Präsident des FC Bayern:Hoeneß ist zurück in der ersten Reihe

Jahreshauptversammlung FC Bayern München

Zufrieden und glücklich: Uli Hoeneß ist wieder Präsident des FC Bayern.

(Foto: dpa)

Kurz herrscht gereizte Stimmung, dann wählt der FC Bayern erneut Uli Hoeneß zum Präsidenten. Der will wieder der Kümmerer sein - und hat einen neuen Feind ausgemacht.

Von Claudio Catuogno

Uli Hoeneß hat so lange warten müssen auf diesen Moment, da kommt es jetzt auf 22 Minuten mehr oder weniger auch nicht an. Am 2. Mai 2014 war Hoeneß das letzte Mal auf einer Jahreshauptversammlung seines FC Bayern gewesen, zweieinhalb Jahre Entzug also, und Entzug ist in seinem Fall ja wirklich das treffende Wort. Man erinnert sich noch an seinen Abschiedsgruß damals, ein paar Wochen später stand der Umzug in die JVA Landsberg an: "Und dann, wenn ich zurück bin, werde ich mich nicht zur Ruhe setzen. Das war's noch nicht!"

Und jetzt muss Uli Hoeneß also, ehe es das tatsächlich noch nicht war mit ihm und dem Präsidentenamt, ehe er um Viertel vor elf am Freitagabend bei 108 Nein-Stimmen, 58 Enthaltungen und ausgiebigen "Du bist der beste Mann"-Gesängen wieder zum König der Fußballbayern gekürt wird - jetzt also muss Uli Hoeneß erst noch schnell ein Problem lösen.

Es ist nicht ohne Ironie: So viele der inzwischen 284 041 Mitglieder wollen Hoeneß jetzt wiedersehen und wiederwählen, dass gar nicht alle reinpassen können in die Basketball-Halle des Klubs mit ihren knapp 6000 Plätzen. Also hat der Verein noch ein Zelt aufgebaut für bis zu 2000 weitere Leute, die jetzt dort auf eine Großleinwand schauen, dort abstimmen sollen. Toll finden die das nicht. "Absagen! Absagen!"-Sprechchöre. Gereizte Stimmung. Da muss der Uli jetzt erst mal hin. Aber jeden Einzelnen kann Hoeneß natürlich auch nicht um Verständnis bitten für die schwierigen Umstände, sonst steht er hier noch im Zelt, wenn drinnen der Tagesordnungspunkt 6, Wahl des Präsidiums, längst vorbei ist.

Viel Lob für Hopfner, Hoeneß wartet

Also: Um 19.22 Uhr, 22 Minuten später als geplant, ist er jetzt auch ganz offiziell wieder da. Als Erster schreitet Hoeneß in die Halle, als was auch sonst, heiliger Ernst auf dem Gesicht, dann aber doch für einen Moment dieses feine Uli-Hoeneß-Lächeln, das immer andeutet, dass er innerlich platzt vor Stolz. Auf dem Podium sortieren die fünf Männer ihre Unterlagen, die während seiner Abwesenheit die Arbeit gemacht haben, Dreesen, Rummenigge, Schels, Hopfner, Mayer, aber die Kameraleute und Fotografen interessieren sich nur für den Stuhl in der ersten Reihe, auf dem Uli Hoeneß noch als einfaches Mitglied Platz nimmt. 19.30 Uhr inzwischen. Immer noch Standing Ovations. Ob das noch was wird heute mit seiner Wahl?

Wahrscheinlich hat Hoeneß noch nie so gerne dem Rechenschaftsbericht der Tischtennisabteilung gelauscht. Den Erfolgen der Kegler. Hervorragende Jugendarbeit übrigens auch in der Schachabteilung. Und in der Dreifachsporthalle wurde ein schönes Baustellenfest gefeiert.

Und auch, wenn die beiden in diesem Leben die dicksten Freunde eher nicht mehr werden, so goutiert Hoeneß sicher auch den kaum enden wollenden Applaus für Karl Hopfner. Wenigstens noch für ein paar Stunden ist ja Hopfner der Präsident, und damit das nicht in Vergessenheit gerät vor lauter Hoeneßmania, ziert das Gesicht des 64-Jährigen noch mal das aktuelle Bayern Magazin: Hopfner sei "der Schöpfer des FC-Bayern-Wirtschaftswunders, ein Ludwig Erhard ohne Zigarre", wird Karl-Heinz Rummenigge später sagen. Der Wirtschaftswunder-Vergleich bezieht sich auf Hopfners jahrzehntelanges Wirken als Geschäftsführer und Finanzvorstand.

Aber bei allem Respekt vor dem Altkanzler selig war Ludwig Erhard ja auch nur ein Uli Hoeneß ohne Knieschaden, und deshalb spielt der gleich zu wählende Präsident jetzt auch in fast allen obligatorischen Berichten und Reden eine Rolle. Sei es als Verheißung. Oder sei es als Gag. 2014 hätte man Hoeneß für langjährige Mitgliedschaft eigentlich die goldene Ehrennadel verleihen müssen, referiert zum Beispiel Hopfner. Aber "da war er leider verhindert". Ein Knastwitz. Die Fans haben lauter gelacht als Hoeneß selbst.

Dann Top 5. Bericht des Vorstands der FC Bayern München AG. Karl-Heinz Rummenigge, der Chef, dankt Pep Guardiola. Er heißt Carlo Ancelotti willkommen; und auch hier: Applaus, Applaus. Trotz der Niederlagen in Dortmund und Rostow. "Wir gewinnen gemeinsam, wir verlieren gemeinsam, und das Wichtigste ist: Du hast unser vollstes Vertrauen", sagt Rummenigge. Dann noch ein Seitenhieb auf den Investor des TSV 1860: "Kein Hasan Ismaik" habe beim FC Bayern etwas zu sagen: "Gott behüte uns vor solchen Leuten."

Hoeneß bittet "um eine zweite Chance"

Und zu Hoeneß? "Ich werde nie dein Gesicht vergessen, als du am 2. Januar 2015 zum ersten Mal wieder an die Säbener Straße zurückgekehrt bist, in diesem Gesicht stand alles, was du erlebt hast", sagt Rummenigge. Als Freigänger hatte Hoeneß damals seinen ersten Arbeitstag in der Jugendabteilung des Klubs, zum Schlafen musste er zurück in die Zelle. Jetzt, sagt Rummenigge, sei er "neugierig auf die zukünftige Zusammenarbeit".

Jan-Christian Dreesen stellt die Geschäftszahlen vor. Der Umsatz: um über 100 Millionen Euro gesteigert, auf eine neue Bestmarke von 626,8 Millionen Euro. Der Gewinn nach Steuern: 33 Millionen, fast zehn Millionen mehr als im bisherigen Rekordjahr 2014/15 (23,8 Millionen).

Drei Stunden sind um. Hoeneß drückt in der ersten Reihe den Rücken durch.

Wenn es nur nach den Zahlen ginge, hätte man vielleicht nicht den Eindruck, dass dieser Klub einen Uli Hoeneß gerade überhaupt braucht. Aber dass der Aufsteiger Leipzig die Tabelle anführt, kann Rummenigge "leider" auch nicht verschweigen. "Das war's noch nicht." Als Hoeneß nun endlich ans Pult treten darf, erinnert er als erstes an diesen Satz. Er will auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als sei es ihm damit um Macht gegangen. Eher: um Liebe. Hoeneß erzählt, wie er im Gefängnis "vor allem am Sonntag, übers Wochenende sind Sie 40 Stunden eingeschlossen", die Briefe von Fans gelesen habe, die ihn aufmuntern wollten. Wie er dann oft habe "weinen müssen wie ein Schlosshund".

Er bittet die Mitglieder "um eine zweite Chance". Um Arbeit werde er sich auch weiter nicht drücken, sagt er, "und wenn es mal sieben Tage sein müssen, werde ich sieben Tage arbeiten, dafür muss und wird meine Frau Verständnis haben". Er will "ein Kümmerer sein".

Wer Sorgen hat, soll zu ihm Kommen, Spieler, Trainer, Mitarbeiter. Aber seine Stimme wird schon wieder von Satz zu Satz schneidiger. Keine Sorge, sagt er, "die Fähigkeit, in klarer Sprache Probleme anzusprechen, ist nicht verloren gegangen, sie schläft nicht, sie ruht nur. Sie kann bei Bedarf jederzeit zurückkommen." Er kriegt über 97 Prozent der Stimmen. Er setzt sich auf den Präsidentenplatz. Er spricht über: Leipzig! "Endlich wieder ein Feind, den wir richtig bekämpfen können", sagt Uli Hoeneß. Er ist wieder da. Wie hat es Pep Guardiola gerade zur SZ gesagt: Er habe in München gelernt, dass Hoeneß "die Essenz, die Seele des Vereins" sei. Das ist er jetzt wieder.

Bei der nächsten Versammlung sitzt Hoeneß nicht mehr stundenlang still auf einem Stuhl.

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