Premier League:Chelsea ist plötzlich unbesiegbar

Chelsea FC vs Tottenham Hotspur

Chelseas Pedro: Derzeit viele Gründe zum Jubeln

(Foto: dpa)

Von Sven Haist, London

Auf sein Jubiläum als Spielführer des FC Chelsea musste John Terry selbst verweisen. Im Dezember 2001 machte Claudio Ranieri den damals 20 Jahre jungen Nachwuchsprofi im Premier-League-Spiel gegen Charlton Athletic (0:1) zum Kapitän, seitdem sind 574 Einsätze im obersten Amt hinzugekommen. Dieser Tag des Einstands jährte sich am vergangenen Montag zum 15. Mal. Zum Anlass kramte Terry seine Kollektion an Kapitänsbinden aus dem Archiv und modellierte die Armbänder am Boden zur Zahl 26, seiner Trikotnummer beim FC Chelsea. Dieses Bild schickte die Vorzeigefigur des Vereins über die Verbreitungswege der sozialen Netzwerke um den Globus. Sonst wäre der Termin - wie sein Geburtstag zwei Tage später - wohl noch untergangen im dichten Kalender des Profifußballs.

Mit muskulären Problemen plagt sich der Jubilar Terry, 36, gerade herum, aber seine Abwesenheit sorgt nicht mehr wie vor 15 Jahren für Spekulationen in den englischen Medien. Die Gesprächsthemen gehen schlicht an seiner Person vorbei. Die Blues haben sich emanzipiert vom letzten Überbleibsel aus der Generation um Frank Lampard, Didier Drogba, Petr Cech und dem Trainer dieser Spieler, José Mourinho. Einen menschlichen Nachfolger für diese Generation gibt es nicht. Den neuen FC Chelsea repräsentiert nun ein Spielsystem.

Chelseas neuer Trainer Conte bricht mit der alten Chelsea-Struktur

Die Premier League lernt gerade eine Zahlenfolge kennen, die im Sommer noch jeder in England für einen Zahlendreher gehalten hat: 3-4-3. Die Idee entstand in einem sportlich düsteren Moment für Chelsea, als die Mannschaft des neuen Trainers Antonio Conte zur Halbzeit 0:3 zurück lag. Und das im Derby of London beim FC Arsenal, damals im September. Der Klub rutschte ab auf den achten Rang in der Tabelle, acht Punkte hinter dem damaligen Spitzenreiter Manchester City.

Nachdem Conte am Seitenrand von seinem Team immer weiter in den Wahnsinn getrieben wurde, hatte der zerzauste Fußballprofessor in der 55. Spielminute einen Einfall: Die Einwechslung von Marcos Alonso für Cesc Fabregas beendete einen Zerfall, der mit dem Meisterschaftsgewinn im Sommer 2015 einsetzte. Conte bemerkte, dass die Profis der alten Struktur mit einer Viererkette und zwei defensiven Mittelfeldspielern leid waren, die einst Mourinho dieser Mannschaft auftrug. Mit der Einwechslung von Marcos Alonso drehte sich die Saison für die Londoner: Der FC Chelsea ist jetzt Spitzenreiter mit acht Siegen hintereinander bei lediglich zwei Gegentoren.

Die Liga arbeitet sich inzwischen ab an Chelseas neuer Unbesiegbarkeit. Einmal probierte es Ronald Koeman mit dem FC Everton in derselben Systematik gegen die Blues - und verlor 0:5. Die am meisten Erfolg versprechende Variante für die Konkurrenz ist derzeit, selbst mit viel Personal und weit vorne auf dem Feld zu attackieren. So wie das zuletzt die Tottenham Hotspur und Manchester City versucht haben. Am Sonntag probiert sich mit West Bromwich Albion (13 Uhr) das nächste in Team in der Fahndung nach einer Schwachstelle.

Angreifer Costa blüht unter Conte wieder auf

Antonio Conte coacht die Laufwege seiner Stars genauso penetrant wie sein Vorgänger, bloß darf sich Feingeist Eden Hazard auf dem Feld zentraler und weiter vorne aufhalten. Unter Mourinho hatte der belgische Flügelspieler die linke Seite zu bearbeiten, meist gar soweit zurückgezogen, dass er einem Außenverteidiger ähnelte. Bei Hazard stieß das auf Abneigung; seinen kongenialen Partner Diego Costa trieb die Anordnung in die Isolation. Der einzige Angreifer war Schachmatt gesetzt. Die Enttäuschung offenbarte sich in kleineren und größeren Bosheiten mit Gegenspielern.

Costas Temperament haben die jüngsten Erfolge eingebremst. Die unliebsame Defensivarbeit übernehmen für Hazard nun der linke Läufer Alonso und sein Gegenpart auf rechts Victor Moses. Die drei-Mann-Verteidigung um den mittleren Wachmann David Luis wird dann zur Fünferkette. Platz für Durchlässigkeit existiert nur mehr in der Theorie.

Zu den distanznahen Beobachtern des Laufs aus dem Tabellen-Mittelfeld nach ganz oben gehört John Terry. Seine Verdienste um den Verein sind wahrlich unbestritten, aber nach 18 Dienstjahren beim FC Chelsea ist das Ende nicht mehr zu ignorieren. Gegen ManCity klatschte Terry schon mal von der Tribüne aus Beifall. Auf dem Platz wird der Mann mit den vielen Kapitänsbinden derzeit nicht benötigt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: