Poschner beim TSV 1860 München:Sticheleien statt Entlassung

Gerhard Poschner

Immer noch bei 1860: Gerhard Poschner

(Foto: dpa)

Der Machtkampf beim TSV 1860 München wird immer wilder: Das Übergangspräsidium setzt Spitzen gegen Sportchef Gerhard Poschner - und legt Dokumente vor.

Von Philipp Schneider

Was wohl der Rechtsverteidiger Tim Hoogland gerade denkt? Wie er es findet, dass er seit Tagen seinen Namen in der Zeitung lesen kann, in Texten, in denen es um Sportpolitik geht, nicht aber um Fußball? Möglicherweise muss Hoogland jetzt, da er längst zum VfL Bochum gewechselt ist, schmunzeln über Überschriften wie: "Poschner: Präsidium hat Hoogland-Transfer verhindert." Oder er ist einfach nur fassungslos über die wilde Nachrichtenlage rund um den TSV 1860 München, zu dem er vielleicht sowieso nicht gerne gewechselt wäre.

Unstrittig ist, dass Hoogland in den vergangenen Tagen instrumentalisiert wurde im Machtkampf bei Sechzig. Und der wird immer wilder. Was sich schon daran erkennen lässt, dass es selbst am Tag, als das Übergangspräsidium um Siegfried Schneider und Karl-Christian Bay verkündete, dass der umstrittene Geschäftsführer Sport Gerhard Poschner vorerst weiterarbeiten wird, zunächst um Hoogland ging. Poschner hatte zuvor gesagt, er habe kein Okay von Schneider erhalten, um Hoogland zu erstehen ("Bei einem Transfer wurde ein Kreuz gesetzt").

Bevor Schneider also in leicht genervten Duktus etwas über Poschner verkündete, was ohnehin jeder wusste ("Er hat einen Vertrag und muss jetzt schauen, dass er den Kader vollständig macht. In zwei Wochen muss er stehen"), las er zunächst eine Mail vom Ipad ab, die er am Montag an Poschner gesendet hatte. "Weil ja auch sehr viele Dinge in der Presse stehen", gehe es vor allem darum, ein "paar Dinge klarzustellen." Schneider stellte sie nicht im Gespräch mit Poschner klar. Er stellte sie klar im Gespräch mit Pressevertretern über Poschner.

Die Lesung ging so: Am Montag, dem Tag seines Amtsantritts, habe Schneider sogleich die Nachricht erhalten, Poschner wolle Hoogland verpflichten, verbunden mit der Bitte um Zustimmung. Kurz darauf schrieb er Poschner eine Mail. "Lieber Herr Poschner, auch wenn ich Verständnis habe, dass sie eine schnelle Entscheidung wollen, Schrägstrich brauchen", las Schneider: "kann und will ich diese Entscheidung nicht vor und ohne Kenntnis des Gesamttableaus treffen." Schneider wollte sagen: Ich habe Hoogland nie abgelehnt. Ich habe nur mehr Zeit erbeten.

All diese Informationen sind jetzt öffentlich. Weil Schneider wollte, dass die Geschichte alle kennen. Es war nämlich so: Am Tag, als mündlich verkündet wurde, dass der Sportchef ("Stand jetzt") bleibt, schwächte der Präsident dessen Position ganz bewusst weiter. Ein um die Ecke gedachtes Manöver. Es geht offenkundig auch darum, auszuloten, wie viel Erniedrigung Poschner erträgt. Auf die Frage, ob sie von ihm ein Rücktrittangebot annehmen würden, antwortete Bay: "Wir wären gesprächsbereit, wenn Herr Poschner auf uns zukommen würde."

"Es gibt Zwänge, denen man unterliegt"

Die Haltung des neuen Präsidiums ist noch immer dieselbe wie die des vergangenen, das zuletzt geschlossen zurückgetreten ist. Die Vereinsvertreter glauben, dass sie handlungsohnmächtig sind. Weil sie glauben, Poschner trotz der von der Deutschen Fußball-Liga garantierten Vorrechte (50+1) nicht gegen den Widerstand von Investor Hasan Ismaik entlassen zu können (der 60 Prozent der Anteile besitzt, von denen nur 49 Prozent stimmberechtigt sind). "Es gibt Rechte, die man hat. Und es gibt Zwänge, denen man unterliegt", antwortete Bay auf die Frage, warum der Verein sich nicht traut, 50+1 zu nutzen. Er sagte Zwänge. Eine kaum chiffrierte Umschreibung der Furcht, ein erzürnter Ismaik könne seine Darlehen in Höhe von mehr als sechs Millionen Euro bis Jahresende kündigen.

Anstatt eine Entlassung einzuleiten (für die zunächst eine Beiratssitzung mit Ismaik nötig wäre), hat Schneider daher auch schon vor Tagen, als er noch Vorsitzender des Verwaltungsrats war, Poschner lediglich zum Rückzug aufgefordert: "Ich gehe davon aus, dass er Manns genug ist, selbst die Konsequenzen zu ziehen und den Weg freizumachen für einen sportlichen Neuanfang." Das tat Poschner aber nicht. Und jetzt wird der Druck auf ihn weiter erhöht. Er soll liefern, und zwar richtig. "Er ist ja schon seit über einem Jahr im Amt, die Kaderplanung war also möglich", sagte Bay - eine Replik auf den zuletzt auch von Poschner erhobenen Vorwurf, das Präsidium blockiere die Transfer- bemühungen. Und Schneider meinte: "Ich hoffe, dass es heuer - auch wenn es unruhiger ist - schneller geht als letztes Jahr. Ich sehe, dass die Arbeit vielleicht etwas schwieriger ist, aber ich gehe davon aus, dass er die Kaderplanung nicht erst am Montag begonnen hat." Starker Stoff war das. Auch der Hinweis, Poschner habe ihm eine Liste mit "tollen Namen" vorgelegt. Denn was bitte wird geschehen, sollten mal wieder keine tollen Spieler kommen?

Schneider und Bay entsendeten Spitzen gegen einen Sportchef, den sie nicht entlassen können. Oder wollen. Auch weil es ihnen noch immer um eine Lösung geht, die weit über die Kaderplanung der kommenden Saison hinaus reicht: Den Ankauf von Ismaiks Anteilen, den sie noch immer planen.

"Wir sind in einem sehr konstruktiven Dialog, der bewusst offen gehalten werden muss, weil wir die Intention unseres Mitgesellschafters noch gar nicht kennen", sagte Bay: "Es wäre nicht sinnvoll, jetzt ein eskalierendes Momentum reinzubringen." Dafür, die Intention Ismaiks deutlich zu machen, ist sein Repräsentant Noor Basha zuständig. Basha wohnt sogar in München. Die Vereinsvertreter suchen aber weiter den direkten Kontakt zum Investor, der während des Ramadan nicht reisen darf. Solange arbeiten sie weiter mit Poschner, das war die Botschaft des Tages, der im Trainingslager in Bodenmais mit einem 2:1 in einem Test gegen Drittliga-Absteiger Jahn Regensburg endete. Für die Löwen trafen Rodri und Aias Aosman (zuletzt Regensburg), der gerade vorspielt.

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