Premier League:Schweinsteiger wird zum Veteranen

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Bastian Schweinsteiger: Mal wieder verletzt

(Foto: AFP)

Entwickelt sich aus dem Abenteuer in England für Bastian Schweinsteiger noch eine Ära? Nach dem frühen Saisonaus festigt sich der Eindruck: Eher nicht.

Von Sebastian Fischer

Es ist ziemlich genau neun Monate her, dass dem weltweit führenden Kopfhörer-Hersteller mit einem Internetvideo ein erstaunlicher Werbecoup gelang. Im Video sitzt das Testimonial auf einem Hotelzimmerbett, packt ein Lebkuchenherz in eine Tasche, schaut melancholisch, blickt über die Dächer der Stadt München, setzt sich auf die Rückbank einer Limousine, zieht dicke Kopfhörer über die Ohren, fährt weg. Der Coup: Das Video wurde just an dem Tag veröffentlicht, als das Testimonial - Bastian Schweinsteiger - den FC Bayern München verließ, um fortan für Manchester United Fußball zu spielen.

Für das Video haben die Fußball-Kommentatoren Sebastian Hellmann und Wolf Fuß gefühlige Fußball-Kommentatoren-Sätze eingesprochen, es ist vom Ende einer Ära die Rede, 17 Jahre und 500 Spiele, und vom Beginn einer neuen: Er werde es jetzt den Engländern zeigen. Neun Monate später ist das eine immer noch vertretbar: Es war eine Ära, die am 11. Juli 2015 endete, denn Schweinsteiger ist nun mal einer der besten Spieler der deutschen Fußball-Geschichte. Doch dafür zu argumentieren, dass an jenem 11. Juli auch eine neue Ära begann, wird immer schwerer.

In England nur eine Randnotiz

In England war die Meldung über Schweinsteigers Saisonaus am Freitag nur eine Randnotiz, zu sehr dominiert die bevorstehende Meisterschaft von Leicester City die Debatten, oder der drohende Abstieg des schwerreichen Traditionsklubs Newcastle United. Und doch hatte es Aussagekraft, wie etwa die Daily Mail über die Aussage von Louis van Gaal berichtete, Schweinsteiger werde wegen seiner Knieverletzung in dieser Spielzeit nicht mehr zum Einsatz kommen. Die Zeitung nannte den Deutschen einen "Veteranen". Einen altgedienten, verdienten Soldaten also. Oder, je nach dem: einen ausgedienten.

Man kann die erste Saison des Bastian Schweinsteiger, 31, in der Premier League nun also verfrüht bilanzieren: Sie ist ein Abenteuer im Konjunktiv.

Van Gaal hatte viel Überzeugungsarbeit beim Klubvorstand leisten müssen, um seinen Wunschspieler für kolportierte neun Millionen Euro verpflichten zu dürfen. Nach verhaltenem Beginn im Sommer schienen sich die Sorgen der Kluboberen im Herbst zunächst zu zerstreuen. In der Champions League gegen Wolfsburg machte er im September sein erstes richtig gutes Spiel für seinen neuen Klub; van Gaal wechselte ihn zwar nach 72 Minuten aus, nicht jeder Pass gelangte ans Ziel, doch irgendwie schien die alte Schweinsteiger-Aura nun in England angekommen zu sein: giftig und gleichzeitig souverän; unauffällig, aber zweikampfstark und sicher bei den einfachen Pässen. Er leitete gar ein Tor beim 2:1-Sieg ein. Wayne Rooney sagte hinterher: "Bastian spielt brillant. Wir können alle von seiner Erfahrung profitieren."

Obwohl Rooney wohlmeinend übertrieben hatte: Schweinsteiger war der Liebling der Fans im Old Trafford, er sah dort einige Male genau wie der Kämpfer aus, als der er seit dem WM-Finale von Rio bekannt ist. Dass er kaum Tore schoss (in 18 Premier-League-Spielen eines) und keine vorbereitete, was im defensiven Mittelfeld ja durchaus zu seinen Aufgaben zählt? Geschenkt. ManUnited sah wie eine bessere Mannschaft aus, wenn Schweinsteiger auf dem Feld stand. Jedenfalls ein paar Wochen lang.

Wird Löw ihn dennoch für die EM berufen?

Doch die Saison der Red Devils entwickelte sich nicht wie gewünscht. Manchester schied in der Champions League in der Gruppenphase aus, verlor danach drei Spiele in Serie in der Premier League, wartete sechs Spiele auf einen Sieg. Van Gaal steht wöchentlich in der Kritik, und kritisierte dann auch Schweinsteiger öffentlich und heftig: Das sei nicht der Spieler, den er aus München kenne. Just als United mit Schweinsteiger die Sieglos-Serie gegen Swansea im Januar beendete, verletzte er sich im Training: Innenbandriss im Knie.

Joachim Löw hat derweil nie an seinem Kapitän gezweifelt, für den Nationaltrainer ist Schweinsteiger immer der geblieben, den er kennt. Es hatte etwas schicksalhaftes, dass er sich ausgerechnet im Training mit dem DFB-Team im März erneut am Innenband verletzte. Löw wird auch jetzt nicht an Schweinsteiger zweifeln, jedenfalls noch nicht: Es ist durchaus denkbar, dass Schweinsteiger mit zur EM nach Frankreich fährt, sei es nur für ein paar Minuten in der K.o.-Phase, sei es nur wegen seiner Aura. "Jeder, der ihn abschreibt, macht einen großen Fehler", sagte sein Stellvertreter als Kapitän, Sami Khedira, nach den Länderspielen gegen England und Italien.

Schweinsteigers nächster Konkurrent: ein 18-Jähriger

Doch wird aus dem Abenteuer in England noch eine Ära? Louis van Gaal hat am Freitag auch gesagt, dass Schweinsteiger bereit sein werde für die nächste Saison. Aber womöglich ist van Gaal in der nächsten Saison selbst gar nicht mehr da, sondern José Mourinho. Und auf Schweinsteigers Position gilt Mourinhos Landsmann, der Portugiese Renato Sanches von Benfica Lissabon, als next big thing, umgerechnet 50 Millionen Euro soll United bereits geboten haben. Sanches ist 18, Schweinsteiger zum Start der nächsten Saison 32. Sein Vertrag ist bis 2018 gültig.

Schweinsteiger hält sich mit öffentlichen Aussagen in letzter Zeit zurück. In einem großen Interview mit der Zeit hat er im September darüber gesprochen, wie es wäre, die übrig gebliebenen Ziele - die EM, Erfolge in England - zu verpassen. Er sagte: "Ich weiß mittlerweile, dass das Leben wichtiger ist als der Sport." Im Sommer will Bastian Schweinsteiger übrigens seine Freundin, die Tennisspielerin Ana Ivanovic, heiraten. Das ist ja auch ein schönes Ziel. Auch wenn sich daraus wohl eher keine Werbefilme für Kopfhörer machen lassen.

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