Premier League:José Mourinho - das Monster rührt sich wieder

Premier League: Himmel hilf: Keine feste, verlässliche Startelf, dafür Spott der Medien und ein Ibrahimovic, der nicht trifft. Bei Manchester United steht José Mourinho derzeit vor zahlreichen Baustellen.

Himmel hilf: Keine feste, verlässliche Startelf, dafür Spott der Medien und ein Ibrahimovic, der nicht trifft. Bei Manchester United steht José Mourinho derzeit vor zahlreichen Baustellen.

(Foto: AP)

Nach zehn Wochen bei Manchester United muss Trainer Mourinho seine erste Krise überwinden. Ausgerechnet gegen seinen Rivalen Pep Guardiola von Manchester City.

Von Javier Cáceres, Manchester

Mit der Tagesform braucht man Josep Guardiola vor bestimmten Spielen gar nicht erst zu kommen. "Hey! It's Manchester United! MAN!-CHES!-TER!- UNITED!", rief er am Dienstag, als er im Presseraum der Sportstadt von Manchester City saß. Am Mittwoch besucht sein Team zum zweiten Mal in dieser Saison Old Trafford, die Heimstatt von United, es geht um den Liga-Cup, der hinter Premier League, FA Cup, Champions und Europa League der unwichtigste Wettbewerb ist, den man bestreiten kann, wie Uniteds Trainer José Mourinho ätzte. Aber wer wirft schon einen Derby-Sieg weg, wenn er, dazu noch in einem K.-o.-Spiel, den Nachbarn noch ein wenig tiefer in Zweifel oder gar in eine definitive Krise stürzen kann?

Gut zehn Wochen ist die Saison nun alt, die Guardiola und seinen portugiesischen Kollegen José Mourinho in den englischen Nordwesten gespült hat, beide verarbeiten gerade parallel die Erfahrung, dass aller Anfang schwerer ist als gedacht. Guardiola, der am Mittwoch auf den wieder verletzten früheren Bundesliga-Profi Kevin De Bruyne verzichten muss, hat zwar seit nunmehr fünf Spielen nicht mehr gewonnen und vergangene Woche bei seinem früheren Verein FC Barcelona 0:4 in der Champions League verblüffend hoch verloren. Aber: Guardiola steht mit Manchester City an der Spitze der Premier League, punktgleich mit dem FC Arsenal und dem FC Liverpool, die ebenfalls bereits 20 Punkte gesammelt haben. Mourinho hingegen liegt mit Manchester United gleich sechs Punkte hinter den Branchenführern. Dazu hat auch er zuletzt ein 0:4 bei einem Ex-Klub verdauen müssen, am Sonntag beim FC Chelsea, und es besteht kein Zweifel daran, dass er damit einen viel größeren Albtraum zu deuten hatte als Pep nach seiner Rückkehr in die katalanische Hauptstadt.

Angeblich will Mourinho nun auch Wayne Rooney loswerden

"You're not special anymore", johlten die Chelsea-Fans - eine kleine, aber feine Anspielung an die legendäre, sehr unironische Selbstdefinition Mourinhos als "The Special One". Das Revolverblatt The Sun, das in der Vergangenheit Mourinho eher wohlgesonnen war, hat längst einen "LvG-v-José-Tracker" eingerichtet, eine Rubrik, unter der die Zahlen von Louis van Gaal (LvG) und José Mourinho gegenübergestellt werden. Nach neun Spielen der Saison 2015/16 hatte van Gaal bei United sechs Siege, ein Remis und zwei Niederlagen aufzuweisen. Mourinho steht nun bei vier Siegen, zwei Unentschieden und drei Niederlagen. Van Gaals Truppe hatte 15 Tore erzielt und sechs bekommen; Mourinhos Mannschaft kommt auf 13:12 Tore und 14 Punkte.

Auch die Experten treten zur Generalkritik an: Am Sonntag sei United gegen Chelsea "defensiv schrecklich und nach vorne so gut wie inexistent" gewesen, befand etwa der frühere englische Nationalstürmer Alan Shearer. "Mourinhos schlimmste Sorge ist, dass er immer noch keine Ahnung hat, welche seine beste Elf sein könnte." Was nur das widerspiegelt, was Old Trafford fordert: eine Revolution der Startelf.

Die Rufe, den seit einem Monat torlosen Mourinho-Jünger Zlatan Ibrahimovic auf die Bank zu setzen und den 18-jährigen Marcus Rashford einzusetzen, werden immer lauter. Doch alle Debatten führen zu dem Franzosen Paul Pogba, der gegen Chelsea dramatisch blass blieb, nur einen Ballkontakt im gegnerischen Strafraum verzeichnete, keinerlei Torgefahr ausstrahlte und das defensive Mittelfeld nicht stabilisierte. Das ist in Summe etwas wenig für einen Spieler, der im Sommer für mehr als 100 Millionen Euro bei Juventus Turin abgelöst und damit zum teuersten Spieler der Welt wurde. Aber das ist nicht die einzige Personaldebatte. Mourinho soll Kapitän Wayne Rooney, 31, signalisiert haben, sich nach einem neuen Klub umzuschauen, an dem früheren Dortmunder Henrikh Mkhitaryan käme er nicht mehr vorbei.

Mourinho will durch Eskapaden ablenken

Rooney spielt seit zwölf Jahren bei United, hat 532 Spiele bestritten und 246 Tore geschossen - drei weniger nur als die Vereinslegende Bobby Charlton. Eine Option ist für Rooney angeblich der chinesische Erstligist Shanghai SIPG, wo der ehemalige englische Nationalcoach Sven-Göran Eriksson Trainer ist und Rooney eine wöchentliche Lohntüte von über 500 000 Euro versprochen worden sein soll; allerdings würde er im Falle der Fälle wohl ein Engagement in der US-Liga MLS vorziehen. Mourinho wiederum würde gern die Abwehr verstärken und den Stürmer Antoine Griezmann (Atlético Madrid) holen.

Wie wenig Argumente er auf seiner Seite hat, scheint Mourinho längst zu ahnen, anders lassen sich die Vorgänge vom Wochenende gar nicht einordnen. Hinsichtlich der Kunst, durch exzentrische Eskapaden von Debatten über den Fußball seiner Mannschaften abzulenken, ist er der vielleicht größte Meister der Branche; am Sonntag war es wieder so weit. Nach dem 0:4 bei Chelsea näherte sich Mourinho festen Schrittes dem Chelsea-Trainer Antonio Conte und kaute diesem ein Ohr ab, weil er das Publikum angestachelt hatte.

"So was kannst du nach einem 1:0 machen. Bei 4:0 ist das eine Demütigung", raunte Mourinho dem verdutzten Conte zu, ein Mikrofon zeichnete die auf Italienisch dargebotene Suada auf.

Vielleicht gereiche der Eklat United sogar zum Vorteil, unkte am Dienstag der seriöse Guardian, beweise der Zusammenstoß mit Conte doch, dass "das Monster sich noch rührt". Gemeint war Mourinho, der zuletzt nicht mehr wie Mourinho gewirkt habe und nun einen Sieg dringend benötigt. Sollte er ihn gegen Guardiola feiern können, wird er den Ligapokal schon noch hochjazzen.

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