Premier League:Feuern? Entlassen? "Manchmal mache ich das selbst!"

Premier League: Manchester United-Trainer Louis van Gaal.

Manchester United-Trainer Louis van Gaal.

(Foto: AP)

Louis van Gaal verliert mit Manchester United zum vierten Mal in Serie und spricht nach dem 0:2 bei Stoke selbst von einer möglichen Trennung.

Von Sven Haist, Stoke

Passend zum Boxing Day, dem englischen Fußball-Feiertag am zweitzzezn Weihnachtsfeiertag, verkleidete sich ein Fan von Stoke City als schwarzes Trainergespenst. Seinem Gesicht stülpte er eine José-Mourinho-Maske über und platzierte sich direkt hinter der Ersatzbank von Manchester United. In seiner Hand hielt der Zuschauer ein selbstgebasteltes Entlassungspapier für ManUniteds Trainer Louis van Gaal. Die Fernsehkameras stürzten sich auf dieses Bild, nachdem sie zuvor vergeblich nach Ed Woodward gesucht hatten. Der Vize-Vorsitzende des englischen Rekordmeisters trägt die Verantwortung im sportlichen Bereich, und nach dem 0:2 bei Stoke City steht fest, dass sich entweder die Spielausrichtung oder der Trainer im roten Teil Manchesters ändern muss.

Übernimmt Mourinho? Direkt? Am Montag geht es gegen Chelsea

Schon seit Tagen wabert der Name Mourinho über Old Trafford, und Gerüchten zufolge scheint der Portugiese einem Engagement im Nordwesten Englands nicht abgeneigt zu sein. Einst ging Mourinho als Übersetzer beim FC Barcelona in die Trainerschule des Niederländers van Gaal. Ironie der Geschichte: Sollte er nun seinen Lehrmeister kurzfristig beerben, könnte er gar am Montagabend bei seinem Debüt auf den alten Arbeitgeber FC Chelsea treffen.

Diesem paradoxen Szenario hat van Gaal nach der vierten aufeinander folgenden Niederlage die Tür geöffnet: "Der Verein muss mich nicht immer feuern oder entlassen. Manchmal mache ich das selbst." Er wolle nun erst mal mit dem Vorstand, dem Trainerstab und den Spielern sprechen - nicht mit den Medien. Vor einiger Zeit sprach van Gaal noch über mögliche Meisterschaftschancen, dann purzelten die Red Devils von Rang eins liegend die Tabellenpositionen herunter. Der aktuelle Zwischenstand - Platz sechs, Tendenz fallend - berechtigt sie nicht mal mehr für die Qualifikation zur Europa League.

Er wollte seine Karriere 2017 beenden - wenn der Vertrag bei United ausläuft

Das Ausmaß der Talfahrt lässt sich am besten daran ermessen, dass es zuletzt vor 27 Jahren bei ManUnited sieben Pflichtspiele hintereinander ohne Erfolg gab. Daraufhin wandten sich die Anhänger Uniteds mit einem Plakat an den zuständigen Trainer Alex Ferguson: "Drei Jahre lang Entschuldigungen und wir sind immer noch Mist!" Van Gaal kam nach dem Abpfiff im Britannia Stadium auf dem Weg in die Kabine besser weg als sein Vor-Vorgänger. Es gab zarten Beifall für ein Team, dem zuletzt in 16 Partien gerade mal 14 Treffer gelungen waren. "Wir haben uns nicht getraut, in der ersten Halbzeit Fußball zu spielen", sagte van Gaal, der den "besonderen Druck" als Erklärung für die Verunsicherung seiner Mannschaft ausmachte. Das sture Festhalten am selbst entworfenen Positionsspiel engte seine Akteure ein. Der FC Bayern stellte das einst nach 641 Tagen fest und befreite seine Mannschaft aus der Umklammerung des 64-Jährigen. Beim Branchengiganten aus Manchester könnte das nun sogar schneller gehen - trotz van Gaals laufendem Vertrag bis zum Sommer 2017. Dann erst, hatte van Gaal stets erklärt, wolle er seine Karriere beenden.

Symbolisch hatte Kapitän Wayne Rooney vor der Partie seinem Chef den Rücken gestärkt. Zum Dank setzte der ihn erstmals freiwillig in einer Meisterschaftspartie aufgrund taktischer Gründe auf die Bank. "Es war die richtige Wahl, sonst hätte ich es ja nicht gemacht", verteidigte sich van Gaal später - nachdem er den missglückten Plan zur Halbzeit korrigiert hatte, weil die offensive Gedankenarmut zu groß geworden war. Dieser Angriffsvirus begleitet van Gaal durch seine Amtszeit. In Stoke kam dazu, dass der Wind ebenso die eigene Abwehr auseinander wirbelte, was Bojan Krkic (19.) und Marko Arnautovic (26.) in Tore ummünzten. Stoke City hat damit drei der vier englischen Champions-League-Teilnehmer geschlagen und klopft nach einem schlechten Saisonstart selbst an den internationalen Plätzen an.

Während Arnautovic beim Torjubel seine Hände zu einem Herz formte, offenbarten die Stirnfalten van Gaals Fassungslosigkeit. Neben ihm assistierte Ryan Giggs; beide wirkten wie zwei Personen, die miteinander fremdeln. In der zweiten Halbzeit war eine sichtbare Leistungssteigerung zu erkennen, aber auch die Problematik, woran das Spiel von ManUnited gerade am meisten krankt: an fehlender Qualität. Abgesehen von Rooney hätte van Gaal lediglich Defensivakteure einwechseln können. Die Fehlkalkulation in der Kaderplanung gehört mitunter zum größten Versäumnis van Gaals. Assistiert von Woodward, tauschten sie mit der Verjüngung des Kaders das furchteinflößende Image des Klubs aus.

"Kann irgendeiner Louis van Gaal retten?", fragt die Times

Mit einer Wuttirade auf die Medien versuchte van Gaal am vergangenen Mittwoch diese Waffe wiederzubeleben. Nach vier Minuten und 57 Sekunden beendete er selbstständig mit einem "Goodbye" die Pressekonferenz und verlangte eine Entschuldigung für die Spekulationen über seine Zukunft als Trainer. Umgehend verhöhnte ihn die Boulevardzeitung Sun auf der Titelseite "Sorry für all die Niederlagen! Sorry für das Aus in der Champions League!" , die Times fragte spöttisch: "Kann irgendeiner Louis van Gaal retten?"

"Ich bin ein Teil der Mannschaft, die vier Spiele verloren hat. Ich weiß, dass die Leute auf mich gucken, damit habe ich mich arrangiert", erklärte van Gaal nun und ergänzte: "Wir haben einen schrecklichen Negativlauf. Es fühlt sich schlimm an und schmerzt ungemein."

Die Pleite in Stoke hat die Klubverantwortlichen erst einmal zum Schweigen gebracht. Van Gaal selbst sagt über seine Aussichten bei Manchester United: "Wartet ab!"

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