Proteste bei Leichtathletik-WM:Zu viel Regenbogen auf den Nägeln

Green Tregaro of Sweden competes during women's high jump final at World Athletics Championships in Moscow

Protest gegen Russlands Gesetz: Die schwedische Hochspringerin Emma Green Tregaro. 

(Foto: REUTERS)

Die schwedische Hochspringerin Emma Green Tregaro hat sich deutlich positioniert: Mit bunt gefärbten Fingernägeln protestiert sie gegen Russlands Homosexuellen-Diskriminierung. Vom Weltverband bekommt sie dafür eine Verwarnung - und muss auf weitere Meinungsäußerungen verzichten.

Von Jonas Beckenkamp und Franziska Schwarz

Die Hochspringerin Emma Green Tregaro stammt aus Schweden, einem Land, das als eines der liberalsten der Welt gilt. Im Norden Europas geht man offen mit Themen wie Frauenrechten oder Homosexualität um - vielleicht ist auch das ein Grund, warum Emma Green Tregaro jetzt deutlich ihre Meinung kundgetan hat. Sie findet, dass das russische Gesetz, das die "Verbreitung von Information über Homosexualität an Minderjährige" unter Strafe stellt, Blödsinn ist.

Als Zeichen ihrer Haltung hatte sich die 28-Jährige für ihren Wettkampf bei der Leichtathletik-WM in Moskau die Fingernägel in Regenbogenfarben lackiert. Eine Sportlerin bringt ihre Meinung zum Ausdruck - das ist im autoritären Russland nicht gern gesehen.

Das WM-Gastgeberland ist in Fragen sexueller Freiheiten so etwas wie der Gegenpol zu Schweden: Homosexualität halten viele Menschen im östlichen Riesenreich für eine kaum tolerierbare Sache, allen voran Präsident Wladimir Putin gilt als strenger Verfechter traditioneller Familienwerte. Green Tregaros Statement wurde von den Russen dementsprechend als Affront wahrgenommen - da kommt eine blonde Hochspringerin und respektiert geltende Gesetze nicht, so der Tenor.

Der Druck auf den internationalen Leichtathletik-Weltverband IAAF muss also groß gewesen sein, dass der sich nun bemüßigt fühlte, der Schwedin eine bemerkenswerte Verwarnung auszusprechen: Die Offiziellen tadelten die Sportlerin wegen einer Verletzung der Richtlinien, sie solle bitte schleunigst ihre Nägel in konformen Farben bepinseln.

Athleten sei es untersagt, während eines Wettkampfes werbliche oder politische Aussagen zu machen, sagte Anders Albertsson, Generalsekretär des schwedischen Teams, der Nachrichtenagentur Reuters. So kam es, dass Green Tregaro im Finale mit roten Nägeln auf Platz fünf sprang. Die Rüge hatte ihre Wirkung - doch der Protest bleibt.

Noch am Donnerstag hatte der IAAF mitgeteilt, dass man alle Meinungen respektieren müsse. "Die IAAF-Statuten unterstreichen unser Bekenntnis zu den Prinzipien der Nichtdiskriminierung in Fragen von Religion, Politik oder bei sexuellen Orientierungen", hieß es in einer Erklärung. Hinzu käme der Glaube an die freie Meinungsäußerung. Jetzt konterkariert der Verband seine eigene vermeintlich weltoffene Haltung - und beugt sich den russischen Gesetzmäßigkeiten.

In dem konservatien Land sind unterschiedliche Meinungen nicht immer willkommen. Offensiv präsentierte Gegen-Haltungen sollen sich Sportler lieber gleich ganz sparen. Russlands neues Gesetz gegen "Homosexuellen-Propaganda" ist seit Beginn dieser Leichtathletik-WM ein großes Thema.

Rogge und die Charta

Schwulen -und Lesbenverbände warnen seit Wochen vor den rechtlichen Eingriffen in das Privatleben Homosexueller, zudem zeigten auch Athleten ihre Ablehnung des neuen Gesetzes. Ein Land, das in wenigen Monaten die Olympischen Winterspiele in Sotschi ausrichtet, darf niemanden diskriminieren, so die Sicht großer Teile der Weltöffentlichkeit.

Als erster Sportler hatte sich in Moskau der Mittelstreckenläufer Nick Symmonds klar positioniert: Der Amerikaner widmete seine Silbermedaille über 800 Meter seinen schwulen und lesbischen Freunden. "Egal, ob du schwul, hetero, schwarz oder weiß bist: Wir alle verdienen dieselben Rechte", sagte der 29-Jährige. Die schwedische Sprinterin Moa Hjelmer war - wie Green Tregora - mit regenbogenfarbenen Fingernägeln in den Qualifikationen an den Start gegangen.

Auch zwei russische Athletinnen haben für Aufsehen gesorgt: Xenija Ryschowa und Tatjana Firowa, zwei Sprinterinnen der siegreichen russischen 4x400m-Staffel, tauschten auf dem Siegerpodium einen Kuss aus. Die Geste wurde als stiller Protest gegen das Anti-Homosexuellen-Gesetz interpretiert.

Andere sind vehemente Fürsprecher des neuen Gesetzes gegen Homosexuelle, Russlands Stabhochsprung-Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa etwa. Green Tregaros Maniküre bezeichnete sie als "respektlos" und betonte: "Wir hatten diese Probleme in der Geschichte nicht und wir wollen sie in der Zukunft nicht haben. Bei uns leben Männer mit Frauen, Frauen mit Männern."

Zwar schwächte sie ihre umstrittenen Äußerungen anschließend ab und sprach sich "mit größtem Nachdruck" gegen Diskriminierung von Homosexuellen aus - das wirkte für manche jedoch wenig aufrichtig. Dass der Sport eine unpolitische Angelegenheit ist, glauben in diesen Tagen immer weniger Menschen.

Die öffentliche Unmut der Sportler zwingt jetzt die Verbände zur Reaktion - die Winterspiele im Februar stehen unter besonderer Beobachtung. IOC-Präsident Jacques Rogge hat das Protestverbot für Athleten bei dem Event in Sotschi deswegen noch einmal bekräftigt - bei Olympia wünscht man keine politischen Kundgebungen.

"Das sollte nicht als Sanktion gesehen werden, sondern eher als Mittel, um Athleten zu schützen, damit sie nicht unter Druck gesetzt werden, die Spiele als Plattform zu nutzen", sagte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees in einem Interview des Tagesspiegel am Sonntag. Der Belgier berief sich dabei auf die entsprechende Regel 50 der olympischen Charta.

Das IOC habe "Zusagen von höchsten Regierungsstellen in Russland, dass diese Gesetzgebung niemand beeinträchtigen wird, der die Spiele besucht oder daran teilnimmt", versicherte Rogge. Dieses Versprechen ist vielen Russland-Kritikern aber nicht genug - ein solches Gesetz dürfe es eigentlich gar nicht geben. Aktivisten fordern sogar, die Spiele wegen der Situation um Menschenrechte in Russland zu boykottieren. Emma Green Tregaro hat sich klar positioniert - am Ende musste sie sich aber den Regularien beugen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: