Protest gegen das Relegationsspiel:Herthas Chancen sind äußerst gering

Hertha BSC hat Protest gegen die Wertung des Relegationsspiels in Düsseldorf eingelegt und versucht so, den Abstieg doch noch zu verhindern. Große Chancen haben die Berliner nicht, der Gang in die zweite Liga ist praktisch besiegelt. Dramatischer dürften die nachfolgenden Sportprozesse ablaufen.

Thomas Kistner

Am Freitag beginnt die sportjuristische Nachspielzeit für all das, was beim Relegationsspiel Düsseldorf gegen Hertha aus dem Ruder lief: Tausende Fans hatten den Rasen gestürmt, obwohl noch 90 Sekunden Spielzeit angezeigt waren. Schiedsrichter Wolfgang Stark musste die Partie für gut 20 Minuten unterbrechen, bis das Feld befreit war von feiernden Menschen, aber auch von Feuerwerkskörpern und Fans, die sich rasch ein privates Erinnerungsstück aus dem Rasen hackten.

Pressekonferenz Hertha BSC

Kaum Chancen auf den Klassenerhalt: Herthas Sportdirektor Michael Preetz (rechts) und Noch-Trainer Otto Rehhagel.

(Foto: dapd)

Hertha legt Einspruch gegen die Wertung des Spiels ein. Nun erwartet die Profibranche gespannt den Prozess, den das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes an diesem Freitag in Frankfurt führt. Doch soviel vorweg: Ein Wiederholungsspiel wird es nicht geben, der Abstieg des Hauptstadtklubs in die zweite Liga ist praktisch besiegelt.

Das ist die einhellige Einschätzung von Sportrechtsexperten, die nahe am DFB sind und viel Erfahrung mit dessen Sport-Rechtsprechung besitzen. Wenn also am Freitag ab 13.30 Uhr der Sportgerichtsvorsitzende Hans Lorenz mit zwei Beisitzern - einer von der Liste der Deutschen Fußball Liga, einer vom DFB - die Causa Düsseldorf/Hertha aufrollt, kehrt auch der Mann ins Zentrum des Geschehens zurück, der dort in Düsseldorf gestanden hatte: Wolfgang Stark. Ihm, dem Schiedsrichter, obliegt es laut Regelwerk, über Abbruch oder Fortsetzung einer Partie zu entscheiden, und dabei hat er Ermessensspielräume.

Die Berliner müssen Stark nun einen "Fehlgebrauch" dieses Ermessenspielraums nachweisen - das dürfte schwierig werden. Zumal keine randalierenden Hooligans draußen auf dem Rasen unterwegs waren, sondern glückstrunkene Fans, Kinder darunter, die Lemmingen gleich auf ein falsches Signal hin losgestürzt waren. Eine "Gefährdung an Leib und Leben", wie es die Fußballjuristen ausdrücken, oder gar "höhere Gewalt" gegen die Spieler habe offenkundig nicht vorgelegen, heißt es.

Zudem ergab sich die einzig echt gefahrenträchtige Bedrohung aus den Berliner Fan-Blöcken; von dort waren zuvor Feuerwerkskörper auf den Rasen geschossen worden. Vorstufe einer Eskalation. Auch deshalb ermittelt der DFB-Kontrollaussschuss nun zu Hertha BSC - und zur Fortuna, deren Ordnungsdienst außerstande war, die kurz vor Spielende über die Zäune kletternden Fans zurückzuschicken. Diese Verfahren stehen in den nächsten Wochen an, dazu weitere, schwer wiegende: Gegen Spieler von Hertha und gegen Düsseldorfs Mannschaftskapitän.

Schläge ins Genick

Den Auftakt macht wegen der Eilbedürftigkeit der Prozess zur Spielwertung. Referee Stark wird vortragen, dass er das Spiel unter-, aber nicht abgebrochen habe. Als er es fortsetzen wollte, nachdem ihm die Zuständigen versichert hatten, dass die Sicherheit im Stadion wiederhergestellt worden sei, weigerten sich laut Zeugenaussagen die Berliner, auf den Rasen zurückzukehren.

Dass sie es am Ende doch taten, verdankt sich nach SZ-Informationen auch der Intervention eines Offiziellen, der sie auf eine veränderte Sachlage hinwies: Pfeift Stark das Spiel wieder an, ist dies eine Tatsachenentscheidung. Müsste er es nun abbrechen, dann nicht mehr wegen der - mittlerweile geregelten - Situation auf dem Rasen, sondern wegen der Berliner Verweigerung. Und das hätte automatisch vorgegeben, wie die Partie am grünen Tisch entschieden worden wäre.

Wirklich dramatisch dürften erst die nachfolgenden Sportprozesse ablaufen. DFB-Offizielle lassen schon anklingen, dass es nun klare Urteile als Reaktion auf die jüngst erblühte Gefährdungslage in Stadien von Düsseldorf bis Karlsruhe, von Dresden bis Köln brauche. Tatsächlich standen die Vorgänge in Düsseldorf für alle Fehlentwicklungen der vergangenen Woche. Andreas Lambertz, der Fortuna-Spielführer, feierte nach Abpfiff mit einem bengalischen Feuer in der Hand - "wie wollen wir gegen Pyrotechnik in den Stadien vorgehen, wenn dann ein Mannschaftskapitän damit selbst im Innenraum steht?", fragt ein Offizieller. Hier zeichnet sich ein Präzedenzfall ab.

Neben Zündlern bedrohen Schläger den Frieden im Stadion - und auch hier ging in Düsseldorf der Fußball selbst mit üblem Beispiel voran. Referee Stark, so wurde der SZ von einem Verbandsvertreter bestätigt, soll von Hertha-Außenverteidiger Levan Kobiaschwili nach dem Abpfiff heftig ins Genick geschlagen worden sein, weshalb ihn der Düsseldorfer Mannschaftsarzt in Obhut nehmen musste. Die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB ist hier nicht zimperlich, für Tätlichkeiten gegen Schiedsrichter ist eine "Sperre von sechs Monaten bis zwei Jahren, in leichteren Fällen Sperre von mindestens acht Wochen" vorgesehen.

Auch sonst dürfte Starks Spielbericht manches enthalten, das empfindliche Strafen nach sich zieht: Von unflätigen Beleidigungen durch Berliner Spieler bis zur Rudelbildung im Bereich der Schiedsrichterkabinen, heißt es aus informierten Kreisen. Sollte die Hertha also überraschend doch ein Wiederholungsspiel erzwingen - sie müsste es wohl mit neuer Abwehr bestreiten.

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