Premier League:Mit "Panzer" Kolasinac gegen die Peinlichkeit

Arsenal v Swansea City - Premier League

Prägende Figur für Arsenal London: Sead Kolasinac.

(Foto: Dan Mullan/Getty Images)
  • Der FC Arsenal belustigt bei Auswärtsspielen gegen Spitzenteams die englische Bevölkerung mit schwachen Auftritten.
  • In 22 Duellen bei Manchester City, Manchester United, Tottenham Hotspur, dem FC Chelsea und FC Liverpool häuften die Gunners 13 Niederlagen und sieben Remis an.
  • Das soll sich ausgerechnet gegen Spitzenreiter Manchester City nun ändern - auch mit der Hilfe von Sead Kolasinac.

Von Sven Haist, London

Wie kein anderer Verein hat sich der FC Arsenal um den Unterhaltungswert der Premier League verdient gemacht. Die Menschen auf der Insel fiebern regelrecht den Auswärtsfahrten der Gunners zu den Konkurrenten an der Tabellenspitze entgegen. Seit Beginn der Saison 2013/14 haben die Nord-Londoner nämlich eine Bilanz erspielt, die auf der Insel mittlerweile zum Kulturgut gehört.

In 22 Gastauftritten bei Manchester City, Manchester United, Tottenham Hotspur, dem FC Chelsea und FC Liverpool häuften die Gunners 13 Niederlagen und sieben Remis an, 52 Mal mussten sie den Ball dabei aus dem eigenen Tor holen. Zur Belustigung der Bevölkerung ließen sich kontinuierlich peinliche Ergebnisse nicht vermeiden, im Gedächtnis blieb das 0:6 an der Stamford Bridge gegen Chelsea am 22. März 2014. An diesem Tag bestritt Trainer Arsène Wenger sein 1000. Spiel für den Klub. Die Leistung regte die englische Fußballpresse an, das Konstrukt der Gunners in der Analyse auseinander zu nehmen wie einen Bausatz aus dem Spielwarenladen.

Arsenals Reise am Sonntag zum bislang ungeschlagenen Tabellenführer Manchester City könnte nun freilich die Pannenserie fortsetzen - mit dem Unterschied, dass eine neuerliche Schmach niemand mehr lustig finden würde. Der Premier League geht zunehmend der Spannungsbogen verloren im Rennen um die Meisterschaft. Eine Entscheidung am letzten Spieltag fiel zuletzt im Mai 2014, in den folgenden Spielzeiten setzten sich die späteren Sieger (Chelsea, Leicester, Chelsea) frühzeitig von den Verfolgern ab. Und so kommt ausgerechnet dem FC Arsenal eine große Verantwortung zu: Die Gunners müssen für Spannung sorgen.

Innerhalb von vier Monaten stieg Kolasinac, 24, zum Fanliebling auf

Nach zehn Spieltagen hat City bereits fünf Punkte Vorsprung auf den Stadtrivalen United. Es sei denn, Arsenal, das in der Tabelle gleich um neun Zähler distanziert ist, gelingt eine Wiederholung des Coups vor knapp drei Jahren. Mit 35,3 Prozent Ballbesitz, dem geringsten Wert Arsenals seit Datenerfassung, konterten die Gunners ManCity mit 2:0 aus. Auf Intervention des deutschen Innenverteidigers Per Mertesacker wählte Wenger damals eine Taktik, die in seiner Destruktivität bei Arsenal nie zuvor (und seitdem auch nicht wieder) gesehen wurde. Dieses Modell dürfte jetzt wieder zur Anwendung kommen. Und womöglich stehen die Chancen gar nicht so schlecht, dass es funktioniert.

Nach dem demütigenden 0:4 in Liverpool zu Saisonbeginn hat sich nämlich Arsenal zu stabilen, ja seriösen Leistungen aufgerappelt. In der Europa League führte das zum Einzug in die nächste Runde. Und mitverantwortlich für den Umschwung war in Sead Kolasinac ein ablösefreier Neuzugang vom FC Schalke, dessen Stil nicht unbedingt zum klassischen Stil des FC Arsenal zu passen scheint, aber sehr gut zum ergebnisorientiertem Fußball.

Die Verpflichtung des ehemaligen Schalkers wusste niemand im Verein so richtig einzuordnen. In der auf Rekorde ausgelegten Premier League hält sich zumindest am Stammtisch die These, wonach nur Profis weiterhelfen, die viel Geld gekostet haben. Schon bei seinem Einstand im Supercup gegen Chelsea (4:1 n.E.) im Sommer widerlegte Kolasinac die Denkweise. Das anspruchsvolle Publikum bei Arsenal merkte während der Partie, dass die kompromisslose Spielweise dem fragilen Teamgefüge eine neue Sicherheit verlieh. Innerhalb von vier Monaten stieg Kolaŝinac, 24, zum Fanliebling auf. Liebevoll nennen sie ihn: "den Panzer". An seiner auf starke Physis ausgelegten Spielweise scheinen sich die Mitspieler gar aufzurichten.

"Dieser Typ ist ein Gewinner", findet Arsene Wenger

Kolasinacs Siegeswille ergänzt den mit Schönspielern gespickten Kader. Denn Arsenals feinen Fußballern fehlt oftmals die Zielstrebigkeit in ihren Kombinationen. Auf der linken Außenbahn kommt der bosnische Nationalspieler defensiv auch mal ohne die Unterstützung seines Vordermanns aus, was ihm die Akzeptanz bei den Angreifern einbrachte. Kolasinacs Laufstärke verschafft etwa Alexis Sanchez ungewohnte Freiheiten auf dem Platz. Die Spielfreude ist dem Chilenen, dessen Vertrag nach der Saison ausläuft, anzumerken.

Doch auch Kolasinacs technische Fertigkeiten sind nicht zu unterschätzen. Mit dem linken Fuß schießt er aus der Distanz und flankt gefühlvoll, in der laufenden Saison gelangen ihm drei Tore und drei Assists. Beim 2:1 gegen Swansea am vergangenen Spieltag erzielte Kolasinac den Ausgleich und leitete das Siegtor dazu mit einem Hackentrick ein. "Sead hat geliefert, als wir es nötig hatten. Das zeigt mir, dass dieser Typ ein Gewinner ist", sagte Wenger. Zuhause ist Arsenal dadurch weiter ohne Punktverlust in der Liga.

Selbst die Klubverantwortlichen sind von der Entwicklung des Linksaußen überrascht. Normalerweise benötigen Profis bei Arsenal eine Halbserie, um sich zurechtzufinden. Bei der Eingewöhnung kam Kolasinac zugute, deutschsprachige Profis um sich zu wissen. Im Spitzenspiel könnte Kolasinac gleich dem nächsten Weggefährten begegnen. Mit Citys Außenangreifer Leroy Sané spielte er zwei Jahre lang gemeinsam für Schalke. Das Wiedersehen der beiden dürfte eines in jedem Fall garantieren: gute Unterhaltung. Und vielleicht ist 90 Minuten später sogar die Liga wieder spannend.

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