Prozess gegen Uli Hoeneß:Alles hängt an der Selbstanzeige

Bayern Munich President Hoeness arrives for continuation of his trial for tax evasion at  regional court in Munich

An diesem Donnerstag soll das Urteil gegen Uli Hoeneß vor dem Münchner Landgericht fallen.

(Foto: Marc Müller/Reuters)

Warum hält die Verteidigung die Selbstanzeige für vollständig, die Staatsanwaltschaft jedoch für unwirksam? Was muss Uli Hoeneß nach dem Richterspruch nun in jedem Fall zahlen? Vor dem Urteil: Antworten auf die drängendsten Fragen.

Aus dem Gericht von Bastian Brinkmann und Lisa Sonnabend

Warum wurden aus 3,5 Millionen Euro in der Anklage nun 27 Millionen?

Dem Gericht war von Anfang an klar, dass es nicht um 3,5 Millionen Euro geht, sondern dass mehr Geld im Feuer steht. Hoeneß nennt in seiner Selbstanzeige die Jahresendstände seiner Schweizer Zockerkonten. Demnach lagen dort zeitweise rund 150 Millionen Euro. Er spekulierte mit Währungen, investierte aber auch in Aktien und verzinste Finanzprodukte. Im Sommer wurde die Anklage geschrieben. Damals hatten die Ermittler nur belastbare Informationen über die Aktien und die Zinseinkünfte, die sogenannten Kapitalerträge. Sie sind anders zu versteuern als die Gewinne aus den Währungswetten. Deswegen nennt die Anklage eine Zahl für die hinterzogene Kapitalsteuer - das sind die 3,5 Millionen. In der Anklage weist der Staatsanwalt schon darauf hin, dass noch ein Betrag aus Spekulationsgeschäften dazukommen könnte. Diesen konnte die Steuerfahnderin jedoch erst mit den Daten schätzen, die Hoeneß im Februar übergeben hat, wenige Tage vor Prozessbeginn. Aus ihnen ergeben sich die 27 Millionen Euro.

Haben die Anwälte Daten zurückgehalten?

Erst wenige Tage vor Prozessbeginn legten die Verteidiger von Hoeneß die Daten zu den Devisentermingeschäften in der Schweiz vor: auf drei USB-Sticks. Ein EDV-Mitarbeiter des Finanzamts Rosenheim erkannte, dass einige der PDF-Dateien bereits am 18. Januar 2013 erstellt worden waren - einen Tag nach dem Einreichen der Selbstanzeige. Doch der Vorwurf, Hoeneß habe die Daten den Fahndern ein Jahr lang vorenthalten, ließ sich nicht halten. Verteidiger Hanns Feigen erklärte, die Schweizer Bank habe die 50 000 Transaktionen zunächst prüfen, abgleichen und ordnen müssen, das habe so viel Zeit in Anspruch genommen. "Es ist völlig abwegig, dass Hoeneß am 18. Januar bereits eine brauchbare Datei vorlag." Der EDV-Mitarbeiter des Finanzamts hielt es für möglich, dass die PDF-Dateien im Laufe des Jahres ergänzt wurden.

War die Selbstanzeige wirksam?

Das ist die entscheidende Frage. Sieht der Richter es so, ist Hoeneß straffrei. Sonst droht Gefängnis. Hoeneß hatte die Selbstanzeige im Januar 2013 in einer Hauruck-Aktion mit drei Helfern erstellt. Er hatte an dem Abend keine Unterlagen der Bank vorliegen, erst in der Nacht schickte das Geldhaus Vontobel die Jahresendstände seiner Konten. Das Gericht hatte zumindest vor Prozessbeginn Zweifel, ob die Selbstanzeige wirksam ist. Denn es hat die Anklage zugelassen, sonst wäre es nicht zum Prozess gekommen.

Diese Zinsen kommen auf Hoeneß zu

Wie argumentiert die Verteidigung?

"In der Selbstanzeige von Hoeneß sind sämtliche Daten, über die wir jetzt sprechen, bereits enthalten", sagte Verteidiger Hanns Feigen am Mittwoch vor Gericht. In der Selbstanzeige war angeben, dass Hoeneß 2003 und 2005 unterm Strich Gewinne eingefahren hat - zusammen knapp 130 Millionen Euro. Die Steuerfahnderin hatte am Dienstag erklärt, sie gehe davon aus, dass rund 70 Millionen davon steuerfrei waren. Bleiben also 60 Millionen Euro Gewinne. Und beim damaligen Steuersatz von Hoeneß bleiben dann rund 30 Millionen an hinterzogenen Steuern übrig. Zum Prozessauftakt hatte Feigen allerdings von einem Schätzwert in Höhe von 18,5 Millionen Euro gesprochen.

Was sagt die Staatsanwaltschaft?

Die Staatsanwaltschaft hält die Selbstanzeige für unwirksam. Der Grund: Sie sei unvollständig. In der ersten Version seien nicht für alle Jahre positive Einkünfte angegeben worden, erst in der zweiten Version sei dies geschehen. Also zu spät. Die erste Version von Januar 2013 nennt nämlich nur die Kontostände zum Jahresende. Hatte Hoeneß ein dickes Minus mit seinen Währungswetten eingefahren, stand dort also ein Verlust. Dabei hatte Hoeneß auch Aktien und verzinste Finanzprodukte. Diese haben Erträge abgeworfen, die man nicht mit den Spekulationsverlusten verrechnen darf. Sie wären auch in Verlustjahren zu versteuern gewesen. Zudem erklärten die Finanzbehörden, mit den Zahlen aus der Selbstanzeige haben sie nichts anfangen können - es hätten Unterlagen gefehlt. Ob die Tat durch die Recherchen eines Stern-Journalisten bereits entdeckt war, stand bei den Äußerungen des Staatsanwalts vor Gericht nicht im Fokus. Unwirksamer als unwirksam gehe nicht, so die Ansicht.

Wie viel muss Hoeneß zahlen?

Die 27 Millionen Euro sind nur für den Strafprozess relevant. Nach dem Richterspruch wird das Finanzamt Hoeneß' Steuerschuld genau ausrechnen. Da die Steuerfahnderin in ihrer Schätzung möglichst positiv für Hoeneß gerechnet hat, könnte die Summe dann höher ausfallen. Für eine genaue Rechnung braucht sie aber mehr Zeit. Wenn man rund 30 Millionen Euro an tatsächlicher Steuerschuld zugrunde legen würde, kämen seit 2006 im Falle einer Verurteilung jährliche Zinsen von sechs Prozent auf Hoeneß zu. Dadurch würde sich die Beispielzahl auf 48 Million Euro erhöhen.

Sieht der Richter die Selbstanzeige als vollständig an und stellt das Verfahren ein, kommen pro Tat noch fünf Prozent Aufschlag dazu. Die angenommene Summe würde sich dann auf rund 49,5 Millionen Euro belaufen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, bei Einstellung des Verfahren müsse Hoeneß zusätzlich weitere fünf Prozent Zinsen zahlen. Die fünf Prozent sind eine Einmalzahlung.

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