Portugal:Lustlos und einstudiert

Portugal: Spielt Doppelpass und macht nicht nur den Gegner nass: Ronaldo.

Spielt Doppelpass und macht nicht nur den Gegner nass: Ronaldo.

(Foto: Kirill Kudryavtsev/AFP)

Auf dem Rasen überzeugt Ronaldo, abseits davon schweigt er. Nachfragen waren nach dem Spiel gegen Neuseeland wieder einmal nicht erlaubt.

Im Kreise seiner lachenden Kollegen postierte sich Cristiano Ronaldo mit finsterer Miene als Boxer. Wie auf dem Jubelbild nach dem Halbfinal-Einzug Portugals beim Confed Cup hatte der Angreifer auch bei der öffentlichen Ehrung als bester Mann des 4:0 gegen Neuseeland einen merkwürdig ernsten Eindruck gemacht: "Es war ein gutes Spiel." - "Die Mannschaft hat mir geholfen." - "Ich bin froh, dass wir im Halbfinale sind." Kurz waren seine Statements, Nachfragen waren wieder einmal nicht erlaubt. Nach rund 90 Sekunden war Ronaldo wieder verschwunden. Im Halbfinale erwarte man "eine großartige Mannschaft, wir haben großen Respekt, wir müssen uns konzentrieren", sagte Ronaldo - noch ohne Kenntnis des genauen Gegners Chile.

Auch das wirkte lustlos und einstudiert. Der WM-Testlauf in Russland könnte Ronaldos Turnier sein - wären da nicht die Steuerermittlungen gegen ihn. Die russischen Fans allerdings haben ihr Urteil über den Weltfußballer unabhängig von dessen Ungemach in Spanien gefällt, sie lieben und verehren ihn. 56 290 Zuschauer sahen das Spiel gegen Neuseeland in der Krestowski Arena von St. Petersburg. Nicht einmal die russische Sbornaja konnte so viele Besucher zu ihrem eigenen Spiel gegen Neuseeland ins gleiche Stadion locken. Die Mehrheit war wegen Ronaldo gekommen, das wurde schnell klar. Jubel brandete auf, als sein Bild auf der Anzeigetafel beim Abspielen der Hymnen erklang. Ovationen gab es bei der Auswechslung nach 66 Minuten. Dazwischen hatte Ronaldo per Elfmeter das Führungstor erzielt und war mit mehreren Kopfbällen an Neuseelands Torwart Stefan Marinovic gescheitert. Das reichte, um im Fan-Voting wieder als bester Akteur gekürt zu werden.

Die russische Sehnsucht nach einer Fußball-Ikone wie Ronaldo ist riesengroß - und sie wird nach dem Ausscheiden der eigenen Mannschaft nicht geringer werden. In Portugal dagegen wurde der Einzug ins Semifinale beim WM-Testlauf eher als selbstverständlich hingenommen: "Nicht zu stoppen", titelte die Zeitung Record mit einem Bild von Ronaldo. Und A Bola verlangte mit einem Foto von Ronaldo, der den Zeigefinger ausstreckt, sogar noch mehr. "Das Finale ist gleich um die Ecke."

Die Art und Weise, wie der Europameister als Gruppensieger sein Halbfinal-Ticket buchte, kommt in der Heimat indessen nicht unbedingt an. "Schönes Spiel? Fernando Santos weiß nicht, was schön oder hässlich ist, aber er weiß, wie man gewinnt", schrieb die Zeitung Público an Nationaltrainer Santos gerichtet. Der ärgerte sich derweil über ein eigenes Versäumnis: Weil die Neuseeländer zu Beginn der zweiten Halbzeit vorübergehend auf den Anschlusstreffer drängten, ließ Santos Abwehrchef Pepe auf dem Platz - der kassierte prompt seine zweite Verwarnung und ist nun im Halbfinale gesperrt.

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