PR-Termin vor dem Kampf:Chisora watscht Klitschko beim Wiegen

Es sind die üblichen Scharmützel, die zu jedem Box-Event gehören: Beim traditionellen "Staredown" vor dem WM-Kampf im Schwergewicht verpasst Dereck Chisora seinem Gegner Vitali Klitschko in München eine krachende Backpfeife. Anschließend kommt es zum Tumult zwischen beiden Lagern - doch Klitschko bleibt cool.

Normalerweise verteilt Dereck Chisora vor dem Kampf Küsschen, doch diesmal zeigte sich der Box-Koloss weniger charmant. Beim Wiegen vor dem Duell (Samstag, 22.45 Uhr/RTL) um die WM im Schwergewicht verpasste der Brite Vitali Klitschko in München eine Ohrfeige - ein satter Volltreffer vor dem ersten Gong, der eine heftige Rangelei unter den Betreuern und den Sicherheitskräften auslöste.

Offizielles Wiegen Klitschko und Chisora

Eine Ohrfeige schon vor dem Fight: Dereck Chisora watscht Witali Klitschko beim Wiegen in München.

(Foto: dpa)

Doch der Titelverteidiger behielt im Chaos die Nerven und ließ sich nicht provozieren. "Die Abrechnung erhält er im Ring", sagte ein angefressener Klitschko, der nicht zurückschlug und seinen Gegner stattdessen mit einem eisigen Blick abstrafte - es sind die üblichen Scharmützel vor einem großen Fight, schließlich gehört zu einem guten Box-Event auch eine Portion PR. Chisora hatte schon am Donnerstag erklärt, er sei "wahnsinnig".

Am Freitag lieferte er dann den medienwirksamen Beweis. Die beiden Kontrahenten stießen beim traditionellen Staredown mit den Köpfen zusammen, woraufhin Chisora Klitschko die flache rechte Hand ins Gesicht klatschte. Nach einem hitzigen Wortgefecht verließ Chisora dann ganz schnell die Szenerie. Sein Promoter Francis Warren meinte: "Vielleicht hatte er zu viel Adrenalin im Blut. Der Schlag kam 24 Stunden zu früh."

Es war nicht das erste Mal, dass Chisora bereits vor einem Kampf intensiven körperlichen Kontakt gesucht hat. 2010 hatte der für seine unterhaltsamen Provokationen bekannte 28-Jährige seinen Gegner Carl Baker bei einer Pressekonferenz auf den Mund geküsst - woraufhin es beinahe zur Schlägerei zwischen den beiden gekommen wäre. Doch der Titelverteidiger will sich von diesen ungewöhnlichen taktischen Sperenzchen seines Gegners, der auch schon mal mit bisexuellen Anspielungen öffentlich kokettiert, nicht aus dem Konzept bringen lassen und seinen WBC-Titel unbedingt verteidigen.

"Er wird mich nicht überraschen", kündigte Klitschko an. Sportlich nimmt er seinen Gegner sehr ernst: "Mich interessieren nur Boxer, die mich wirklich fordern können. Chisora ist jung, wild und hungrig. Er wurde noch nie ausgeknockt." Und so verströmte die Entourage Chisoras vor dem Fight naturgemäß überborderndes Selbstbewusstsein.

Sein Promoter Warren versprach vollmundig das Ende der Klitschko-Ära. Chisora selbst kündigte an, "mit 100 Meilen pro Stunde" von der ersten Runde bis zum Ende zu kämpfen und den Weltmeister in der achten Runde niederzuschlagen. Der 28-jährige Gebrauchtwagenhändler wird daher bei seinem Einmarsch symbolisch mit dem Titel "Mama Said To Knock You Out" von Rapper LL Cool J zum Ring schreiten.

Klarer Favorit Klitschko

Doch obwohl der letzte britische Schwergewichts-Champ Lennox Lewis eine Überraschung für möglich hält und seinem Landsmann die nötige Schlaghärte attestiert, um Klitschko auf den Boden zu schicken: Chisoras Kampfrekord ist nicht wirklich furchteinflößend. Er gewann zwar 15 seiner 17 Kämpfe, siegte neunmal durch Knockout. Doch zwei der letzten drei Auftritte endeten mit einer Niederlage, zunächst deutlich gegen Landsmann Tyson Fury und dann höchst umstritten gegen den Finnen Robert Helenius.

So steigt Klitschko trotz all der extravaganten Aufführungen Chisoras als klarer Favorit in den Ring. Bei einem Sieg des Ukrainers ist in den Wettbüros kaum etwas zu verdienen. Ein Erfolg bei seiner neunten WBC-Titelverteidigung, womit Klitschko mit Mike Tyson gleichziehen würde, gilt als nahezu sicher. "Dr. Eisenfaust" ist seit knapp neun Jahren ungeschlagen und hat 43 seiner 45 Profikämpfe gewonnen - 40 davon vorzeitig.

Seine K.o.-Quote liegt bei überragenden 89 Prozent. Klitschko-Trainer Fritz Sdunek, der Chisora seit langem kennt, hatte er ihn doch vor Jahren im Sparring, hat ebenfalls keinen Zweifel am Ausgang: "Witali ist der alte Weltmeister und wird auch der neue Weltmeister sein."

Immer wieder hatten Gegner vor den Kämpfen mit markigen Sprüchen getönt, Klitschko endlich in Rente schicken zu wollen. Geschafft hat es bisher keiner. Die Psychospielchen des Briten amüsieren Sdunek deshalb auch eher. "Dereck ist ein netter Mensch. Das andere ist alles nur gespielt, er könnte eigentlich nach Hollywood", sagt Sdunek milde lächelnd.

Aufmerksam müsse Klitschko aber ohne Frage sein, denn der in Simbabwe geborene Chisora boxe außergewöhnlich offensiv. Der Nahkampf ist ohnehin wohl die einzige Chance für den Herausforderer, hat er doch bei 1,87 Meter Körpergröße erhebliche Reichweitennachteile gegenüber Zwei-Meter-Mann Klitschko.

"Dereck springt regelrecht in den Mann, da ist schon was dahinter", sagt Sdunek. Er sei sogar mutiger und kampfstärker als David Haye, den sich Klitschko gegen Ende seiner Karriere noch vor die Fäuste wünscht. Der kann sich am Samstag als TV-Kommentator live am Ring von Klitschkos Stärke überzeugen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: