Premier League:Wenger gegen Windmühlen

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Der einzige teure Zugang des FC Arsenal: der Ex-Gladbacher Granit Xhaka (re.), hier gegen Shinji Okazaki (Leicester, früher Mainz). (Foto: Michael Steele/Getty Images)

Die vorsichtige Transferpolitik des Arsenal-Trainers erzürnt die Fans auch beim 0:0 in Leicester - die Rivalen wie Manchester United und Manchester City haben bereits fünf Punkte Vorsprung.

Von Raphael Honigstein, London

Die Saison ist neu, das Klagelied der Arsenal-Fans ist das alte: "Gib das verdammte Geld aus!" brüllten die mitgereisten Fans der Gunners nach dem Schlusspfiff in Richtung von Arsène Wenger. Der Franzose hatte mit seinem Team beim Vorjahresmeister Leicester City ein akzeptables 0:0 erreicht, doch den Unmut bei der Anhängerschaft konnte der erste Punktgewinn in der laufenden Spielzeit (nach dem 3:4 gegen Liverpool zuvor) nicht mindern. Zu tief sitzt der Frust über Wengers rätselhaft vorsichtige Transferpolitik.

Der 66-jährige Teamchef der Londoner hat im Mai 40 Millionen Euro für den Schweizer Granit Xhaka an Borussia Mönchengladbach überwiesen und dazu ein paar billige Nachwuchsspieler verpflichtet. Auf die dringend benötigten namhaften Verstärkungen im Sturm und in der Defensive wartet man in Nord-London jedoch seither vergebens, obwohl Arsenal zuletzt Bargeld-Reserven von 180 Millionen Euro auswies und der neue Fernsehvertrag die Konkurrenz der Premier League zu einer großen Shopping-Tour animiert hat.

Die teuer verstärkten Favoriten aus Manchester haben bereits fünf Punkte mehr als die Gunners

Eher halbherzige Versuche Wengers, Leicester die Offensivleute Jamie Vardy und Riyad Mahrez auszuspannen, scheiterten; und mit Valencia streitet sich der FC Arsenal seit Wochen um einen angemessenen Preis für den deutschen Nationalverteidiger Shkodran Mustafi, der den bis Weihnachten verletzten Landsmann Per Mertesacker (Knorpelschaden) ersetzen soll.

Wenger wehrte sich vor und nach der Partie in Leicester vehement gegen den Vorwurf der Knausrigkeit. Das viele Geld auf der Insel verstelle den Blick aufs Wesentliche: "Warum redet niemand mehr über Fußball oder die Spieler (die wir schon haben), sondern alle nur über all die anderen Dinge? Es ist schade, dass niemand über die hervorragende Leistung von Rob Holding spricht. Ihr solltet glücklich sein. Er ist englisch, er ist 20. Leider hat er aber nicht 55 Millionen Pfund gekostet, also kann er wohl nicht gut sein", führte Wenger ironisch aus.

Holding, ein 2,3 Millionen Euro teures Talent von Zweitligist Milton Keynes, hatte in der Innenverteidigung neben Laurent Koscielny tatsächlich ein souveränes Match abgeliefert. Ebenfalls angemessen war Wengers Hinweis auf die überteuerten Transfermarkt-Preise für englische Kunden in Europa: "Es gibt zwei Märkte. Wir zahlen das Zehnfache von dem, was andere zahlen." Die Frage ist aber, ob es für seinen enorm profitablen Londoner Klub sportlich Sinn ergibt, sich den neuen Tarifen zu verweigern, während zuletzt allein die Rivalen aus Manchester, City und United, mehrere hundert Millionen Euro in ihre Kader pumpten. Diese beiden teuer verstärkten Titelanwärter sind mit je zwei Siegen gestartet, für United traf Zugang Zlatan Ibrahimovic beim 2:0 gegen Southampton zweimal, City gewann in Stoke 4:1. Arsenal hat, ebenso wie der amtierende Champion Leicester, bereits kurz nach Saisonstart fünf Punkte Rückstand auf City, United und den FC Chelsea (2:1 in Watford).

Die Prinzipientreue Wengers (Diplom-Volkswirt aus dem Elsass) trägt mittlerweile don-quijotische Züge: Im Kampf gegen die Premier-League-Windmühlen, das weiß man in Nord-London seit dem Gewinn der bisher letzten Meisterschaft vor zwölf Jahren, gewinnt in der Regel nicht der einsame Ritter. Schon jetzt deutet sich an, dass Arsenal am Ende der neuen Saison eher nicht ganz vorne landen wird. Wenger, dessen Vertrag 2017 ausläuft, müsste eigentlich alles tun, um das kritische Publikum davon zu überzeugen, dass er in der "kleinen Trainer-Weltmeisterschaft", wie er die mit internationalen Koryphäen gesäte Liga bezeichnet, auch künftig bestehen kann - gegen jüngere, dynamischere Übungsleiter, die ihren Teams minutiös ausgearbeitete Spielkonzepte an die Hand geben und nicht nur auf die individuelle Qualität der Spieler vertrauen.

Wengers Zurückhaltung auf dem Markt befeuert so einen schon länger latenten Verdacht: Dass der amerikanische Klubbesitzer Stan Kroenke den Fußballlehrer insgeheim zum Sparen anhält, weil dieser anstatt schwer zu erzielender Meistertitel verlässlich mehr Millionen auf dem Arsenal-Festgeldkonto anhäuft, mit denen andere Kroenke-Unternehmungen gegenfinanziert werden können. Stichfeste Beweise für diese Theorie hat zwar noch niemand geliefert, doch man erinnert sich, dass Wenger schon vor zehn Jahren das vergleichsweise geringe Investitionsvolumen als angewandte Nachwuchsförderung verkaufte, später aber zugab, dass Arsenal damals die Mittel zur Schuldentilgung für das neue Stadion aufwenden musste.

Seitdem haben die Gunners (435 Millionen Umsatz 2014/15) als einer der reichsten Fußballvereine der Welt eher das eigenartige Problem, zu viel Geld zur Verfügung zu haben - auch, weil der von Wenger immer mal wieder angekündigte Zusammenbruch des englischen Marktes weiter hartnäckig auf sich warten lässt.

© SZ vom 22.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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