Prozess gegen Formel-1-Pilot Adrian Sutil:Ehre der Alphamännchen

Die Verhandlung beginnt mit einer Entschuldigung, doch Formel-1-Pilot Adrian Sutil bestreitet, Lotus-Besitzer Eric Lux in einer Disko in Shanghai vorsätzlich am Hals verletzt zu haben. Der Prozess gegen den Rennfahrer könnte zäh werden - oder mit einer Überraschung schnell enden.

Michael Neudecker

Vor Saal B177 des Münchner Strafjustizgebäudes steht Jürgen Wessing, er ist Strafverteidiger, spezialisiert auf Wirtschaftsdelikte und mit beeindruckenden Referenzen, jetzt vertritt er Adrian Sutil, den Formel-1-Fahrer. Sutil wird vom Luxemburger Geschäftsmann und Teambesitzer Eric Lux beschuldigt, ihn bei einer Party nach dem Rennen in Shanghai am 17. April 2011 am Hals verletzt zu haben, die Anklage lautet auf gefährliche Körperverletzung, die von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe ein Jahr auf Bewährung. Es sind zwei Verhandlungstage angesetzt, vorerst.

Prozess wegen Körperverletzung gegen Adrian Sutil

Entschuldigt sich zu Prozessbeginn und besteht darauf, sich nur gewehrt zu haben: Adrian Sutil.

(Foto: dpa)

Wessing also steht da, umringt von Reportern, er soll erklären, wie der Vorfall aus seiner Sicht zustande kam. "Die beiden haben sich verbal verhakt", sagt Wessing, "da sind zwei Alphamännchen aufeinandergetroffen", und damit hat er schon alles zu diesem Prozess gesagt.

Adrian Sutil, 29, ist ein talentierter Autorennfahrer, Sohn eines Münchner Philharmonikers, aufgewachsen in Gräfelfing, Eric Lux ist ein vermögender Geschäftsmann, Partner von Gerard Lopez als Chef einer Investmentfirma und mit ihm Besitzer des Rennstalls Lotus (vormals Lotus Renault). In jener Nacht in Shanghai trafen die beiden erstmals aufeinander, und was dann passierte, das ist, wie so oft bei Gericht, Ansichtssache.

Bevor Sutils Vernehmung beginnt, bittet Richterin Christiane Thiemann Lux, den Saal zu verlassen, bis er mit seiner Aussage an der Reihe sei. Sutil entschuldigt sich zunächst öffentlich beim draußen wartenden Lux, das ganze tue ihm "wahnsinnig leid", dann erzählt er seine Version.

Er habe Lux nach einer kurzen Auseinandersetzung von sich gestoßen, habe sich gegen Lux gewehrt, erst danach habe er bemerkt, dass Blut an seinen Händen und auf seiner Hose war. Dass er ein Champagnerglas in der rechten Hand hielt, sei ihm nicht mehr bewusst gewesen, in der Rangelei müsse das Glas irgendwie zerbrochen sein.

Eric Lux hat jetzt zwei Narben unter dem linken Ohr, eine 7,5 und eine 1,8 Zentimeter lang, die Verletzungen haben die Halsschlagader nur um einen Zentimeter verfehlt, wie der Sachverständige darlegt. Als Lux seine Aussage macht, bestreitet er nicht, zuerst auf Sutil zugegangen zu sein. Doch Sutil habe gesagt: "Weißt du eigentlich, wer ich bin? Ich bin Formel-1-Fahrer!"

Daraufhin habe sich der Streit entfacht, ob die Verletzung tatsächlich durch einen gezielten Schlag Sutils zustande kam, können aber weder Lux noch die Zeugen zweifelsfrei belegen. Eine Folge der Verletzung, sagen Lux wie auch der Sachverständige, sei ein Taubheitsgefühl am linken Ohrläppchen, aber darum geht es wohl nicht. "Es geht um Respekt", das ist ein Satz, den Lux während seiner Vernehmung sagt.

Sutil hatte versucht, sich telefonisch zu entschuldigen, Lux aber erwartete eine persönliche Entschuldigung. Im Versuch, sich vor einer Verhandlung zu einigen, habe Lux ihm "komische Angebote" gemacht, sagt Sutil, dabei sei es um "sehr, sehr" viel Geld gegangen. Wessing erklärt, Lux habe zwei Jahresgehälter gefordert, bei Sutil entspräche das einer Summe von vier Millionen Euro.

Die Rangelei ist von einer Überwachungskamera festgehalten worden, das Video wird während der Verhandlung abgespielt, dunkle Schwarz-Weiß-Aufnahmen, auf denen wenig zu erkennen ist. Es könnte ein zäher Prozess werden: Weder aus dem Video, noch aus den Aussagen oder den Beweisen ist eindeutig abzuleiten, wessen Version die richtige ist, und der laut Sutil einzige Zeuge, der gesehen habe, was passiert ist, ist nicht erschienen: Formel-1-Fahrer Lewis Hamilton gab an, er sei bei seinem Arbeitgeber unabkömmlich, und er habe den Vorfall selbst nicht genau gesehen.

Dienstagmorgen, neun Uhr, geht die Verhandlung weiter. Womöglich mit einer Überraschung: Noch am Montagabend trafen sich die Parteien zum außergerichtlichen Gespräch. "Wir werden aufeinander zugehen, und wenn man sich nicht einigen kann, verhandeln wir eben weiter", sagt Wessing, kurz bevor die Parteien das Gebäude verlassen, gemeinsam. Michael Neudecker

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: