Probleme bei Bayer Leverkusen:Abgekippt ins Mittelfeld

Vom selbsterklärten Bayern-Jäger zum Reinfall: Wegen der anhaltenden sportlichen Misere könnten die Gesellschafter bei Bayer Leverkusen schon bald über eine Entlassung von Trainer Robin Dutt entscheiden. Angesichts des trostlosen Fußballs seiner Elf wirkt der Coach zunehmend ratlos - schon jetzt ist der Klub die Enttäuschung der Saison.

Philipp Selldorf

Vor einem Jahr hat André Schürrle beim Mainzer 4:2 in Hamburg einen Auftritt gehabt, an den man sich dieser Tage in Leverkusen sehr genau erinnert. Schürrle schoss zwei tolle Tore für den FSV, und bei Bayer 04 waren die Verantwortlichen so stolz, als hätten sie diese Tore selbst erzielt.

FC Schalke 04 v Bayer 04 Leverkusen  - Bundesliga

Seine Ideen gehen nicht auf: Leverkusens Trainer Robin Dutt. 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Sie hatten beim Aufsichtsrat ihres Finanziers dafür gekämpft, das viele Geld für den Kauf des Angreifers freizugeben. Acht Millionen Euro Ablöse, das erschien den fachlich nicht ganz so versierten Kontrolleuren der Bayer AG arg teuer, aber spätestens nach dem HSV-Spiel waren sie überzeugt. Zumal, weil Schürrle inzwischen Lukas Podolski in der Nationalelf herausforderte.

Ein Jahr später ist die Entscheidung, in Schürrle zu investieren, immer noch nicht falsch. Seine Fähigkeiten stehen außer Frage. Sie sind derzeit bloß so tief in ihm versteckt, dass sie auch mit dem weltweit schärfsten Elektronen-Mikroskop nicht mehr zu erkennen wären. Beim 0:2 in Schalke hat Schürrle irgendwie mitgespielt, doch ein Vergleich zwischen den Auftritten in Hamburg und Gelsenkirchen verbietet sich. Es gab keine Gemeinsamkeiten.

In Leverkusen hat man dennoch längst aufgehört ergründen zu wollen, wie Schürrle in dieses bodenlose Formtief geraten konnte. Man hat größere Probleme. Den meisten Bayer-Profis geht es ja nicht besser als dem jedes Wochenende aufs Neue verzweifelnden Nationalspieler, und es ist daher nur logisch, dass erneut der Gesellschafterausschuss um Meinung und Votum gebeten werden muss. Wieder ist ein Beschluss mit Perspektive gefragt. Es ist klar, dass es dann um Robin Dutt und dessen Zukunft im Rheinland gehen wird.

Im vorigen Sommer hatte der Trainer das Ziel ausgegeben, mit den Bayern um den ersten Platz zu konkurrieren. Das war mutig, und dass das nicht geklappt hat, muss man ihm nicht vorwerfen. Was man ihm vorwirft, ist jener Titel, den der Vorjahreszweite schon jetzt sicher hat: Bayer 04 Leverkusen ist die größte Enttäuschung der Saison, und in Schalke hat Dutt mit seinem Lamentieren über Verletzte und die angeblich kurze Ersatzbank daran gearbeitet, dass die Bayer-Leute die Lust verlieren.

Dutt hat einen Fundus an Fachtermini, um den ihn die Gelehrten beneiden, seine "abkippenden Sechser im Halbfeld" sind ein Geschenk an die Fußballsprache. Aber all seine rhetorische Kunst hat ihn jetzt nicht davor bewahrt, den trostlosen Fußball und die moralische Erschöpfung seines Teams damit zu erklären, sie habe "eine lange Saison hinter sich". Das wirft die Frage auf, wie lange die Saison für ihn noch dauern wird.

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