einem "blauen Ordner" der Schweizer Bank Vontobel, aus dem sich fast 70 Millionen Euro strategische, also steuerfreie Gewinne ergaben - aber was daran zu versteuern war, ließ sich mit den Unterlagen nicht errechnen.

Erst ganz zum Schluss, Ende Februar dieses Jahres, übergaben die Verteidiger dem Finanzamt zwei USB-Sticks mit Daten der Bank. Aber die waren mit den Computern der deutschen Fahnder nicht kompatibel. Und eine Woche vor Prozessbeginn kam dann noch ein USB-Stick, diesmal lesbar. Es kamen Summen heraus, mit denen keiner gerechnet hatte.

52.000 Seiten Akten

Das Finanzamt war zunächst nachsichtig: Erst gab es eine Frist bis Februar 2013. Dann eine bis Mitte April. Dann wieder eine bis zum 10. Juni. Zwischendurch durchsuchten die Steuerfahnder das Haus von Hoeneß und nahmen ihn mit nach München. Dort lag schon der Haftbefehl bereit. Er wurde ausgesetzt gegen fünf Millionen Euro Kaution. Das schien ihn offenbar zu beruhigen - Hoeneß rief zwar am nächsten Tag noch bei der zuständigen Steuerfahnderin an und bedankte sich dafür, wie diskret die Durchsuchung abgelaufen sei. Aber dann erlahmte offensichtlich sein Aufklärungsinteresse. Am 9. Dezember hat die Fahnderin "letztmalig" alle Unterlagen angefordert. Am 13. Januar hat sie noch einmal mit Hoeneß' Steuerberater Günter Ache telefoniert, und der sagte etwas Eigenartiges: Die Entscheidung über die Vorlage von Unterlagen liege nun bei den Verteidigern.

Da merkt der Richter auf. "Waren die Unterlagen schon da?" fragt er. Das hieße ja, dass die Unterlagen zurückgehalten worden wären. Hoeneß' Verteidiger Hanns Feigen sagt, die Unterlagen seien erst spät gekommen. Auf jeden Fall erhielt die Steuerfahnderin erst am 27. Februar die Unterlagen auf USB-Sticks: 52 000 Seiten Akten. Nicht kompatibel mit den Computerprogrammen der Fahnder. Richter Heindl fasst den Stand so zusammen: "Ein großer Schuhkarton voll Daten." Und er fragt: "Sollte das nun alles sein?" Ja - es sollte alles sein.

Aber es war nicht alles. Denn am 5. März brachten die Verteidiger noch einmal zwei USB-Sticks, auf einem die interne Aufstellung der Bank mit den Abrechnungen zu den Devisengeschäften. Die Steuerfahnderin hat dann die neuen Daten während der Faschingswoche gesichtet. "In der Sie eigentlich komplett Urlaub haben sollten", fügt der Richter hinzu. Man spürt, dass hier alle ziemlich genervt sind von Uli Hoeneß und seiner Art, die Dinge regeln zu wollen.

Die Experten reden, Hoeneß hört zu

Der Richter fragt die Steuerfahnderin, ob die Verteidiger etwas gesagt hätten, wie Hoeneß denn aus dieser Lage wieder rauskommen wollte. "Gab's da eine Einschätzung? Mir ist da was kolportiert worden", ermuntert sie der Richter. Hoeneß werde noch einmal eine Nachzahlung leisten - über die zehn Millionen Euro hinaus, die er schon bei der Selbstanzeige überwiesen hatte, sagt sie. Der Staatsanwalt sagt am Nachmittag, die zehn Millionen passten ja "nicht ganz zu den heutigen Beträgen".

Die Verteidigung betont nun, sie habe "sehenden Auges" diese Unterlagen vorgelegt. Offenbar sah auch sie nur noch ihr Heil in der Flucht nach vorn. Und das eine Woche vor dem Prozess.

Und nun gilt es. Die Steuerfahnderin steht am Richtertisch, eine zierliche Frau von 40 Jahren, und erklärt sieben Herren in schwarzen Roben, was da an Millionen jongliert wurden. Und während die Experten vorne am Richterisch reden, sitzt hinter ihnen auf der Anklagebank Hoeneß und hört ihnen zu.

Die Fahnderin nimmt immer den "best case" an, nicht den "worst case" für Hoeneß. "Es hilft ja nichts, wenn wir uns dann darüber streiten", sagt sie den Verteidigern. Sie sagt, die Zahlen seien relativ belastbar. Und dann kommt die Zahl, sie ist noch einmal fünf Millionen höher als die von Montag: 23,7 Millionen. Soviel soll Hoeneß nun nach den neuesten Zahlen hinterzogen haben. Und dazu kommen noch die 3,5 Millionen aus der Anklage. Das gibt zusammen 27,2 Millionen Euro. Es ist eine Summe, die jedes Maß übersteigt. Von einer Bewährungsstrafe ist längst nicht mehr die Rede.

Der Angeklagte Uli Hoeneß sieht sehr unglücklich aus. Er sitzt da, schweigend, die Hände auf dem Tisch vor sich gefaltet, sein Kopf hat das bekannte Hoeneß-Rot, und es wird im Laufe des Tages immer tiefer. Es ist nicht schön für den Bayern-Präsidenten, dieser Steuerfahnderin zuzuhören, die sein Vermögen besser kennt als er. Und die das so ruhig und detailliert vorträgt, ohne Belastungseifer, stoisch, aber unerbittlich genau. Offensichtlich wollen jetzt alle diesen Prozess schnell hinter sich bringen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Vermutlich fällt doch am Donnerstag das Urteil.

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