Premier League:Guardiola geht jetzt in die Kurve

Celtic Glasgow vs Manchester City

Klatschend in die Kurve: Pep Guardiola bei Manchester City.

(Foto: dpa)

Der neue Trainer verändert bei Manchester City radikal den Blick auf das Fußballspiel - auch er selbst hat sich weiterentwickelt.

Von Sven Haist, Manchester/München

Pep Guardiola lehrt den Profis von Manchester City gerade den etwas anderen Blick auf ein Fußballspiel. An der Seitenauslinie steht Rechtsverteidiger Pablo Zabaleta bereit zum Einwurf, aber Zabaleta findet keinen Mitspieler, dem er den Ball in den Fuß werfen kann. Nebenan hält sich Guardiola in der Trainerzone auf und wendet seine Gedanken lieber Fernandinho zu - statt den missratenen Laufwegen im Angriff. Fernandinho bewacht den Raum vor der Abwehrkette im Zentrum des Feldes. Bloß möchte der katalanische Fußballlehrer ihn da nicht haben.

Guardiolas Verständnis fürs Spiel sagt ihm, dass sich der defensive Mittelfeldspieler besser seitlich versetzt hinter dem Einwerfenden positionieren soll. So könnte der Brasilianer einem möglichen Ballverlust sofort nachgehen und, falls seine Mitspieler mit Kurzpässen keinen Ausweg aus der Situation finden, als Anspielstation den Ball auf die entlegene Seite befördern.

Ein paar Spielsequenzen später gibt es einen Eckball für City. Guardiola verschiebt an der Mittellinie mit Handzeichen den Standpunkt von Gael Clichy um Nuancen. Genau dieser Clichy ist es, der den Ball nach der abgewehrten Offensivaktion als erstes kontrolliert und den nächsten Versuch einleitet, um doch noch aus dem 3:3 in Glasgow ein 4:3 zu machen. Vergeblich.

Durch das Unentschieden in der Champions League verpasste City die Einstellung eines uralten Startrekords auf der Insel. Diese Statistik hatte Guardiola aber ohnehin keines Blickes gewürdigt. Am Sonntag gastiert Tabellenführer ManCity an der White Hart Lane beim Zweiten Tottenham Hotspur (15.15 Uhr) - das interessiert ihn.

Zwei Rekorde verpasst innerhalb einer Woche

Allerdings: Wird ihm auch die Aufarbeitung noch länger zusetzen. Ohne den verletzten Kevin De Bruyne hat Guardiola mit Manchester City die erste Saisonpleite in der Premier League hinnehmen müssen. Bei Tottenham Hotspur verlor sein Team am Sonntag verdient mit 0:2 (0:2). Manchesters Aleksandar Kolarov leitete die Niederlage mit dem frühen Eigentor in der 9. Minute ein. Tottenhams Dele Alli (37.) sorgte für den Endstand. City-Torwart Claudio Bravo parierte in der 65. Minute noch einen Strafstoß von Erik Lamela.

Guardiola verpasste durch die Niederlage einen weiteren historischen Rekord: Er hätte der erste Premier-League-Trainer werden können, der seine ersten sieben Spiele gewinnt. In der Tabelle bleibt Manchester City aber weiter an der Spitze. Direkt dahinter steht Tottenham, das nun als einziges Team in der Liga noch ungeschlagen ist.

Gegen Pochettino verlor Guardiola schon in Barcelona

Das Wiedersehen mit Mauricio Pochettino, dem Wegweiser der Spurs, beschäftigte Guardiola, 45, schon lange, weil der ihn Anfang 2009 mit Espanyol Barcelona mehrmals geärgert hat. Bei seinem Trainerdebüt gelang Pochettino ein 0:0 im Pokal, in der Primera Division gar ein 2:1 gegen den FC Barcelona. Wohlgemerkt war es damals die erste Niederlage für Guardiolas Ensemble nach sechs Monaten.

Pochettino hatte sich die List überlegt, die Spieler Barcelonas schon an deren Strafraum in Manndeckung zu attackieren. So schaffte es ebenfalls Celtic am Mittwochabend, die im europäischen Spitzenfußball eher durchschnittlich besetzte Abwehr Citys in Verlegenheit zu bringen. "Mauricio gehört zu den besten Trainern der Welt", sagt Guardiola. "Die Spurs spielen aktiv statt reagierend. Sie sind Protagonisten und wollen den Ball." Nach dem Derby of Manchester war es für City der zweite Höhepunkt dieser Saison. Zuletzt ging es vorrangig gegen Teams am anderen Ende der Tabelle, deren Ehrfurcht auf dem Platz in Tatenlosigkeit überging.

Guardiola hilft mit seinen Gesten

In diesen Fällen entblößte sich City früher, weil die Spieler abgesehen von ihren individuellen Fertigkeit keine Idee hatten, einen destruktiven Konkurrenten auseinanderzunehmen. Guardiola hat zunächst die Positionierung auf dem Feld verändert. In Ballbesitz halten sich die Profis in vorgegebenen Räumen auf, so dass sich um den Ballführenden herum genügend Möglichkeiten zur Weitergabe des Spielgeräts befinden.

Guardiola nimmt keine Rücksicht aufs Establishment

Die Bindung zueinander vereinfacht das Angreifen, die Richtung der Kombinationen kann jederzeit eine Wendung erfahren. Gerade die offensiven Mittelfeldakteure im Zentrum halten sich weitaus näher am gegnerischen Tor auf als unter Guardiolas Vorgänger Manuel Pellegrini. Mangels Vorgaben herrschte dort eine Freizügigkeit, die dafür sorgte, dass City sich nach den Launen der Individuen übers Feld bewegte. Die Profis standen sich am Mittelkreis auf den Füßen, passten zur Seite und nicht nach vorne. Zu diesem Establishment gehörte Yaya Toure, der nach Guardiolas Ankunft umgehend seinen Stammplatz hergeben musste. Lethargie und Selbstgefälligkeit sind dann in bemerkenswerter Schnelligkeit abgestellt worden. Guardiola fordert das penetrant ein und scheut sich selbst vor Anweisungen an Citys besten Angreifer Sergio Aguero nicht.

City greift jetzt gemeinsam an. Gerät das Ensemble doch mal aus dem Rhythmus, helfen die Gesten von Guardiola. Die neue Struktur trägt dazu bei, dass City die Anfälligkeit für Missgeschicke erst einmal verloren hat. Gegnerische Konter lassen sich aufgrund der hohen Anzahl an Spielern am Ort des Ballverlustes schon im Anfangsstadium unterbinden. Guardiola legt Wert darauf, die Feldmitte nie vereinsamt zu lassen.

Die Menschen rufen seinen Namen, daran ändert auch die Niederlage nichts

Die jeweilige Spielstrategie hat Guardiola den Stärken seines Teams angepasst. Nicht selten hält sich Flügelspezialist Raheem Sterling näher an der Seitenlinie auf als sein Doppel auf der anderen Seite. Meist verhilft ihm das schon bei der Ballannahme zu einem Zeitvorsprung, weil der Gegenspieler einen weiteren Weg zu ihm hat.

Auch im Verhalten abseits der 90 Spielminuten hat bei ManCity ein Wandel eingesetzt. Guardiola ist auf die Sterilität und Anonymität des Klubs gestoßen und versucht - beeinflusst wohl durch seine Tätigkeit beim FC Bayern -, das Verhältnis zu den Fans zu stärken. Das führt sogar so weit, dass sich Guardiola Beifall klatschend mit seinen Spielern nach Abpfiff zum Fanblock begibt. Dort eröffnet sich sogar ihm ein neuer Blickwinkel auf den Fußball. Als Gegenleistung erhält Pep Guardiola neben der fachlichen Wertschätzung eine persönliche: die Menschen rufen seinen Namen. Auch die erste Saisonniederlage wird daran nichts ändern.

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