Fußball-EM:Boateng liefert ein neues Bild für die Ewigkeit

EURO 2016 - Quarter final Germany vs Italy

"Sieht natürlich blöd aus" sagte Jérôme Boateng zu seinem Handspiel gegen Italien

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Wollte er Weintrauben pflücken oder seinen Namen tanzen? Das skurrile Handspiel von Jérôme Boateng passt zu seinem Ruf eines tapsigen Schwergewichtlers. Doch es kaschiert eine brillante Stärke.

Von Javier Cáceres

Jérôme Boateng, 27, hat ein grandioses Talent, die Ikonografie des Fußballs um unvergessliche Bilder zu bereichern. Im Jahr 2015 ging der Innenverteidiger der deutschen Nationalelf und des FC Bayern München im Champions-League-Duell mit Barcelonas Stürmer Lionel Messi im Strafraum so ungelenk zu Boden, dass er sich vor Spott im Netz nicht retten konnte. Am Samstag gelang ihm im Viertelfinale der Europameisterschaft gegen Italien ein neues Bild für die Ewigkeit.

Bei einer Flanke in den deutschen Strafraum stieg Boateng mit hochgestreckten Armen zum Kopfballduell. Da hing er nun, wie ein Engel mit ausgebreiteten Flügeln, so wie eine Frage überm Stadion von Bordeaux: Was sollte das? Wollte er seinen Namen tanzen, wie es Eurythmisten tun? Wollte er Weintrauben pflücken? Eine Windmühle darstellen? Iwo, erklärte Boateng später: Er habe dem Schiedsrichter nur deutlich machen wollen, dass er seinen Gegenspieler nicht mit den Armen bedränge. Er bekam sie nur nicht schnell genug wieder herunter: "Sieht natürlich blöd aus. Ist auch blöd." Und wie: Der Flankenball flog an Boatengs Arm, der Referee entschied auf Strafstoß, Italien nutzte den Elfmeter zum 1:1, das zu Verlängerung und Elfmeterschießen führte. Aber Deutschland gewann mit 6:5.

Wie Boateng im Elfmeter-Thriller die Nerven behielt, war nach dem Fauxpas erstaunlich. "Der Weg zum Elfmeterpunkt war lang", gestand Boateng. Lang, das heißt, dass der Weg mit marternden Gedanken gesäumt war, an den fatalen Sprung, an den längst legendären italienischen Tormann Gianluigi Buffon, an die Wade, die zwickte. Doch der Berliner, Halbbruder des ghanaischen Nationalspielers Kevin-Prince Boateng, hielt stand.

Das passt zu dem Boateng, der längst als einer der besten Verteidiger der Welt gilt und von Jay-Z, dem US-Rapper, gemanagt wird. Der zweifache Vater hat eine WM, eine Champions League, vier deutsche Meisterschaften und drei DFB-Pokale gewonnen. Das ist enorm für einen, dem der Ruf anhing, zu tapsig zu sein.

Vor sechs Jahren verletzte ihn eine Stewardess

Er hatte schon einmal ein Elfmeterschießen heraufbeschworen: Im Champions-League-Finale "dahoam", 2012 in München, verlor er ein Kopfball-Duell mit Chelseas Stürmer Didier Drogba, es führte zum 1:1-Ausgleich und zu einer Verlängerung ohne weitere Treffer. Bei seinem Länderspieldebüt 2009 flog er vom Platz, das hatte vorher auch keiner geschafft. 2010 rammte ihm auf einem Flug die Stewardess das Getränkewägelchen ans Knie. Die Folge: Patellasehnenriss. Doch diese Geschichten sind verzerrend, was auch daran liegt, dass er sich oft mit der Grazie eines Schwergewichtlers bewegt. Das kaschiert brillant seine Schnelligkeit.

Schon 700 Sneaker hat er gesammelt; er sollte nun sein Sortiment um Ballettschühchen erweitern. Denn der Sprung von Bordeaux war eine perfekte Bewerbung fürs Tanztheater Wuppertal - als Primaballerina assoluta.

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