Premier League:Shakespeare rüttelt Leicester wach

Premier League: Zum Start 3:1 gegen Liverpool gewonnen: Leicester Interims-Coach Craig Shakespeare.

Zum Start 3:1 gegen Liverpool gewonnen: Leicester Interims-Coach Craig Shakespeare.

(Foto: AFP)
  • Mit stehenden Ovationen huldigen Leicesters Fans dem entlassenen Trainer Claudio Ranieri.
  • Das Team gewinnt derweil unter Interims-Coach Craig Shakespeare 3:1 gegen den FC Liverpool.
  • Shakespeares erste Amtshandlung war, das unter Ranieri am Ende verloren gegangene Gruppengefühl aus der Meistersaison wieder herzustellen.

Von Sven Haist, Leicester

Aus Dankbarkeit zogen etwa 300 Fans von Leicester City in einer Parade mit dem Konterfei ihres ehemaligen Trainers Claudio Ranieri durch die Stadt. Andere nahmen selbstgebastelte Plakate mit ins Stadion, auf den Bannern stand "Grazie Claudio". Das waren allerdings nur Vorgriffe auf jene Hommage, die Ranieri am Montagabend nach 65 Spielminuten - die Zahl entspricht seinem Alter - zuteil wurde.

Mit stehenden Ovationen verneigten sich 32 034 Menschen in einer geplanten Huldigung vor dem Mann, der ihren Verein im Vorjahr zur ersten Meisterschaft der Vereinsgeschichte geführt hatte. Die Leute riefen Ranieris Namen und sorgten für ein Lichtermeer, indem sie ihre Handys in den Sternenhimmel hielten. Sogar Leicesters Spiel gegen den FC Liverpool wurde unterbrochen. Der Fußballgott sah just in diesem Augenblick zwei Einwechslungen vor.

Der neue Coach wirft einen 20-Millionen-Zugang aus dem Kader

Die Leute sind dem frisch entlassenen Ranieri immer noch dankbar, sie machen ihn nur bedingt verantwortlich für Leicesters Leistungseinbruch und den Rückfall von Rang eins in der Vorsaison auf einen Abstiegsplatz. Der Einbruch war am Ende wohl ebenso absehbar wie die Entlassung Ranieris nach dem 1:2 beim FC Sevilla in der Champions League, der 18. Saison-Niederlage. Die Qualität des Kaders war schlicht überreizt. Die Trennung fühlt sich für die meisten Betrachter dennoch schmerzhaft an, weil es das brutale Ende einer großen Story darstellt. Bei seiner Titelromanze hat sich Leicester City ja allen Trends widersetzt, und nun musste der Verein halt doch agieren wie jeder andere, der Panik vor dem Absturz hat.

Trotz aller Sentimentalitäten ist den thailändischen Eigentümern die wachsende Distanz zwischen Ranieri und seinen Spielern nicht entgangen. Die Spieler hatten am Ende genug gehört vom putzigem Italo-Englisch des Trainers, dessen Krisenmanagement beide Seiten nur weiter auseinander brachte. Kein Geheimnis ist auch, dass es Spannungen zwischen Ranieri und seinem Trainerteam gab. Speziell Assistent Craig Shakespeare soll zunehmend seine eigenen Interessen verfolgt haben.

Beim 3:1 gegen Liverpool durfte Shakespeare das Team als Interimstrainer anleiten, und nun darf er sich aufgrund des furiosen Auftritts sogar Hoffnungen auf eine dauerhafte Beförderung machen. Shakespeares erste Amtshandlung war, das unter Ranieri am Ende verloren gegangene Gruppengefühl aus der Meistersaison wieder herzustellen. Den nigerianischen Angreifer Ahmed Musa, im Sommer für knapp 20 Millionen von ZSKA Moskau gekommen, warf er gleich mal aus dem Kader. Das zeigt, welche Eitelkeiten im Meisterteam offenbar eingerissen sind - auch wenn der Verein im Stadionheft darauf hinwies, dass die Spieler ihren Ex-Trainer "erbittert" unterstützt hätten.

"Englischer Meister! Wir wissen, was wir sind"

Ganz so erbittert kann diese Unterstützung aber nicht mehr gewesen sein. Leicester war im ersten Spiel nach Ranieri nicht mehr zu vergleichen mit jenem Team, das schlafwandelnd durch den Großteil der bisherigen Saison getorkelt war. Der Zusammenhalt und die Leidenschaft jedenfalls, mit der die Spieler nach dem Titelgewinn im Wohnzimmer von Jamie Vardy um den Küchentisch tanzten, waren bisher nur bei ausgewählten Anlässen zu beobachten. Etwa in der Champions League, beim 4:1 über ManCity - oder nun gegen Liverpool.

Ohne Rücksicht krachte Vardy denn auch unmittelbar nach Spielbeginn in Liverpools Angreifer Sadio Mané, der verletzt am Boden liegen blieb. Sofort war klar, dass Leicesters Spieler sich auf einer Mission befanden. Die mediale Kritik am Charakter des Teams hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Beim 2:0 wuchtete Danny Drinkwater den Ball aus 25 Meter volley mit 90km/h ins Netz. Nach dem Treffer türmte sich ein Jubelberg über ihm auf. Das Stadion grölte enthemmt: "Englischer Meister! Wir wissen, was wir sind."

Leidtragender von Leicesters Energieanfall war der FC Liverpool. Die Elf von Jürgen Klopp geriet in den Sog der gegnerischen Euphorie. Mit der körperlichen Intensität der Partie war Liverpool überfordert, in kindlicher Naivität wollten sich die Reds nach vorne kombinieren, was nur beim Tor zum 1:3 durch Coutinho gelang - ansonsten ließen sie hinter sich Freiräume klaffen, in die sich Vardy lustvoll stürzte. Das 1:0 fiel nach Traumpass von Mark Albrighton, für Leicester war es nach 637 torlosen Minuten in der Liga der erste Treffer im Jahr 2017. Vor Freude rannte Vardy auf die Eckfahne zu, als ginge es um sein Leben. Seinen zweiten Treffer zum 3:0 bereitete Christian Fuchs sehenswert vor.

Mit dem Schlusspfiff sank Vardy dann vor Erschöpfung am Mittelkreis nieder. Lediglich für die Ehrenrunde, die sich Claudio Ranieri verdient gehabt hätte, rappelte er sich noch mal auf.

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