Präsidentenwechsel beim WM-Gastgeber:Auf den Krebs folgt die nächste Krankheit

Nicht nur der frühere Fußball-Held und Abgeordnete Romário feiert in Brasilien den Rücktritt des Affären-Funktionärs Ricardo Teixeira. Vor der WM 2014 im eigenen Land gibt es viel zu tun: Das Team schwächelt, das Verhältnis zur Fifa ist gestört und die Vorbereitungen auf das Großereignis verlaufen schleppend - Teixeiras Nachfolger will jedoch gar nichts ändern.

Peter Burghardt

Früher war Romário de Souza Faria im Strafraum schlagfertig, bis 2008 hat der Brasilianer nach eigener Rechnung 1000 Tore geschossen. Inzwischen sitzt der vormalige Nationalstürmer für die Sozialistische Partei im Parlament von Brasilia und beäugt die Skandale des nationalen Fußballverbandes CBF, 2014 Gastgeber der WM. Romário war 1994 Weltmeister, als dort Ricardo Teixeira regierte, seinerzeit noch Schwiegersohn des damaligen Fifa-Granden João Havelange.

Ricardo Teixeira, president of the Brazilian Football Confederati

Offiziell aus Gesundheitsgründen zurückgetreten: Ricardo Teixeira

(Foto: dpa)

Den Rücktritt des mutmaßlichen Kleptomanen Teixeira am Montag beging der Abgeordnete so aufgeweckt wie einst seine Treffer. "Heute können wir feiern", verkündete Romário alias Baixinho, der Kleine. "Wir haben einen Krebs des brasilianischen Fußballs ausgerottet." Allerdings ahnt auch er, dass die neue Krankheit nicht wesentlich gesünder sein könnte.

Der Krebs war seiner Meinung nach Teixeira, der nach 23 Jahren als Patron des CBF und Organisationschef der WM aufgab. Vergangenen Donnerstag hatte er bereits eine Auszeit beantragt und seinen Platz für Vize José María Marin geräumt, offiziell aus Gesundheitsgründen. Teixeira, 64, zog in sein Ferienhaus nach Miami, um sich zu erholen, vor allem aber, um der heimischen Justiz zu entkommen.

Unter anderem soll er bei einem Freundschaftsmatch 2008 zwischen Brasilien und Portugal kräftig die Staatskasse geschröpft haben, offenbar gemeinsam mit seinem Partner Sandro Rosell, mittlerweile Präsident des FC Barcelona. Wie Fifa-Boss Joseph Blatter, zuvor sein Amigo, hatte sich auch Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff von ihm abgewandt, sie mistet in korrupten Ministerien und Institutionen aus. Da wurde es für Teixeiras Flucht höchste Zeit, derweil der Streit mit der Fifa blüht.

Unter der Sonne Floridas wollen Teixeira und seine Kumpane Gras über ihre gesammelten Affären wachsen lassen. "Ich verlasse die Präsidentschaft des CBF in der Überzeugung, eine Mission erfüllt zu haben", ließ Teixeira in Rio de Janeiro seinen Nachfolger Marin vorlesen. "Es ist nicht leicht, Passionen vorzustehen. Der Fußball ist in unserem Land mit zwei Assoziationen versehen: Talent und Desorganisation. Wenn wir gewinnen, dann wird das Talent gerühmt. Ich wurde nach Niederlagen kritisiert und nach Siegen unterschätzt."

In Teixeiras Amtszeit eroberte die Selecão zwei Titel und wurde Hausherr des Turniers 2014, weitere Feldzüge fanden neben der Grasnarbe statt. Teixeira soll auch Schmiergeld in Millionenhöhe vom Fifa-Vermarkter ISL kassiert haben und war maßgeblich an Brasiliens Vertrag mit dem Ausrüster Nike beteiligt - dessen zuständiger Manager seinerzeit Rosell war, der Geschäftspartner von heute. Teixeiras Verschwinden sei ein Sieg für die Bevölkerung und für Staatschefin Rousseff, findet Kolumnist Juca Kfouri von der Zeitung Folha de São Paulo. "Jetzt öffnet sich die Perspektive für eine transparentere WM."

Der Medaillen-Dieb

Ohne Teixeira will Brasilien die Auswahl wieder in Schwung bekommen und das Verhältnis zum Weltverband Fifa glätten, da ist einiges in Unordnung geraten. Fifa-Generalsekretär Jerôme Valcke pöbelte, die Brasilianer bräuchten "einen Tritt in den Hintern", weil sie bei der Vorbereitung so spät dran seien. Angesichts der brasilianischen Empörung musste er sich entschuldigen und seine für diese Woche geplante Inspektionsreise absagen. Blatter wird am Freitag zum Krisengipfel bei Staatspräsidentin Dilma Rousseff erwartet.

Selbst besser erzogene Beobachter als Valcke haben den Eindruck, dass die Gastgeber beim Bau von Stadien und vor allem Flughäfen, Hotels und Straßen im Rückstand sind. Auch wenn Sportminister Aldo Rebele gerade mitteilte, alles sei im Plan. Man vertraut dem jeito, Brasiliens Improvisations- und Lebenskunst. Nun führt Teixeiras Stellvertreter Marin das Wort, doch von Zeitenwende kann keine Rede sein. Er nennt seine Ernennung "eine Fortsetzung der Arbeit, die Teixeira gemacht hat".

Fortsetzung? Das klingt bedrohlich, angesichts der Vetternwirtschaft in der Confederacão Brasileira de Futebol. Als Zierde hatte sich Teixeira die Volkshelden Ronaldo und Bebeto ins WM-Organisationskomitee geholt, Marin will sie behalten, wobei er zum Einstand Ronaldo mit Romário verwechselte.

Marin, 79, war São Paulos Gouverneur während der Militärdiktatur. Zuletzt fiel er auf, als er bei einem Jugendturnier eine nicht für ihn bestimmte Medaille mitgehen ließ, offenbar ein Reflex brasilianischer Sportfunktionäre. "Ich hoffe, dass Marin, der die Medaille des Spielers von Corinthians bei der Copa São Paulo klaute, sowas nicht zur Regel beim CBF macht", spottete Romário.

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