Probleme mit Fußball-Fans:"Die haben sich wie gewaltbereite Straftäter aufgeführt"

Teilweise schwere Auseinandersetzungen in München, Stuttgart und Krefeld, bengalische Feuer in Mainz: Gewaltbereite Fans geraten wieder mit der Polizei aneinander. Die Debatte, wie der Fußball damit umgehen soll, nimmt an Schärfe zu.

Die Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans und der Polizei sind an diesem Wochenende weitergegangen. Rund um mehrere Bundesliga-Spiele kam es zu Rangeleien zwischen Fans untereinander sowie der Polizei. Einige Stadionbesucher fackelten auch wieder verbotene bengalische Feuer ab. Im Zuge der Vorfälle nimmt die Debatte an Schärfe zu, Politiker und Vertreter von Klubs fordern ein hartes Vorgehen gegen die so genannten Problemfans.

1. FSV Mainz 05 - SV Werder Bremen

Feuer in Mainz: Einige Bremer Fans müssen fürchten, nun für ihre bengalischen Feuer Strafe zahlen zu müssen.

(Foto: dpa)

Am Samstag gab es gewalttätige Vorfälle am Rande des bayerisch-fränkischen Derbys zwischen dem FC Bayern München und dem 1. FC Nürnberg sowie in Stuttgart bei der Partie VfB gegen Borussia Dortmund. Später hat nach Angaben der Polizei eine Gruppe mutmaßlicher BVB-Fans die Insassen eines Busses mit Anhängern von Werder Bremen auf einer Tankstelle mit Knüppeln angegriffen. Die schlimmsten Aktionen gab es allerdings rund um die Oberliga-Partie zwischen dem KFC Uerdingen 05 und den Sportfreunden Siegen (0:1) am Freitag.

Bereits während der Partie kam es zu Auseinandersetzungen im Block der Siegener Fans, woraufhin die Polizei drei Tatverdächtige festnahm. Nach einem Bericht der Westdeutschen Zeitung wurden die Siegener nach dem Spiel geschlossen von Beamten zu vier Reisebussen geführt, die Anhänger weigerten sich allerdings, ohne ihre drei Festgenommenen abzufahren. Daraufhin näherten sich 100 Uerdinger Anhänger und es kam zu massiven Gewaltaktionen.

Uerdinger Anhänger warfen Steine, Pflastersteine, Gully-Deckel und Knallkörper auf Polizei und Siegener Fans, auch parkende Fahrzeuge von Anwohnern wurden stark beschädigt. Beamte wurden durch Steine und Reizgas verletzt. Eine kleine Uerdinger Gruppe stoppte später Fahrzeuge aus dem fließenden Verkehr und bewarf diese mit Böllern und Steinen. Polizeibeamte konnten 20 Personen festnehmen. Es gab Strafanzeigen wegen Landfriedensbruch und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr sowie Sachbeschädigung.

Die Fahrer eines Rettungswagens fanden zudem im Stadionumfeld einen verletzten Siegener Fan. Er gab an, von Unbekannten niedergeschlagen worden zu sein. "Diese sogenannten Fußball-Fans haben sich nur wie gewaltbereite Straftäter aufgeführt", beschrieb die Krefelder Polizei das Verhalten der Hooligans und sprach weiter von einem "enormen Aggressionspotenzial".

In München nahm die Polizei am Samstag 80 Fans in Gewahrsam, außerdem wurden zwölf Anzeigen erstattet. Anzeigen wurden ausgesprochen wegen: Beleidigung (4), Körperverletzung (3), Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (zwei Tüten Marihuana), Widerstands gegen Vollzugsbeamte, Sachbeschädigung, versuchter Körperverletzung sowie gefährlicher Körperverletzung (jeweils 1). Neben einigen kleineren Vorfällen provozierten 80 Personen, unter ihnen nach Polizeiangaben auch Ultras des Zweitligisten 1860 München, beim ParkundRide-Parkhaus vor dem Stadion einige Bayern-Anhänger. Zu einer größeren Auseinandersetzung kam es laut Polizei nicht, weil die Bayern-Fans nicht gewaltbereit waren.

"Sie gefährden die Existenz von Fankultur"

"Wir waren auf so etwas eingestellt, weil wir wissen, dass das kein alltägliches Spiel ist und die Fangruppen nicht unbedingt in inniger Freundschaft verbunden sind", sagte ein Sprecher der Münchner Polizei dem SID.

In Stuttgart haben am Samstag VfB-Fans vor der Partie gegen Borussia Dortmund nach Angaben der Polizei versucht, einen Fanbus des deutschen Meisters zu überfallen. Gegen 11.50 Uhr seien auf der Autobahnraststätte Wunnenstein-West an der A81 zehn bis zwölf vermummte Personen auf einen Dortmunder Reisebus zugestürmt, der dort gerade Halt machte. Der Busfahrer habe daraufhin die Türen geschlossen und sei angefahren. Die Angreifer traten dann wahllos gegen das Fahrzeug und verursachten einen Sachschaden von 3000 Euro. Später hätten sie den Bus mit drei PKW verfolgt. Die Polizei wurde von Insassen verständigt und hat nun die Ermittlungen aufgenommen.

In der Nacht zu Sonntag ist es zudem auf einer Tankstelle in Werne (Kreis Unna) zu einer Auseinandersetzung zwischen Dortmunder Fans und Anhängern von Werder Bremen gekommen. Nach Angaben der Polizei habe die Gruppe mutmaßlicher BVB-Fans die Insassen eines Busses aus Bremen mit Knüppeln angegriffen. Ein Fan der Norddeutschen erlitt dabei einen Kreislaufkollaps, sei aber mittlerweile wieder auf wohlauf. Zudem kam es zu Sachbeschädigungen in Höhe von etwa 5000 Euro. Die Angreifer waren vor dem Eintreffen der Polizei bereits geflohen.

Angesichts der steigenden Gewalt fordern Vertreter von Klubs, Polizei und Politik ein härteres Vorgehen. Der für den Sport zuständige Innenminister Hans-Peter Friedrich wird einen runden Tisch einberufen und dabei über die Gewaltexzesse bei den DFB-Pokalspielen beraten. "Wir werden am 14. November einen runden Tisch machen, im Innenministerium. Bei dem auch die Verbandsvertreter, die Vereinsvertreter und die Vertreter auch der Länderinnenministerien dabei sein werden. Und wir werden eine Antwort finden müssen, denn diese Gewalt-Eskalation ist so nicht hinnehmbar", sagte der CSU-Politiker in der ARD-Sportschau. Friedrich hat klare Vorstellungen, um das Problem in den Griff zu bekommen: "Der Fußball ist immer eine Freude für die ganze Familie gewesen. Das muss in Zukunft auch so bleiben. Das heißt: wir müssen sowohl die Chaoten, als auch diejenigen, die meinen, sie müssen dort ihre pyrotechnischen Spielchen betreiben, fernhalten. Das ist die Aufgabe, der wir uns gemeinsam, Sicherheitskräfte, aber auch die Vereine, stellen müssen."

Weil auch vor dem 3:1-Sieg von Werder Bremen am Samstagabend beim FSV Mainz 05 Werder-Anhänger im Gästeblock Pyrotechnik entflammt hatten, kündigte Werder-Geschäftsführer Klaus Allofs an, die Fans in Haftung zu nehmen. "Die Strafe, die wir beim letzten und vorletzten Mal zu zahlen hatten, ist weiter gegeben worden. Die Person, die diesmal dafür verantwortlich ist, muss das auch zahlen", sagte Allofs.

Ligaverbands-Vize-Präsident Harald Strutz (Mainz) verwies auf die "ausgesprochen schwierige Situation: Einerseits bringt es nichts, immer die Vereine zu bestrafen. Aber andererseits müssen Strafen ausgesprochen werden, es hilft ja nichts. Ich gehe davon aus, dass es diesmal heftige Strafen geben wird. Es muss ein Zeichen gesetzt werden, damit die Fans nicht mehr von Idioten missbraucht werden."

Michael Gabriel von der Koordinierungsstelle Fanprojekte befürchtet generelle Auswirkungen auf den deutschen Fußball: "Das sind Verhaltensweisen, die müssen raus aus deutschen Stadien. Die gefährden nicht nur Unbeteiligte, die gefährden nicht nur den Fußball, sie gefährden auch die Existenz von Fankultur." Er warnt allerdings vor undifferenzierten Maßnahmen.

Henrick Große Lefert, der Sicherheitsbeauftragte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), ergänzte in der ARD: "Dass wir ganze Fanszenen ausschließen müssen, kann eigentlich nur das letzte Mittel sein. Deswegen sind wir darauf angewiesen, dass sich die friedlichen Zuschauer und friedlichen Fans - auch unter den Ultras - entsprechend distanzieren von einem solchen Verhalten."

Der Ex-Präsident des Fußballklubs 1. FC Lokomotive Leipzig und heutige Sicherheitsbeauftragte des Vereins, Steffen Kubald, gibt dem DFB eine Mitschuld an den jüngsten Ausschreitungen. "Erst wollte Präsident Theo Zwanziger Pyrotechnik erlauben, dann wieder nicht. Die Diskussion über das 'legale Abfackeln' von Brennstäben hätte nie geführt werden dürfen", sagte Kubald, früher selbst Hooligan, dem Focus und fügte hinzu: "Viele Fans sind über das Hin und Her verärgert - ein Eigentor."

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