Premier League:Guardiolas Retourkutsche geht schief

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Dank eines Doppelschlags von Paul Pogba dreht Manchester United das Derby gegen City und verhindert einen Triumph des Lokalrivalen.

Von Sven Haist, Manchester

Nicht mal der Aufmarsch der Sicherheitskräfte konnte Paul Pogba aufhalten. Der teuerste Spieler im Aufgebot des Starensembles von Manchester United wollte bei den eigenen Fans etwas klarstellen. Also plapperte Pogba vor sich hin, gleichzeitig machte er eine verneinende Handbewegung. Das sollte ausdrücken: Bitte glaubt das Gerede nicht! Was die Leute stattdessen glauben sollten, war die Pose, als Pogba vor ihnen in Manier einer Überfigur die Arme in den Nachthimmel streckte.

Am Tag vor dem Stadtduell in der Premier League zwischen Manchester City und Manchester United war Pogba in eine verbale Auseinandersetzung geraten: Da hatte Citys Trainer Pep Guardiola auf der Pressekonferenz listig die Beleidigungen des Spielerberaters Mino Raiola gekontert, der ihn kürzlich als "Hund, Feigling und absolute Null" verunglimpft hatte. Entgegen der Etikette, die Namen offerierter Spieler nicht preiszugeben, plauderte Guardiola aus, ihm sei der von Raiola vertretene Pogba im Januar zum Kauf angeboten worden. Raiola wies das zwar zurück, aber diese Retourkutsche ließ den skrupellosen Agenten dilettantisch aussehen - und half Guardiola selbst aus den Schlagzeilen: Beim 0:3 im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen den FC Liverpool hatte sich der Coach mit der Aufstellung verspekuliert. Nachteil der Auseinandersetzung mit Raiola war, dass sie den Unmut des unschuldigen Pogba auslöste - und der am Samstagabend auf seine Art zurückschlug: mit zwei Toren innerhalb von 97 Sekunden. "Für unsere Fans wäre das wie der Tod gewesen, wenn City gegen uns zum Champion geworden wäre. Ich konnte das nicht passieren lassen", sagte Pogba.

Hauptdarsteller im Manchester-Derby: City-Trainer Pep Guardiola (links) und United-Profi Paul Pogba. (Foto: Russell Cheyne/Reuters)

Sein Coup beim 3:2 für Manchester United vermasselte Manchester City den ultimativen Triumph. Mit einem Erfolg über den zweitplatzierten Rivalen hätte sich City vor heimischer Kulisse als erster englischer Klub die Meisterschaft sechs Spiele vor dem Saisonende gesichert und zudem einen Uraltrekord von United eingestellt. Dem Rekordmeister gelang am 7. April 1956 der früheste Titelgewinn im englischen Fußball. Bei nun 13 Punkten Vorsprung muss City im besten Fall eine Woche warten, um amtlich zu machen, was seit dem 2:1 über United in der Hinrunde jedem insgeheim klar ist: die fünfte Meisterschaft der Vereinshistorie, die erste für Guardiola auf der Insel.

Wie ungeduldig dem Titel entgegengefiebert wird, drückte sich in den voreilig gezündeten blauen Rauchbomben aus. Nach den Führungstoren durch Vincent Kompany (25.) und Ilkay Gündogan (30.) legte City einen Kombinationsfußball auf den Rasen, der daran erinnerte, warum der Klub in der Premier League erst zweimal verloren hat. Im Stadion sorgte das für Festtagsatmosphäre, die freilich die Aufmerksamkeit der Spieler ablenkte: Beste Torchancen blieben ungenutzt.

Kuschelkurs: Pep Guardiola (li.) und United-Trainer José Mourinho. (Foto: Laurence Griffiths/Getty Images)

Der stolze José Mourinho erinnerte sein United-Team in der Halbzeit dann daran, nicht die Clowns zu geben in Citys Fußballzirkus. Dieser Adrenalinstoß wirkte, die Treffer von Pogba (53./55.) und Chris Smalling (69.) signalisierten, dass auch noch andere Mannschaften in der Premier League mitwirken. Das geriet oft in Vergessenheit, weil der designierte Meister die Konkurrenz bislang in Grund und Boden spielte. "Wir sind nicht so schlecht, wie die Leute denken. Die Profis sind nicht so schlecht, wie die Leute denken. Ich bin als Trainer icht so schlecht, wie die Leute denken", sagte Mourinho. Nach seinem fünften Erfolg im 21. Spiel gegen Guardiola gratulierte er mit einer Umarmung gönnerhaft zur bevorstehenden Meisterschaft. Mit den drei Toren seiner Mannschaft in 16 Minuten hatte er seinem ärgsten Rivalen im Fußball bereits genug Schaden zugefügt.

Zum ersten Mal in seiner knapp neun Jahre währenden Trainerkarriere kassierte Guardiola in zwei aufeinander folgenden Partien mit seinem Team drei Gegentore. Die Schwächen in der Verteidigung, die sich in den Duellen gegen Liverpool und ManUnited offenbarten, trägt der neureiche Klub allerdings schon länger mit sich herum. Bisher gelang es aber, die Mängel der Abwehrspieler durch die dominante Spielweise mit etwa 70 Prozent an Ballbesitz zu kaschieren.

Die absteigende Formkurve bei City ist seit der Weihnachtszeit zu beobachten. Außer dem FC Barcelona geht kein anderes europäisches Spitzenteam derart verschwenderisch mit den eigenen Ressourcen um. Im Versuch, die Liga jede Woche an der Nase herumzuführen und zu bestätigen, dass seine Spielidee auch in England funktioniert, hat Guardiola neun Stammspieler in dieser Saison häufiger als 40 Mal eingesetzt. Einige Leistungsträger am Wochenende für das Rückspiel in der Königsklasse am Dienstag zu schonen, dürfte nun zu spät gekommen sein. Mit dem FC Liverpool trifft City auf einen Gegner, dessen deutscher Trainer Jürgen Klopp sein Personal ohne Ausnahme durchgewechselt hat.

© SZ vom 09.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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