Premier League:Guardiolas neue Liebe zu Jesus

*** BESTPIX *** Manchester City v Swansea City - Premier League

Gabriel Jesus (rechts) feiert mit Pablo Zabaleta sein Tor gegen Swansea City.

(Foto: Alex Livesey)
  • Gabriel Jesus kam erst im Winter zu Manchester City, hat aber bereits Sergio Aguero aus der Startelf verdrängt.
  • Der Ex-Bayern-Spieler Zé Roberto schwärmt vom Talent aus Brasilien.
  • Der schnelle Wechsel zeigt, dass Pep Guardiola an seiner Version von Manchester City bastelt.

Von Tim Brack

Weder Ruhm noch die Aussicht auf Trophäen bestimmen den Fußball. Die Liebe tut es - zumindest in der Weltanschauung von Pep Guardiola. "In meinem Leben und mit meiner Arbeit strebe ich in Wirklichkeit keine Titel an, ich suche Liebe, nichts mehr", sagte der Trainer während seiner Zeit beim FC Bayern. Die Emotion ist nach seiner Ansicht für verschiedenste Handlungen im Fußball verantwortlich. "Oft fühlt sich ein Spieler schlecht, weil er denkt, dass der Trainer ihn nicht mag, und nicht, weil er nicht spielt", sagte Guardiola.

Ein Spieler, der sich gerade schlecht fühlt, ist Sergio Agüero, Stürmer unter Guardiola bei Manchester City. Der 28-Jährige dürfte sich derzeit fragen: Where is the love? In der vergangenen Saison schoss der Argentinier 24 Tore, in dieser bereits elf. Fans, Trainer und so manch ein Gegner huldigten dem Angreifer. Doch seit einiger Zeit ist er nicht mehr unumstritten bei Guardiola, die vergangenen beiden Spiele begann er auf der Bank. Liebesentzug. Die Misere des einstmals Unersetzlichen hat seit Januar einen zusätzlichen Grund: Gabriel Jesus (gesprochen "Schesuss").

Der 19-jährige Brasilianer kam im Januar von Plameiras São Paolo nach Manchester und begann sofort, Argumente für sich (oder auch gegen Agüero) zu sammeln. In seinen ersten drei Premier-League-Partien erzielte der Straßenkicker aus Jardim Peri drei Tore. Gegen Swansea City gelang ihm ein Doppelpack, inklusive Siegtreffer in der Nachspielzeit. Selbst für ein so großes Talent ein unerwartet furioser Start. Um ihn überhaupt nach Manchester zu locken, musste Guardiola den FC Barcelona und Neymar ausstechen. Mit dem Barcelona-Angreifer kickt Gabriel Jesus in der Seleção, hat sogar das gleiche Tattoo wie der 24-Jährige. In brasilianischen Medien wurde er schon der "neue Neymar" getauft.

Der Manchester-Trainer musste also selbst einschreiten, um das Balzen um das brasilianische Talent zu gewinnen. "Guardiolas Anruf hatte einen großen Anteil daran, dass ich dorthin gegangen bin", sagte Gabriel Jesus dem Guardian nach seiner Ankunft in Manchester. "Ich habe gemerkt, dass ich gerne mit ihm arbeiten würde." Beide pflegen einen ähnlichen Arbeitsethos. "Ich bin nicht daran interessiert, rumzuhängen oder feiern zu gehen. Für mich geht es immer nur um den Platz: trainieren, spielen. Selbst wenn ich nach Hause gehe, dreht es sich die ganze Zeit um Fußball. Ich glaube, ich bin besessen."

Diesen Charakterzug bestätigte einer seiner Mitspieler, der vermutlich zu den professionellsten Brasilianern überhaupt zählt: Der Ex-Bayern-Spieler Zé Roberto. "Er ist ein junger Spieler mit sehr viel Talent. Aber was ihn außergewöhnlich macht, ist sein Fokus. Er kümmert sich nicht um Real Madrid und Barcelona; sein tägliches Ziel ist es, sein Spiel zu perfektionieren", sagte Zé Roberto. "Du sieht heutzutage nicht mehr viele Jungs mit dieser Einstellung."

Guardiola tüftelt an seiner Vision von Manchester City

Es ist also kaum verwunderlich, dass Guardiola nur Gutes zu berichten wusste, als er nach dem Sieg gegen Swansea nach dem Brasilianer gefragt wurde, der dafür bekannt ist, sich auch in der Defensive aufzuopfern. Fragen zu Agüero waren dem Manchester-Trainer dagegen ganz offensichtlich nicht so lieb. Wie die Reaktion des Argentiniers darauf war, dass er auf der Bank saß? "Sie war perfekt. Perfekt. Machen Sie sich darum keine Sorgen", erwiderte der Katalane mit Nachdruck - und vorgeschobenem Unterkiefer.

Auch in Manchester reagiert Guardiola auf kritische Fragen zu Spielern mit seinen Superlativ-Mantras. Dabei zeigt die überraschend schnelle Installierung von Gabriel Jesus, dass der 46-Jährige nicht alle Spieler "super, super" findet und fleißig an seiner Vision von Manchester City tüftelt. Sein Problem: Im aktuellen Kader gibt es wenige Spieler, die für die Idee vom Ballbesitz-Fußball gemacht sind. Ilkay Gündogan wäre zwar einer, doch der deutsche Nationalspieler fällt mit einem Kreuzbandriss wahrscheinlich noch bis Sommer aus.

Für das zentrale Mittelfeld reaktivierte Guardiola sogar Yaya Touré, mit dem er ein mehr als schwieriges Verhältnis pflegt seit der gemeinsamen Zeit in Barcelona. Der kantige Mittelfeldspieler stand seit Ende November elf Mal in der Startelf. Das zeigt, dass Guardiola zum Pragmatismus gezwungen ist. Zudem fehlt dem in München und Barcelona als schlauen Taktiker verehrten Guardiola die Anerkennung im englischen Hau-Ruck-Fußball. Und obwohl es manchmal noch holpert (City verlor unter anderem gegen den FC Everton 0:4), sieht es in der Tabelle für Manchester so gut aus wie seit dem zehnten Spieltag nicht mehr. Mit einem Sieg beim AFC Bournemouth könnte City auf Platz zwei springen und zum ersten Verfolger des FC Chelsea werden.

Neben Gabriel Jesus und Raheem Sterling wird in der ersten Angriffsreihe höchstwahrscheinlich ein anderer Liebling Guardiolas starten: Leroy Sané. Seit seiner Rückkehr von einer Muskelverletzung im Januar ist er eine neue Konstante, um die bulligen Verteidigungskolonnen der Premier-League mit schnellen Antritten aus der Bahn zu werfen. In den vergangenen drei Spielen stand der 21-Jährige in der Startelf, zweimal neben Gabriel Jesus. Nur zwei Jahre trennen die beiden. Sie sind Guardiolas Liebeserklärung an die Zukunft, in der dann womöglich keine Liebe mehr für Sergio Agüero übrig ist.

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