Polizeipräsenz beim Fußball:Weniger Staat im Stadion

Polizei und Fußball-Fans

Polizisten erwarten im März 2013 Fans zum Drittliga-Fußballspiel zwischen Preußen Münster und dem VfL Osnabrück. Derart brisante Spiele will die Polizei weiterhin begleiten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bei harmlosen Bundesliga-Spielen will Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger künftig weniger Polizisten einsetzen. Die Liga reagiert zustimmend, auch Ultras und anderen Fangruppen sollte der Plan entgegenkommen. Andere sind skeptisch, ob die Fans wirklich selbst für Ruhe sorgen können.

Von Bernd Dörries, Düsseldorf

Das vergangene Wochenende war für die Polizei in Düsseldorf und Essen mal wieder ein recht ereignisreiches. Vom Himmel schüttete es herunter, die Keller liefen voll, der Verkehr musste umgeleitet werden. In der Düsseldorfer Altstadt und im Zentrum von Essen schlugen sich Hooligans, bis zu 300 sollen es gewesen sein.

Die Gewalttäter kamen aus England, sie waren Anhänger von Newcastle United und West Ham United, die einen Ausflug zum Schalke-Cup in Gelsenkirchen nutzten, um sich gegenseitig zu verprügeln. Nur ein paar Kilometer weiter hielt die Polizei Anhänger von Fortuna Düsseldorf und dem 1. FC Köln auseinander, deren zweite Mannschaften zum Saisonauftakt in der Regionalliga West aufeinandertrafen. Viel mehr hätte auch nicht passieren dürfen in Nordrhein-Westfalen - und das, obwohl die neue Bundesliga-Spielzeit noch nicht einmal begonnen hat.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland hat man sich in den vergangenen Wochen sehr darüber gefreut, dass mit dem 1. FC Köln und dem SC Paderborn 07 zwei zusätzliche Vereine in der ersten Liga mitmachen. Im chronisch hoch verschuldeten Bundesland sorgt man sich aber auch um die Kosten. Bis zu zehn Prozent mehr Einsätze der Polizei seien durch den Erfolg von Paderborn und Köln zu erwarten, sagte Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag in Düsseldorf. Bei der angespannten Haushaltslage sei das nicht zu finanzieren: "Bereits jetzt verwendet die Bereitschaftspolizei ein Drittel ihrer Einsatzzeit nur für die Sicherheit von Fußballspielen."

Jäger will deshalb die Polizeipräsenz bei manchen Spielen reduzieren. Nicht bei brisanten Derbys wie Dortmund gegen Schalke, aber zum Beispiel bei Partien von Bayer Leverkusen, dessen Fans als unproblematisch gelten. "Es geht uns allein um die Spiele, die in den letzten drei Jahren ohne Krawalle geblieben sind. Hier wollen wir den Kräfteeinsatz der Bereitschaftspolizei lageangepasst runterfahren." Bei manchen Begegnungen könne womöglich auch fast gänzlich auf die Polizei verzichtet werden. Zumindest im Stadion selbst.

An den ersten vier Spieltagen soll nun erst einmal ausprobiert werden, ob das Konzept funktioniert. Ultras und andere Fangruppen fordern schon seit Langem weniger Staat im und ums Stadion - man könne selbst für Ruhe sorgen. "Das können sie nun beweisen", sagte Jäger. Ligapräsident Reinhard Rauball hat zumindest nichts gegen den Vorstoß aus Düsseldorf. "Wir waren im Vorfeld nicht über entsprechende Konzepte informiert. Die Überlegungen des nordrhein-westfälischen Innenministeriums sind aber im Grundsatz durchaus nachvollziehbar." Nach Angaben von Jäger seien Vereine und Fanverbände ebenfalls einverstanden. Früher sei das Verhältnis zu den Vereinen durchaus "bleihaltig" gewesen, heute sei die Zusammenarbeit gut.

Dass dem so ist, liegt auch an Jägers Klarstellung, dass es ihm nur um eine bessere Verteilung der vorhandenen Kräfte gehe, nicht aber um mehr Geld. Das hatte kürzlich der Bremer Stadtstaat von der DFL für die Polizei-Einsätze bei Werder-Einsätzen verlangt, woraufhin der DFB ein Länderspiel nach Nürnberg verlegte, als Strafsanktion. Auch Jäger hat wenig Verständnis mit seinen SPD-Kollegen im Norden. "Man kann die Sicherheit im öffentlichen Raum nicht einfach anderen aufs Auge drücken."

"Ein Rückzug wäre falsch"

Es sei nun mal die Aufgabe der Polizei, für Ordnung zu sorgen, wenn Menschen feierten. Sonst könne in Deutschland kein Volksfest mehr gefeiert werden, ohne dass danach eine Rechnung von der Polizei komme. Was Jäger durch seinen Vorstoß auch erreichen will, sei eine bessere Koordination der Polizeieinsätze und -taktiken innerhalb der Bundesländer. Da koche bisher noch jeder sein eigenes Süppchen. "In einem Bahnhof werden die Ultras freundlich von der Polizei begrüßt: ,Links ist das Klo und rechts der Bierstand.' In anderen Bahnhöfen dürfen sie gar nicht aussteigen."

In anderen Bundesländern hält man bisher aber wenig von Jägers Experiment, das noch nicht einmal begonnen hat. Die Polizei werde Fußballspiele genauso schützen wie bisher und nicht weniger, sagte Berlins Innensenator Frank Henkel: "Ich halte die Debatte, die einige SPD-Minister derzeit aufmachen, für brisant. Ich kann den Kollegen aus NRW durchaus verstehen, dass er seine Beamten anders einsetzen möchte. Aber ein Rückzug wäre falsch."

"Bayern steht auch hier besser da"

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU), der auch Vorsitzender der Sportministerkonferenz von Bund und Ländern ist, sagte, das Gewaltmonopol im öffentlichen Raum obliege der Polizei, die auch weiter mit Großeinsätzen beim Fußball präsent sein werde.

In Bayern ist Innenminister Joachim Herrmann (CSU) natürlich der Ansicht, nicht nur die besten Fußballvereine zu haben, sondern auch das beste Polizeikonzept. Es sei "Kernaufgabe der Sicherheitsbehörden", dafür zu sorgen, "dass Familien mit kleinen Kindern entspannt jedes Fußballspiel in Bayern besuchen können". Es habe sich bewährt, auf eine Durchsetzung langjähriger Stadionverbote und strenge Kontrollen zu pochen. "Unser sehr konsequentes Vorgehen hat dazu geführt, dass Bayern auch hier besser dasteht als etliche andere Bundesländer", sagte Herrmann.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: