Präsidentenwahl bei der Fifa:Kandidat der alten Schule

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Der Deutsche Fußball-Bund hat sich festgelegt: Der Schweizer Rechtsanwalt Gianni Infantino soll neuer Präsident des Fußball-Weltverbandes werden - obwohl es gegen die Bewerbung des 45-Jährigen, die alles andere als makellos ist, auch Vorbehalte gibt.

Von Thomas Kistner, München

Die Lage ist unübersichtlich an der Kandidatenfront für den Wahlkongress des Fußball-Weltverbandes Fifa am 26. Februar. Aber nicht für den Deutschen Fußball-Bund. Der rührt schon fleißig die Trommel für Gianni Infantino, den Generalsekretär der Europäischen Fußball-Union - obwohl dieser als hauptamtlicher Chef so manche Affäre in seinem Uefa-Reich ausgesessen hat. Besonders schwer tat sich der Europa-Verband mit der Aufklärung von Spielmanipulationen in seiner Ägide stets, wenn es nicht um Wettbetrug, sondern um von Vereinsfunktionären verschobene Ergebnisse ging; harte Verdachtsfälle und nachgewiesene Manipulationsaffären zogen sich von St. Petersburg über Trabzon bis Athen.

Ungeklärt blieben auch Korruptionsvorwürfe gegen die Vergabe der EM 2012 an die Ukraine und Polen. Damals ließ die Uefa einen Whistleblower samt Anwalt mit seinem äußerst substantiell wirkenden Material ins Leere laufen. Dabei zog die Causa eine Skandalspur durch Europas Medien, es gab Pressekonferenzen und TV-Beiträge. Untersucht aber wurde die Sache nie.

Nun aber lauern diese Vorgänge wie Tretminen in der internationalen Fußballpolitik: Dass sich die Korruptionsermittler in den USA und in der Schweiz auch dafür interessieren könnten, liegt in der Natur ihrer Arbeit.

Infantinos Manifest: mehr Geld für alle und mehr WM-Teilnehmer

Auch sein soeben präsentiertes Wahlmanifest stellt infrage, ob Infantino der große Erneuerer des Weltfußballs ist, den gerade Verbände wie der DFB rigoros befördern müssten - oder eher ein Immer-weiter-so-Kandidat des alten Systems. Mit dem Schweizer aus jenem wallisischen Alpenzipfel, dem auch der gesperrte Sepp Blatter entstammt, ringen Scheich Salman aus Bahrain, Prinz Ali aus Jordanien, der Franzose Jérôme Champagne und Tokyo Sexwale (Südafrika) um den Fifa-Thron. Doch keiner bewegt sich so getreu wie Infantino in den Spuren, die die diskreditierten Amtsinhaber Blatter (1998-2016) und João Havelange (1974-98) gelegt haben. Unter dem Duo wurde die WM im Zuge von Wahltaktiken zweimal aufgebläht; erst auf 24, später auf 32 Teams. Nun will Infantino auf 40 Mannschaften erhöhen, was den Qualifikationsmodus zerstört und die Qualität des Turniers weiter verwässert. Mit mehr Teams von Tahiti bis Guinea wird die WM gewiss stärker zum Fest der Kulturen; allerdings nicht der Fußballkulturen.

Stimmenfang auf traditionelle Art betreibt der Kandidat des DFB auch im Kernbereich Finanzen. Jedem Fifa-Mitglied stellt Infantino fünf Millionen Dollar an Entwicklungs- und Projekthilfen in Aussicht, eine atemberaubende Steigerung jener zwei Millionen pro Verband, die noch im letzten Vierjahreszyklus von 2011 bis 2014 geflossen waren. Zur Rede steht gar eine weitere Million pro Land an Reisekosten. Dass dies just für Vertreter von entlegenen Zwergstaaten etwa im Stillen Ozean attraktiv klingen dürfte, liegt auf der Hand. Am korruptionsanfälligen Wahlmodus der Fifa, in der jedes noch so winzige Eiland eine Stimme hat, lässt sich so nicht rütteln.

Keine Berührungsängste mit großem Geld und großzügigen Ausgaben offenbart auch Infantinos Wahlkampfbudget. Die Uefa schießt ihm eine halbe Million Euro zu. Während mancher andere Kandidaten zusehen muss, wie er seine Touren finanziert, düst Infantino im Privatjet mit dicken Taschen und Versprechen durch die Welt: ein vertrautes Szenario aus der Blatter-Ära. Zugleich ist in der Uefa-Zentrale in Nyon nach Ansicht von Kritikern im eigenen Lager die Administration ins Trudeln geraten. Erst vergangene Woche klagte Luxemburgs Verbandschef Paul Philipp: "Bisher hat die Uefa gut gearbeitet, aber jetzt fällt alles auseinander. Die Exekutive muss dringend Ordnung herstellen."

Die Karibik könnte das Duell Infantino/Salman entscheiden

Aber die hat andere Probleme. Während Deutsche und Portugiesen Infantino unterstützen, sind vor allem Skandinavier und Briten auf Distanz zum obersten Uefa-Bürokraten; auch einzelne Verbände wie Malta. Dass sich die Exekutive nun beim Treff am Freitag in Nyon einhellig hinter Infantino stellte, war erforderlich. Europas 53 Verbände tun dies nicht, sie wollen individuell ihren Kandidaten bestimmen. Schon heißt es im Lager der Herausforderer, tatsächlich habe Infantino erst rund 70 Prozent Europas hinter sich.

Zwar schwächelt auch der Favorit: Asiens Kontinentalchef Scheich Salman gerät immer stärker unter Druck wegen seiner Rolle bei der Unterdrückung von demokratischen Protesten 2011 in seiner Heimat Bahrain. Allerdings schloss der Angehörige der Herrscherfamilie jüngst einen Pakt mit dem Afrika-Verband Caf (den nun der Fifa-Wahlausschuss untersucht); seither wird ihm eine Hausmacht von 80 Voten attestiert. Stimmberechtigt sind derzeit 207 Nationen, der Sieger bräuchte 104 Voten. Champagne und Sexwale sind Außenseiter, auch Prinz Ali wird wenig zugetraut: Die 73 Stimmen, die er 2015 bei der Wahl gegen Blatter hatte, galten oft nicht ihm. Sie waren gegen den Fifa-Patron gerichtet.

Derzeit sieht alles nach einem Duell aus, das wie so oft in der Karibik (35 Stimmen) entschieden werden könnte. Nach Antigua ist Infantino übrigens vorletztes Wochenende gedüst; per Privatjet direkt aus Kigali/Ruanda. Auch solche Trips gibt das Budget locker her.

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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