Premier League:"Kein Problem. Ich mag deine Leidenschaft"

Lesezeit: 3 min

Gewohnt eskalierend: Jürgen Klopp sagt dem vierten Offiziellen seine Meinung. (Foto: AP)
  • Der FC Liverpool erkämpft sich nach einem Rückstand noch einen Punkt gegen Tabellenführer FC Chelsea.
  • Trainer Jürgen Klopp schreit nach einem gehaltenen Elfmeter gegen seine Mannschaft den vierten Offiziellen an. Der reagiert total gelassen.
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Von Christopher Gerards

Manchmal verdichten sich vier Wochen in einem bedrohlichen Gesichtsausdruck, Jürgen Klopp war am Dienstagabend das beste Beispiel. Es lief die 77. Minute an der Anfield Road, Liverpools Torwart Simon Mignolet hatte gerade einen Elfmeter von Chelseas Diego Costa pariert, da lief Klopp los. Er baute sich vor dem vierten Offiziellen auf, vor Neil Swarbick, die Augen weit aufgerissen. Seine Arme flogen durch die Luft, nur Zentimeter trennten ihre Gesichter, dann schrie Klopp los. Noch eine Grimasse, noch ein Schrei, ein Faustschlag in die Luft. Schließlich wendete Klopp sich ab.

Er habe kein Problem mit dem Elfmeter gehabt, hat der Liverpool-Trainer später gesagt, er hatte ja gesehen, dass Innenverteidiger Joel Matip im Strafraum Chelseas Diego Costa am Knie getroffen hatte. Klopp fand aber, dass seine Mannschaft vorher einen Freistoß hätte bekommen müssen, denn Costa hatte zuvor Dejan Lovren beim Spielaufbau gefoult. Also machte Klopp sich bei Swarbick Luft. "Ich sagte: 'Keiner kann uns schlagen.' Das ist natürlich nicht richtig, aber das war, was ich in dem Moment gesagt habe."

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Keiner kann Liverpool schlagen? Das galt zumindest für dieses 1:1 am Dienstag gegen den Tabellenführer aus London. Aber es ist auch so, dass die Reds ihrerseits lange niemanden mehr geschlagen haben, nicht Wolverhampton, nicht Swansea, nicht Sunderland und nun halt auch nicht Chelsea. Aus im Ligapokal, Aus im FA-Cup, nur ein Sieg in neun Spielen - in nur einem Monat erlebte Liverpool eine Menge Rückschläge. Klopp musste seine erste ernsthafte Krise in England moderieren, frühere Spieler wie Gary Lineker kritisierten ihn scharf. Doch wie Klopps Team nun gegen Chelsea auftrat, wie es sich zurück ins Spiel kämpfte, wie es sich wehrte gegen eine Niederlage - all das zeigte: Der FC Liverpool lebt. Er hat in den vergangenen Wochen nur unter seinen Verhältnissen gespielt.

Er sei glücklich über den abgewehrten Elfmeter, sagte Torwart Mignolet. "Aber das vorherrschende Gefühl ist Enttäuschung über das Unentschieden. Wir hatten drei Punkte verdient." Liverpool hatte Chelsea in den ersten 20 Minuten permanent durch aggressives Pressing in die Defensive gedrängt. Um sich zu befreien, schlugen Chelseas Verteidiger einen langen Ball nach dem anderen. Andererseits verteidigte das Team von Antonio Conte klug genug, um die Reds erst gar nicht in den Strafraum kommen zu lassen. Ein halbhoher Schuss von Georginio Wijnaldum in Richtung Tor - mehr Chancen hatte Liverpool zunächst nicht.

Stattdessen gelang Chelsea mit seinem ersten zielgerichteten Angriff das 1:0, es war ein kurioser Treffer. In der 24. Minute ruhte der Ball für einen Freistoß aus gut 25 Metern, Torhüter Mignolet sortierte noch die Mauer, da gab Schiedsrichter Mark Clattenburg den Ball bereits per Pfiff frei. Mignolet rückte in die Mitte des Tors und schaute auf die Spieler, die am Strafraum warteten. Er ruderte mit den Armen, die Abwehrspieler sollten vorrücken, Abseits provozieren. Noch während er dirigierte, lief Chelseas David Luiz an - und traf. Mignolet hatte es zu spät gesehen, und das einzige, was ihn entlastete, war die Tatsache, dass er den Freistoß womöglich auch dann nicht gehalten hätte, wenn er aufmerksamer gewesen wäre: Wuchtig flog der Ball an den Innenpfosten und von dort ins Tor. "Ich habe den Pfiff nicht gehört, und er schoss früh", erklärte Mignolet hinterher.

Es war ein Rückstand, der für die Mühen stand, die Liverpool mit Chelsea hatte. 66 Prozent Ballbesitz hatten die Reds in der ersten Halbzeit, aber gegen die Fünferkette des FC Chelsea kam Klopps Team kaum in den Strafraum. Es war ein Spiel aus Kopfbällen, Kopfbällen, Zweikämpfen, Kopfbällen und, ja, Zweikämpfen; voller Energie, aber auch voller Fehler und fast ohne Torchancen. Letztlich überwand Liverpool Chelsea mit einem einfachen, aber höchst effektiven Trick. Immer wieder spielte Kapitän Jordan Henderson in der zweiten Halbzeit lange Bälle auf den sogenannten zweiten Pfosten, wo Linksverteidiger James Milner immer wieder zum Kopfball hingelaufen war. In der 57. Minute passte das Szenario: Henderson flankte, Milner köpfelte in die Mitte, von dort sprang Wijnaldum in den Ball, schneller als alle Verteidiger - das 1:1.

"Wenn es einen Reset-Knopf gäbe, der es Liverpool erlaubte, einen Monat zurückzugehen - die Schlange, um ihn zu drücken, würde zwei Mal um den Stanley Park gehen", schrieb das Liverpool Echo. Der jüngste Spieltag aber steht sicher nicht für einen derartigen Reset-Knopf: Liverpools Konkurrent FC Arsenal verlor, Tottenham spielte nur unentschieden - Liverpool aber liegt weiterhin zehn Punkte hinter Chelsea, wenngleich als Vierter nur noch einen Punkt hinter dem Zweiten Tottenham. Jürgen Klopp trug allerdings ein Gedankenspiel vor: Wenn die Fans im Sommer eine Zeitmaschine hätten benutzen können, und wenn sie dann Ende Januar bei dieser Konstellation ausgekommen wären - sie hätten es akzeptiert, sagte Klopp in Anspielung auf den enttäuschenden achten Tabellenplatzierung der Reds in der Vorsaison.

Auch zu seiner turbulenten Begegnung mit dem vierten Offiziellen fügte er noch ein paar Sätze an. "Ich bin danach zu ihm gegangen und habe gesagt: 'Sorry, ich habe mit dir den Falschen angesprochen.' Er sagte: 'Kein Problem. Ich mag deine Leidenschaft.' Das habe ich noch nie von einem Offiziellen gehört vorher." Es war also, alles in allem, ein guter Abend für Jürgen Klopp und den FC Liverpool.

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