Promis bei der WM:Geballter Sachverstand

Lesezeit: 2 min

Franz sei Dank: Die WM ist auch eine Leistungsschau der deutschen Promis.

Christian Mayer

Es ist ein verdammt harter Job, Franz Beckenbauer zu sein. Aus jedem Stadion, von jedem Empfang liefern die Agenturen unzählige Beckenbauerbilder, und so ist es zwangsläufig, dass sich der amtierende Nationalheilige auch nach dem Eröffnungsspiel die Ehre gibt.

Beim Promi-Fest im Hotel Bayerischer Hof in München steht der OK-Chef, noch immer nicht k.o., einmal mehr im Mittelpunkt. Und auch hier, auf der schönen Dachterrasse mit Blick auf die Frauenkirche, ist Beckenbauer ganz bei sich: Küsst Spielerfrau Verena Kerth (Oliver Kahn hat gerade ein wichtiges Spiel verpasst), posiert mit der bronze-gebräunten "Mietwagen-Königin" Regine Sixt, gibt das 257. Kurzinterview zum 4:2 und stellt sich mit seiner Demnächst-Gattin Heidi den Fotografen. So was macht "der Franz" in fünf Minuten, bevor er zum Weißwein greift.

Diese WM wird wohl auch eine Leistungsschau des Kolumnenpersonals, das sich während der Spiele in den Sky-Boxen der Sponsoren vergnügt und dann mit Limousinen zu den After-Game-Partys kutschiert wird. Im Bayerischen Hof finden 550 Ehrengäste bei Champagner, Häppchen und Zigarren zueinander. Schauspieler Uwe Ochsenknecht doziert über das Abwehrverhalten der deutschen Hintermannschaft ("Wenn sie so gegen Brasilien spielen, kriegen sie acht Dinger rein").

Eine Analyse, die Heiner Lauterbach ("weg mit diesen Innenverteidigern") und Udo Jürgens ("Hinten ist alles offen") ähnlich fachkundig formulieren . Ein strahlender Mario Adorf lobt den "sympathischen Auftritt der Deutschen - ich war angenehm vom Spiel, von den Fans und der Feier überrascht".

Dass die Nationalpromis in den kommenden Wochen die Rolle von Fußballexperten übernehmen, steht zu befürchten; so viel Sachverstand herrscht nicht mal in Waldi Hartmanns Weißbier-Runde in der ARD. Wobei nur wenige so weit gehen wie das Schauspielerpaar Anna Loos und Jan Josef Liefers: Sie haben sich, wie viele Fans im Stadion, mit dem schwarz-rot-eidottergelben Irokesen-Haarteil geschmückt, bei dem man nicht weiß, ob es der raffinierten Antifrisur eines Bastian Schweinsteiger nachempfunden ist oder die neue Ungezähmtheit der Deutschen symbolisieren soll.

Fußball- und Frauenversteher Til Schweiger widmet sich seiner Kollegin Alexandra Neldel ("Verliebt in Berlin"), Bettina Zimmermann präsentiert internationale Flaggen auf ihrem Trikot, während der von Manndeckern umringte Boris Becker einiges Stehvermögen an der Bar zeigt und sich nicht mal vom Kurzeinsatz des monegassischen Fürsten Albert beirren lässt.

Selbstverständlich darf die Vierer-Kette Veronica Ferres, Franziska van Almsick und die Klitschko-Brüder in diesem Kreis nicht fehlen. Altkicker Gerhard Schröder hat zu früherer Stunde im "Seehaus" am Englischen Garten mit Uli Hoeneß und Otto Schily gefachsimpelt.

Überall in München geht die Party bis in die frühen Morgenstunden. Vor allem im Vorzeigeclub P1: Für 200 Euro konnte man sich ein Ticket für die WM-Party, Freigetränke und einen Hauch von Wichtigkeit sichern. Immerhin: Lokalgröße Giulia Siegel erscheint als sexy Schiedsrichterin. Vor der Absperrung hoffen Hunderte Jungschickis auf Einlass, während sich die Gäste drinnen in Hochstimmung tanzen.

Da haben es die ausländischen Gäste im Hofbräuhaus leichter, hier gibt es keine Vip-Bänder, hier fließt das Bier sehr demokratisch. Costa Ricas Präsident Oscar Arias Sanchez stört das nicht, er hat ohnehin keine Lust mehr auf Fußballdiplomatie und stößt lieber im Wirtshaus mit seinen Landsleuten an. Natürlich ohne die auf der Ehrentribüne stets hoch motivierte Angela Merkel, die hat schon den Abflug gemacht.

© SZ vom 12.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: