Prozess gegen Bayern-Präsident:Hoeneß, angeklagt

Falls das Gericht die Selbstanzeige von Uli Hoeneß nicht anerkennt, droht dem Bayern-Präsidenten eine Bewährungsstrafe oder Gefängnis. In vielen der Fälle wird vor Gericht gedealt. Doch die Staatsanwälte wollen den Eindruck vermeiden, es gebe einen Promi-Bonus.

Von Hans Leyendecker

Eigentlich schien beim FC Bayern in den vergangenen Wochen alles so zu sein wie früher, nur schöner noch: Uli Hoeneß, der Patron des Vereins, saß wie immer mit rot-weißem Schal im Stadion. Neben ihm die alten Gefährten, der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und der frühere Finanzvorstand Karl Hopfner. Oft spielten die Bayern die Gegner an die Wand. Hoeneß wirkte fröhlich, manchmal fast unbeschwert, nur seine Gesten und Äußerungen waren etwas zurückgenommener als früher. So gut wie die Bayern spielen, so pumperlgesund wie der Verein dasteht, ist Hoeneß eigentlich auf dem Gipfel seines Schaffens angekommen.

War da mal was? Wer die Bilder sah, konnte leicht vergessen, dass die Staatsanwaltschaft München II gegen Ulrich Hoeneß am 30. Juli eine Anklage wegen Steuerhinterziehung erhoben hatte. Dann kam die neue Saison mit dem neuen Trainer, und das Verfahren mit dem alten Aktenzeichen 68 Js 3284/13 schien plötzlich ganz weit weg zu sein. Irgendwie still erledigt?

Auf der Fahrt zum nächsten Champions-League-Spiel der Bayern am Dienstag in Pilsen war der Fall Hoeneß dann wieder Spitzenmeldung in den Nachrichten, und die Republik horchte auf: Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II hat am Montag die Anklage gegen Hoeneß unverändert zugelassen. Es geht um 3,2 Millionen Euro hinterzogene Steuern. Der Bayern-Präsident gab sich überrascht, er erklärte, er wolle kämpfen, jetzt mit seinen Anwälten hart daran arbeiten, das Gericht zu überzeugen. Was man so sagt.

Aber allein die Bekanntgabe der nicht unerwarteten Zulassung der Anklage macht aus dem Montag einen denkwürdigen Tag. Aus dem Angeschuldigten ist ein Angeklagter geworden. Scheinbare Gewissheiten erscheinen plötzlich nicht mehr so gewiss. Ein Zwischenverfahren ist nur eine Etappe, bis zum Urteil ist es noch weit. Aber es gibt keine Sicherheit mehr, dass es am Ende für ihn "eine gute Lösung geben wird", wie er im Juli noch gemeint hatte.

Andererseits: Was wäre in seinem Fall überhaupt eine gute Lösung? Die mögliche Verurteilung zu einer ziemlich hohen Bewährungsstrafe - wäre das aus seiner heutigen Sicht gut oder schlecht? Verheerend, katastrophal wäre auf jeden Fall die Verurteilung zu einer Haftstrafe ohne Bewährung. Und das ist nicht auszuschließen. Was würde aus Hoeneß, was würde aus dem FC Bayern? Ohne ihn, das steht fest, wäre der Klub nicht da, wo er jetzt steht.

Die Geschichte dieses Kriminalfalls ist schon oft erzählt worden. Deshalb genügen einige Stichworte: Heimlich unterhielt Hoeneß über mehr als ein Jahrzehnt ein Konto bei der Zürcher Vontobel-Bank mit vielen Millionen. Einen Teil des Geldes hatte ihm der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus gegeben. Fürs Spekulieren. Hoeneß zahlte für das Zockergeld keine Steuern. Er setzte auf ein Steuerabkommen der Bundesregierung mit der Schweiz, doch das kam nicht zustande.

Er wollte, das hat er oft erzählt, mit einer Selbstanzeige reinen Tisch machen. Die Sache verzögerte sich. Eine Recherche des Stern kam dazwischen. Über Nacht gab er die Selbstanzeige ab. Die ist eine Art Geständnis, und wenn sie nicht hält, ist sie brandgefährlich. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein. Sie hatte früh den Verdacht, Hoeneß habe die Selbstanzeige abgegeben, nachdem die Tat bereits entdeckt war. Nach Paragraf 371 Absatz 2 der Abgabenordnung ist eine Selbstanzeige nicht wirksam, wenn eine der Steuerstraftaten ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter das wusste oder damit rechnen musste. Außerdem weist die Selbstanzeige von Hoeneß aus Sicht der Staatsanwaltschaft derbe handwerkliche Fehler auf.

Gegen Hoeneß wurde im Mai Haftbefehl erlassen, der gegen eine Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro außer Kraft gesetzt worden ist. Aber es gibt ihn noch - wie eine Erinnerung an die drohende Gefahr.

BGH-Entscheidungen fest im Blick

Die Staatsanwaltschaft München II, deren Einzugsbereich bei Wirtschaftsstrafsachen nicht München einschließt, sondern über Rosenheim weit bis ins Berchtesgadener Land und nach Garmisch reicht, scheint manchmal im Schatten der berühmten Staatsanwaltschaft München I zu stehen. Die machte die ganz großen Verfahren: Siemens, Banken, Ecclestone. Auf dem Land gibt es solche hochkomplexen Fälle so nicht. München II gilt aber als tüchtig und legt ausgesprochenen Wert darauf, nicht als Papa-Gnädig-Truppe zu erscheinen. Und sie hat die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) im Blick.

Das ist für Hoeneß das Problem: Seit einer Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH im Jahr 2008 gilt die Faustformel, von einem Schaden für den Fiskus von mehr als einer Million Euro an sei in aller Regel nur noch eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung möglich. Da mag mancher auf frühere Sportgrößen wie den Pferdezüchter Paul Schockemöhle oder auf Boris Becker verweisen, die trotz Millionensummen vor Gericht milde gestäupt davonkamen - aber ihre Fälle lagen vor 2008.

Andererseits: Die harte Linie von oben hat die Realität da unten nicht erreicht. Viele Verfahren in erheblicher Millionenhöhe werden von den Landgerichten weiterhin in der Regel durch Strafbefehle oder durch Bewährungsstrafen erledigt. Sie erreichen den harten 1. Strafsenat nicht, weil keiner der Beteiligten Revision einlegt.

In vielen der Fällen wird vor Gericht gedealt. Aus Gründen der "Prozessökonomie" wie Juristen sagen. Endlos lange Verhandlungen mit unübersichtlicher Rechtslage sollen so vermieden werden.

Aber ist der Fall Hoeneß so kompliziert, wie die ganz großen Steuerfälle? Das zuständige Landgericht München II hat vorerst nur vier Verhandlungstage angesetzt. Da wäre nicht viel mit "Prozessökonomie". Auch ist nicht bekannt, ob die 5. Wirtschaftsstrafkammer eher die harte oder die weiche Linie bevorzugt.

Im Moment gibt es nur Spekulationen und Theorien. Wenn Hoeneß verurteilt werden sollte und das Gericht eine Bewährungsstrafe für angemessen halten würde, könnte es sein, dass die Strafverfolger zum 1. Strafsenat ziehen, der selten Verfahren mit Schweizer oder Liechtensteiner Bezügen auf den Tisch bekommt.

Einen Prominenten-Bonus hat Hoeneß nicht. Den wolle er auch nicht, hat er der Amtsrichterin gesagt, als über die Aussetzung des Haftbefehls befunden wurde. Er möchte aber auch keinen Prominenten-Malus, hat er hinzugefügt.

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