Politik auf dem Rasen:Herz, knuddel, trief

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Stehen vier Präsidenten im Regen - und wer kriegt den einzigen Schirm? Wladimir Putin! Kolinda Grabar-Kitarović hat in Moskau trotzdem Werbung für Kroatien gemacht. Und nebenbei die Spieler getröstet.

Von Claudio Catuogno

Viele WM-Endspiele haben Bilder hervorgebracht, die man nicht vergisst: Franz Beckenbauer 1990 unter dem Vollmond von Rom; Roberto Baggio 1994 in Los Angeles, wie er seinen Elfmeter direkt in die Erdumlaufbahn schießt; Oliver Kahn 2002 allein am Pfosten von Yokohama; Zinédine Zidane 2006 in Berlin, die Stirn etwas zu tief. Woran man sich erinnern wird, wenn man an Moskau 2018 zurückdenkt? Sicher an die Siegerehrung. Nasse Menschen sind spannender anzuschauen als trockene, insofern war es ein feiner Zug der Götter, am Ende der WM noch eine Flut zu schicken, auf die man unter anderen Umständen mit dem sofortigen Bau einer Arche reagiert hätte. Wenn, ja wenn es nicht gegolten hätte, Haltung zu bewahren. Der Pokal musste ja noch an den Mann gebracht werden.

Da standen also nebeneinander: Fifa-Präsident Gianni Infantino im Anzug, der russische Präsident Wladimir Putin im Anzug, der französische Präsident Emmanuel Macron im Anzug sowie eine Frau im karierten Shirt, die es nur durch ihre Anwesenheit geschafft hat, dass Kroatien sich wohl bald nicht mehr retten kann vor Besuchern aus aller Welt. Wenn die Leute dort alle so nett sind wie die Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović, 50 - muss das dann nicht ein wunderbares Land sein?

Dass Kroatien auch ein paar Probleme hat, war zuvor thematisiert worden, von einer Wirtschaftskrise über nationalistische Strömungen bis hin zum kaum vorzeigbaren Fußballverband. Aber nun stand da Kolinda Grabar-Kitarović, Vertreterin der national-konservativen Partei HDZ, und herzte jeden so ausgiebig wie einen Freund, den man lange nicht gesehen hat. Den armen Luka Modric sogar zweimal, weil er sich erst den Goldenen Ball für den besten WM-Spieler abholte und dann eine Silbermedaille. Enttäuschung ob der vertanen Chance? Ja, vielleicht. Aber nicht bei Frau Grabar-Kitarović. Ebenso innig wie die kroatischen knuddelte sie die französischen Spieler, und irgendwann stand sie Arm in Arm mit dem durchgeweichten Macron.

Nur Putin war vor ihrer Herzlichkeit halbwegs sicher, aber das war eine andere Geschichte. Womöglich wollte sie ihn einfach nicht nass machen.

Manchmal übernimmt das Unplanbare oder zumindest das Ungeplante die Regie über die Choreografie - dass man wegen des angekündigten Regens im Moskauer Finalstadion Schirme bereitgelegt hätte, das war jedenfalls nicht geplant. Einen haben die russischen Organisatoren aufgetrieben, den haben sie ihrem Präsidenten über den Kopf gehalten, und der Präsident hat es unterlassen, ihn der einzigen Dame in der Runde anzubieten. Ein Bild, dass nun jeder interpretieren darf, wie er will. Sicher ist nur, dass es für Kolinda Grabar-Kitarović in diesem Moment nichts Schöneres gab, als im Moskauer Regen zu stehen.

© SZ vom 17.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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