Proteste gegen Formel 1 in Bahrain:"Rennen auf unserem Blut"

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Am 22. April soll in Bahrain das vierte Formel-1-Rennen der Saison stattfinden. Doch nachdem die Veranstaltung im vergangenen Jahr wegen der politisch unruhigen Lage mit vielen Toten abgesagt wurde, gibt es diesmal direkte Drohungen gegen die Formel 1. Und die Stimmen mehren sich, auch diesmal nicht in dem arabischen Staat zu starten.

René Hofmann

Es ist bizarr. Am 22. April soll in Bahrain der vierte Grand Prix der Formel-1-Saison 2012 stattfinden. Die Veranstalter des Rennens haben für die Veranstaltung einen programmatischen Titel gewählt: "UNIF1ED. One nation in celebration" - eine Nation, vereint in einer Feier der Geschwindigkeit. Am Osterwochenende riefen sie dazu passend zu einer Aktion auf: Gesucht wurde das schönste Fan-Foto, das in dem Inselkönigreich im Persischen Golf jüngst mit einem Formel-1-Motiv entstand. Zu gewinnen gab es Tickets für das Rennen.

Zeichen an der Wand: Ein Graffiti im Dorf Barbar, das im Westen der Hauptstadt Manama liegt, fordert die Formel 1 auf, einen Bogen um Bahrain zu schlagen. (Foto: AFP)

Zur gleichen Zeit fanden unweit der Hauptstadt Manama aber noch ganz andere Aktionen statt, die sich auf den anstehenden Formel-1-Besuch bezogen. Auf Demonstrationen wurde nicht nur die Freilassung des Oppositionellen Abdelhadi al-Chawadscha gefordert, der sich seit mehr als 55 Tagen in einem Hungerstreik befindet, die Formel-1-Verantwortlichen wurden auch eindringlich aufgefordert, einen Bogen um das Land zu machen. So posierten bei einer Protestveranstaltung im Dorf Aali ein halbes Dutzend als Formel-1-Fahrer verkleidete Demonstranten mit Spielzeug-Maschinengewehren; davor liefen Kinder, die T-Shirts trugen mit der Aufschrift: "F1 is racing on our blood" - die Formel 1 fährt auf unserem Blut.

45 Tote seit Februar

Der erste Große Preis von Bahrain fand im Jahr 2004 statt. Für das Rennen wurde in der Nähe von Manama extra eine Rennstrecke gebaut. Das Projekt ist eng mit der sunnitischen Herrscherfamilie verbunden, gegen die es seit dem vergangenen Jahr zahlreiche Proteste gibt. Die Mehrheit der etwa 530.000 Bahrainer, die in dem Staat wohnen, der sich über mehr als 30 Inseln erstreckt, sind Schiiten. 2011 hätte der Große Preis von Bahrain der Auftakt der Formel-1-Saison sein sollen. Nachdem es bei der Auflösung von Demonstrationen Tote gegeben hatte, verzichteten die Veranstalter aber auf ihr Recht; das Startgeld - schätzungsweise einen zweistelligen Millionenbetrag - überwiesen sie trotzdem.

Die Formel-1-WM wird vom Automobilweltverband FIA ausgerichtet. Bei der Entscheidung, wo Rennen stattfinden, folgt dieser meist der Empfehlung von Bernie Ecclestone, der die Vermarktungsrechte an der Rennserie kontrolliert. Der 81-Jährige hatte im März über die Rückkehr der Formel 1 nach Bahrain gesagt, dort laufe wieder alles normal. Er glaube nicht, dass die Formel 1 Ziel von Protesten werde. Und: "Das Gute an Bahrain ist, dass es dort demokratischer zuzugehen scheint als an den meisten anderen Orten. Die Menschen können reden, wenn sie wollen. Und sie können protestieren, wenn sie wollen."

Acht der zwölf Formel-1-Teams haben ihren Firmensitz in England. Die Frage, ob die Rennserie in Bahrain starten soll, bewegt auch britische Politiker. Anfang Februar forderte eine überparteiliche Gruppe aus dem Oberhaus in einem Brief den Automobilweltverband auf, das Rennen abzusagen. Eine Woche später antwortete eine überparteiliche Gruppe aus dem Unterhaus mit dem genau gegenteiligen Anliegen.

Die jüngste Wortmeldung aus diesen Reihen kommt nun vom Labour-Abgeordneten Richard Burden. In einer Kolumne für die Huffington Post schreibt er: "Seit vergangenem Februar sind 45 Menschen auf Bahrains Straßen gestorben. Das letzte Opfer gab es vergangene Woche durch eine öffentliche Erschießung." Die Formel 1 solle deshalb umdenken: "Der langfristige Schaden für ihre Reputation könnte erheblich sein."

Direkte Rückflüge aus China

Damon Hill, Formel-1-Weltmeister des Jahres 1996, der nach einem Besuch in Bahrain vor sechs Wochen noch geäußert hatte, eine Absage des Rennens sei ein negatives Signal für die Reformbewegung in dem Land, ist inzwischen anderer Meinung. "Die Lage hat sich geändert. Die Proteste haben nicht abgenommen und wurden sogar noch gezielter und kalkulierter. Es ist besorgniserregend", sagte Hill dem Guardian. Im Radioprogramm der BBC sprach er davon, augenblicklich sei kein guter Zeitpunkt, um nach Bahrain zu gehen.

Im Internet kursieren Videos, die brennende Spielzeug-Rennwagen zeigen und die als direkte Drohungen an die Formel-1-Teams gedeutet werden können. Die Zeitung Times berichtet, sicherheitshalber hätten die Rennställe hunderte Mitarbeiter schon mit einem direkten Rückflug-Ticket vom Grand Prix in China ausgestattet. Dieser findet am kommenden Wochenende in Shanghai statt. Sieben Tage vor dem geplanten Auftritt in Bahrain.

© SZ vom 10.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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