Probleme in Gladbach:Gehemmt wie müde Zirkuspferde

Borussia Mönchengladbach - FSV Mainz 05

Durchlebt eine schwierige Phase: Juan Arango.

(Foto: dpa)

Träge statt kreativ: Borussia Mönchengladbach ist zum Rückrunden-Start der Fußball-Bundesliga die Luft ausgegangen. Als Gesicht der Krise gilt der ehemalige Zauberfuß Juan Arango - gegen Leverkusen will die Favre-Elf endlich wieder besser spielen.

Von Ulrich Hartmann

Juan Arango war nie ein Komödiant. Schnappschüsse mit Fans, auf denen der 33-Jährige lächelt oder gar grinst, gelten als wertvolle Sammlerstücke - und derartige Aufnahmen aus 2014 gelten wohl gar als billige Fälschung. Arango lächelt nicht mehr. Oft lässt er den Kopf hängen, und wenn er ihn im Spiel hebt, um einen seiner berühmten Freistöße zu schießen, dann versprüht er auch nicht gerade die Aura eines Spaßfußballers.

Am Niederrhein rätselt man über den Form- und Stimmungssturz des Venezolaners und kann ihn sich allenfalls damit erklären, dass Arango womöglich schon weiß, dass er seine letzte Saison bei Borussia Mönchengladbach spielt. Die Fans wären traurig deswegen, denn das wäre so, als müsse das einst beliebteste Zirkuspferd auf die Pensionsweide. Fünf Jahre hätte Arango dann für Gladbach gespielt.

Die Borussia soll für die nächste Saison am Stuttgarter Ibrahima Traoré, am Hoffenheimer Fabian Johnson, vielleicht sogar am Hamburger Marcell Jansen Interesse haben. Die spielen alle links. Dort, wo Arango zaubert, oder besser: gezaubert hat.

Der in Südamerika als "Arangol" gehuldigte Ballartist ist in diesen Tagen das Gesicht eines Teams, das in seinem Reifeprozess hin zu einer seriösen Spitzenmannschaft eine Art fußballerische Pubertät durchlebt. Die über Wochen hinweg so formstarke Elf steht am Scheideweg, sie wirkt mal genial kreativ, mal launisch und gehemmt. Da habe nicht jeder Spieler 100 Prozent gegeben, klagte Sportdirektor Max Eberl nach der jüngsten 1:3-Niederlage in Hannover. "Er hat Recht", pflichtete ihm Trainer Lucien Favre bei.

Berappelt sich das Team nach zuletzt zwei Niederlagen nun mit einem Sieg am Freitag gegen Bayer Leverkusen, bleibt Gladbach aussichtsreich im Rennen um die Champions-League-Plätze. Gewinnt man jedoch auch das 22. Heimspiel nacheinander gegen den Nachbarn aus Leverkusen nicht - tja, was dann? Driftet die Kreativtruppe dann in eine Krise? "Krise?", spottet Favre, "das geht mir oft zu schnell mit dem Gerede von einer Krise."

Sechs Mal in Serie hatten die Gladbacher zwischen dem 27. Oktober und dem 7. Dezember gewonnen und waren zu Lieblingen des Fußballfeuilletons avanciert, weil Juan Arango, Max Kruse, Patrick Herrmann und Raffael ein schöngeistig-spektakuläres Offensivquartett abgaben. Doch den fantastischen Vieren ist die Luft ausgegangen. Flaute im Sturm - ausgerechnet jetzt, da Schalke, Mainz und Augsburg aufholen und dafür sorgen, dass eine Schwächephase jedem Champions-League-Anwärter auch schnell den Trost von der Europa League rauben könnte. Auch Gladbach ist da gefährdet. Kein Punkt bei 1:5 Toren - in der Rückrundentabelle ist Gladbach im Moment Vorletzter vor dem HSV.

Eberl treibt Verjüngung voran

Favre sagt: Ja, er spüre den Druck. "Natürlich!" Doch der Schweizer spricht vom Binnendruck im Kader. "Ein Hrgota macht viel Druck", sagt er und deutet an, dass der 21-jährige Stürmer mit schwedisch-kroatischer Staatsbürgerschaft sich anschickt, Arango zu verdrängen.

"Zwei, drei Spieler sind nicht in der Verfassung, die sie im Herbst hatten", sagt Favre. Und wenn er auch keine Namen nennt, so ist doch klar, dass hinten links Oscar Wendt, vorne links Arango, defensiv-zentral Granit Xhaka und offensiv auch Nationalstürmer Max Kruse zurzeit nicht auf der Höhe ihres Potenzials spielen. Doch es liegt nicht nur an ihnen.

Favre entschuldigt die ganze Mannschaft, er erinnert wiederholt an den drohenden Abstieg vor drei Jahren, an den raschen Aufschwung danach - Rückfälle seien da nie ganz auszuschließen. "Vielleicht haben wir einen Fehlstart, vielleicht kommen wir in eine Krise, das kann alles passieren", sagt Favre und schaut vor seinem 100. Bundesligaspiel als Gladbach-Coach so unschuldig-listig drein, als könne dies dann weder ihn noch den Verein erschüttern.

Selbst auf dem dritten Platz zum Ende der Hinrunde hatten die Klubverantwortlichen betont, keinen der beiden Europapokal-Wettbewerbe aus wirtschaftlichen Gründen erreichen zu müssen. Der Wunsch ist da, doch man will sich nicht unter Druck setzen lassen. Sportchef Eberl ist in diesen Tagen mit einer Verjüngung der Mannschaft beschäftigt. Bei Filip Daems, 35, Juan Arango, 33, Roel Brouwers, 32 und Ersatztorwart Christopher Heimeroth, 32, laufen die Verträge aus, und es deutet wenig auf ihren Verbleib hin. Von den Spielern jenseits der 30 ist die Borussia womöglich bloß noch am österreichischen Innenverteidiger Martin Stranzl, 33, interessiert.

Ausgerechnet der droht nun gegen Leverkusen mit Hüftschmerzen auszufallen. Weil zudem Rechtsverteidiger Julian Korb gelbgesperrt ist, muss Favre umbauen. Doch in dieser Woche waren bloß 17 Spieler im Training. Im Gegensatz zu Bayern-Trainer Guardiola muss Favre wenigstens keinem seiner Männer weh tun bei der Auswahl seines 18er-Kaders.

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