Profi-Sportler auf Twitter:Die neue Interview-Zone liegt im Netz

Viele Sportler schreiben Kurznachrichten beim Internet-Dienst Twitter. Die Athleten nutzen das als PR in eigener Sache, die Öffentlichkeit erhält Informationen aus erster Hand. Dabei lernt Bayern-Profi Breno, dass solche Äußerungen auch Vorgesetzte erfahren, Tennis-Spielerin Andrea Petkovic berichtet von intimen Details im Hotelzimmer nebenan - und manchmal ist unklar, ob die Nachrichten auch authentisch sind.

Christian Höb

Die Sportjournalisten wussten es schon, bevor der FC Bayern es wusste: "Bayern macht eine Sauerei mit mir." Das teilte Fußball-Profi Breno vom FC Bayern München der ganzen Welt mit. Unter dem Spitznamen @Breshow02 beschwerte sich der 22-Jährige auf der Internetplattform Twitter über seinen Verein, merkte aber schnell, dass es seine Karriere nicht gerade fördert. Breno entschuldigte sich, der FC Bayern bestrafte ihn nicht.

Leute-News: Andrea Petkovic

Andrea Petkovic, im Netz zu finden unter: https://twitter.com/#!/andreapetkovic. 

(Foto: dapd)

Breno ist einer von vielen Sportlern, die einen Twitter-Account haben. Maximal 140 Zeichen lang sind die so genannten "Tweets". Für Sportjournalisten ist die Internetplattform mittlerweile eine bequeme Recherchequelle geworden. Man bekommt Informationen und Zitate aus erster Hand und muss dabei nicht mal vom Schreibtisch aufstehen. Sind vielleicht die Zeiten bald vorbei, in denen sich die Reporter in der Mixed-Zone um Interviews prügeln? Liegt die neue Interview-Zone im Netz?

Die Vorgabe von 140 Zeichen sorgt automatisch für kurze knackige Zitate, die nicht mehr autorisiert werden müssen. Twitter spart Zeit - und Kosten. "Es ist aber auch ein Machtverlust für den Journalisten", sagt Christoph Neuberger, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München die Einflüsse von Sozialen Medien auf den Journalismus untersucht. "Weil er keine direkten Fragen mehr stellen kann. Und sein Informationsvorsprung ist weg."

Denn jeder Nutzer, der angemeldet ist, kann den Sportlern folgen. Durch einen Klick wird man zum "Follower", zum Anhänger etwa von Tennisspielerin Andrea Petkovic. "Ich komme nur langsam darüber hinweg, dass ich nicht bei den Australian Open dabei sein kann", teilte sie ihren 43.180 Followern kürzlich mit.

Der Basketballspieler Charlie Villanueava von den Milwaukee Bucks twitterte einmal gar während der Halbzeitpause aus der Umkleidekabine - also an einem Ort und zu einem Zeitpunkt, an dem die Öffentlichkeit dort nichts zu suchen hat.

Auch während des Streiks in der amerikanischen Basketball-Profiliga NBA, als ein Spieler Geschäftsführer David Stern beleidigte. "Manchmal muss man für das kämpfen, an das man glaubt... fucking Stern", zwitscherte Terence Williams von den Houston Rockets.

Mit Herz statt Verstand

So spürten die Leser neben der Verärgerung auch die Erleichterung unter den NBA-Spielern, als der Streik vorbei und der neue Tarifvertrag unterzeichnet war. "Die NBA ist zurück? Großartige Nachricht. Ich freue mich für alle unsere Fans", schrieb der deutsche Basketballer Dirk Nowitzki, dem 408.226 Menschen folgen.

Und Kevin Durant von den Oklahoma City Thunder meldete, er sei so glücklich, dass er sich überlege, sich ein Tattoo stechen zu lassen. Die Aufschrift: "Ich habe den NBA-Lockout 2011 überlebt." Jason Richardson, Orlando Magic, warnte seine Mitspieler: "Ich bin froh, dass der Streik vorbei ist, aber ich hoffe, jeder Spieler hat das Kleingedruckte gelesen und die richtige Entscheidung mit Verstand getroffen, und nicht mit dem Herzen."

Mit Herz statt Verstand - nach diesem Motto twittert so mancher Sportler. Dieser Verdacht kommt zumindest auf, wenn man etwa die Meldungen von Tennisprofi Serena Williams liest, die sie von den Australian Open schickt: "Ich kam aus dem Hotelpool und dachte, ich könnte mich im Bikini schnell in mein Zimmer mogeln. Im Fahrstuhl warteten dann fünf Männer." Und vor ein paar Wochen schrieb Petkovic über ein Erlebnis in einem Hotel in Istanbul: "Das Peinlichste auf der ganzen Welt: Ein Paar macht nebenan Liebe. Und du teilst dir das Zimmer mit deiner Mutter."

Sportlich sind solche Informationen eher zweitrangig, doch mit dem Twitter-Account pflegen die Akteure ihr Image und betreiben Eigen-PR. "Die Sportler haben ihren eigenen Nachrichtenkanal", sagt Neuberger, "sie bestimmen, was für Informationen rausgehen. Also warum sollten sie überhaupt noch mit Journalisten reden?"

Zwar gibt es noch keinen Sportler, der nicht mehr mit der Presse redet und auf seinen Twitter-Account verweist. Aber selbst wenn die Infos ungefiltert aus erster Hand kommen: Man kann sich nicht sicher sein, ob hinter dem Account überhaupt der Sportler steckt und nicht dessen Manager - oder gar nur ein Fan.

Wie bei NBA-Profi Dwyane Wade von den Miami Heat. Der 30-Jährige wollte seine Follower vor falschen Tweets warnen - aber der Hacker hatte sich in Wades Account eingeloggt und die Warnung einfach gelöscht. Wahrscheinlich wünscht sich Breno gerade, dass ihm so etwas auch passiert wäre.

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