Premier League:Trainer-Clásico in Old Trafford

Premier League: Komplizierte Dreiecksbeziehung - einst bei Klubs aus Spanien und Italien, jetzt in Manchester: Stürmer Zlatan Ibrahimovic mit den Trainerrivalen Pep Guardiola und Jose Mourinho (von links).

Komplizierte Dreiecksbeziehung - einst bei Klubs aus Spanien und Italien, jetzt in Manchester: Stürmer Zlatan Ibrahimovic mit den Trainerrivalen Pep Guardiola und Jose Mourinho (von links).

(Foto: imago sportfotodienst)

Das Manchester-Derby ist vor allem das Duell Pep Guardiola gegen José Mourinho. Beide sind sich spinnefeind, dabei hat ihre Rivalität den Fußball auf ein neues Niveau gehoben.

Von Javier Cáceres

Nur Götter können die Welt zum Stillstand bringen; und wenn es im zeitgenössischen Fußball so etwas gibt wie Götter, so sind es die Trainer. Jedenfalls in England, wo sie die besten Fußballlehrer der Welt eingekauft haben, für ein Heidengeld. Die beiden schillerndsten, unterschiedlichsten, faszinierendsten dieser Trainerfiguren treffen an diesem Samstag in Manchester aufeinander: José Mourinho, portugiesischer Coach von Manchester United, und Josep Guardiola, katalanischer Coach des Stadtrivalen City. Im Theater der Träume, wie Uniteds Stadion "Old Trafford" auch genannt wird, kommt es zwischen den beiden erstmals auf britischem Boden zum High Noon.

Es ist die 17. Neuauflage eines längst mythischen Duells. Erstmals standen sich beide in der Saison 2009/2010 gegenüber, als Mourinho Inter Mailand und Guardiola den FC Barcelona trainierte - bisher letztmals 2013, als Guardiola als neuer FC-Bayern-Trainer den europäischen Supercup gegen Mourinhos FC Chelsea holte. Dazwischen lagen zwölf Duelle, die Spanien spalteten, elektrisierten, fesselten, mitunter auch abstießen, weil sie garniert waren mit kleinen und großen Hässlichkeiten. Vor allem Mourinho (damals Real Madrid) stieß die Feuersteine aneinander, bis Spanien brannte wie einst Troja.

Mal stach er dem mittlerweile verstorbenen Tito Vilanova, damals Assistent Guardiolas, an der Seitenlinie ins Auge, mal suggerierte er, Barcelona werde von den Referees bevorzugt, weil die Katalanen fürs Kinderhilfswerk Unicef Reklame laufen. Guardiola ertrug das lange Zeit, bis ihm einmal der Kragen platzte. Bei einer Pressekonferenz in Madrid nannte er Mourinho "puto amo", "verf... Chef" des Pressesaals, weil er die Klaviatur der Psychospiele in den Medien so gut beherrschte.

Guardiola provozierte auch, aber subtiler, eleganter, wie ein Meister des Subtextes. Kein Clásico verging, bei dem er nicht daran erinnerte, wie gut er wisse, was in diesen Spielern vorgehe, er selbst hatte bei Barcelona etliche Duelle mit Real ausgetragen; Mourinho hingegen hatte es als Fußballer nie zu Erstliga-Ehren gebracht. Die verklausulierte, giftige Botschaft lautete: Ich kenne die Codes, die ungeschriebenen Gesetze, die Geheimnisse dieser Schlachten. Du, Mou, hast das alles nicht nur nie erfahren.

Das Siegel wird dir auf immer verschlossen bleiben, amigo. In Spanien lagen mehr als 600 Kilometer zwischen den Arbeitsplätzen der beiden. Nun teilen sie eine Stadt. 115,6 Quadratkilometer. Manchester Uniteds Old Trafford ist eine halbe Tram-Stunde vom City-Stadion entfernt. Doch die Trainer selbst sind sich weit näher. Zuletzt lagen ihre Residenzen 600 Meter auseinander: Mourinho lebte in einem Hotel, das von Guardiolas Wohnung fußläufig zu erreichen war. Am Freitag enthüllte Guardiola in einer Pressekonferenz, dass man sich vor ein paar Wochen gesehen habe, bei der Trainertagung. Sollte Mourinho, wie angekündigt, gar die alte United-Tradition von Alex Ferguson aufleben lassen und den Gästetrainer zu einem Glas Wein einladen, "werde ich annehmen", sagte Guardiola.

Wer weiß, ob es so weit kommt. Aber auch Mourinho erklärte vor ein paar Wochen, er erwarte nicht, dass sich die Scharmützel aus Spanien wiederholen. Spaniens Liga sei ein "Rennen für zwei Pferde", Barcelona und Real - am Titelkampf in England beteiligen sich ein halbes Dutzend Teams. Die Wettquote für die Verweigerung eines Shakehands zwischen Mou und Pep beim Derby liegt bei 6:1. Doch wer weiß, wie es nach den 90 Minuten von Manchester aussieht. Denn Mourinho und Guardiola sind die wohl gegensätzlichsten Charaktere seit Apollon und Dionysos.

Die Trainingseinheiten der beiden Trainer sind kaum zu unterscheiden

Das ist nicht immer offensichtlich. César Luis Menotti, argentinischer Weltmeistertrainer von 1978, erzählte mal, dass ein Freund nach der Rückkehr von einer Europa-Reise erstaunt darüber war, dass die Trainingseinheiten von Mourinho und Guardiola kaum zu unterscheiden seien. Das sei nicht verwunderlich, sagt Oriol Romeu vom FC Southampton am Telefon, er spielte in der Vorsaison beim VfB Stuttgart und ist einer von zehn Profis, die sowohl unter Guardiola wie unter Mourinho gearbeitet haben. Beide bevorzugten "nicht sehr lange Einheiten, mit kurzen, dynamischen, intensiven Übungen". Doch natürlich gebe es große Unterschiede in den Details, die sich aus fast gegenläufigen Ansätzen ergeben: "Pep möchte Hauptdarsteller sein, den Ball von hinten heraus spielen, das Gewicht des Spiels tragen. Mou ist pragmatischer und direkter", sagt Romeu.

Rein theoretisch passt Mourinhos Ansatz eher zu den traditionellen Parametern der englischen Premier League, wo man rauschhafte Kreativität und spielerische Innovationen, nach denen Guardiola immerzu strebt, eher nachrangig behandelt: "Der englische Fan verlangt wenig, so lange sein Team gewinnt", sagt Romeu. Aber wie schon zuletzt in München will Guardiola seine Idee von Fußball umsetzen - ohne sich den Einflüssen seiner neuen Umgebung völlig zu verschließen.

Drei Spieltage ist die Saison alt. Romeu glaubt, bei Manchester City schon Dinge zu erkennen, mit denen Guardiola bereits bei den Bayern operiert hatte: "Hier in England werden die Positionen eher starr eingehalten. Bei Pep kann man nun sehen, wie sich die Außenverteidiger bei eigenem Ballbesitz in die zentralen Mittelfeldpositionen schieben, um die Kreativen zu unterstützen, und die Außenstürmer extrem weit auf den Flügeln sind." Gleichwohl sei Citys Spiel "direkter und viel mehr darauf ausgerichtet, die gegnerischen Linien zu durchbrechen" als noch Guardiolas Barça, "auch der direkte Kampf um den Ball wird in England intensiver geführt". Bislang hat City fünf von fünf Pflichtspielen gewonnen (drei Ligapartien und zwei Champions-League-Playoffs), obwohl Guardiola nicht nur seine neue Philosophie, sondern auch neue Spieler für mehr als 215 Millionen Euro integrieren muss, darunter die zuletzt verletzten Bundesliga-Zugänge Leroy Sané (Schalke) und Ilkay Gündogan (Dortmund). Letzterer hat Chancen auf einen Einsatz. "Wenn er fit ist, wird er alle beeindrucken", sagte Guardiola am Freitag.

Auch Mourinho hat mit vier Siegen aus vier Pflichtspielen (Ligapokal und Liga) einen tadellosen Start hingelegt, und auch er hat neue Spieler einbauen müssen - allen voran Paul Pogba, für den United allein 105 Millionen Euro an Juventus Turin überwies. Vor allem aber elektrisiert ein neuer Stürmer, der keine Ablöse gekostet hat: Zlatan Ibrahimovic, der wie Romeu unter beiden Trainergurus gespielt hat - und Guardiola anfeindete, als "Philosophen" schmähte. Nun sinnt der Schwede erklärtermaßen auf "Rache". Denn der egozentrische Ibrahimovic hat nie verschmerzt, dass Guardiola bei Barça einst alles Lionel Messi untergeordnet hatte.

Ibrahimovic ist stattdessen ein Paradebeispiel für jene Profis, die Mourinho für immer treu ergeben sind: "Seine Gruppen sind zu 100 Prozent loyal", sagt Romeu. Dies habe sich auf dem Rasen nie so deutlich manifestiert wie im Halbfinal-Rückspiel der Champions League 2009/2010 zwischen Guardiolas Barcelona und Mourinhos Inter Mailand. Inter spielte wegen einer roten Karte 60 Minuten lang in Unterzahl, Mourinho reagierte darauf, indem er sein Team Schützengräben buddeln ließ, Verteidigung pur anordnete. Samuel Eto'o, damals Inter-Mittelstürmer, spielte mit soldatischer Disziplin als Rechtsverteidiger. "Umgekehrt wäre das undenkbar gewesen. Guardiola versucht immer, das Warum zu erklären, Spielern zu zeigen, wie man besser spielt", sagt Romeu. Das Rezept ging auf, Inter kam weiter und holte gegen den FC Bayern von Trainer Louis van Gaal die Champions League.

Guardiola liegt bei den Siegen vorn

Das Spiel hinterließ Narben im Verhältnis zwischen Mou und Pep, die in Barcelona sogar zusammengearbeitet hatten, Mourinho als Assistent von Bobby Robson und van Gaal, Guardiola als Spieler. Das monumentale Zerwürfnis der einstigen Freunde hatte seinen Ursprung darin, dass Mou selbst Barça-Coach werden wollte, aber Pep den Job bekam. Dann sah Mourinho ein, dass er dessen Idee nicht besiegen konnte - es sei denn, er zöge alle Register, auch unsportliche.

"Dass sie an Grenzen kommen, die absurd wirken, hat nur einen Grund: Beide geben alles für ihren Job. Und beide hassen es, zu verlieren", sagt Romeu. Woran er keinen Zweifel hat: Das Zusammentreffen von Mourinho und Guardiola in Spanien hatte am Ende beide enorm stimuliert - und führte dazu, dass der Fußball auf eine neue Entwicklungsstufe gehoben wurde. Wer weiß, ob sie das in England wiederholen. An diesem Samstag sind sie vorerst nur dazu verdammt, die Statistik ihrer Duelle zu aktualisieren. Bislang holte Guardiola acht Siege, Mourinho drei; fünf Mal trennte man sich mit Unentschieden.

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