Polens EM-Aus gegen Portugal:Blaszczykowski in der Kuba-Krise

Polens EM-Aus gegen Portugal: Jakub Blaszczykowski (l.): Fataler Schuss im Viertelfinale

Jakub Blaszczykowski (l.): Fataler Schuss im Viertelfinale

(Foto: AFP)

Zwei Münchner treffen in der ersten Hälfte, dann passiert lange gar nichts mehr: Portugal gewinnt das Viertelfinale gegen Polen im Elfmeterschießen 5:3 - weil Blaszczykowski ein Malheur passiert.

Von Ulrich Hartmann, Marseille

Was hatte man schon erwarten dürfen von zwei Mannschaften, die bereits im Achtelfinale eine Verlängerung (Portugal) und ein Elfmeterschießen (Polen) zur Entscheidungsfindung benötigt hatten - vermutlich wieder eine sich hinziehende Abendgestaltung. Und genau so kam es dann auch in diesem Viertelfinale, obwohl die Partie doch so aufregend mit zwei frühen Treffern begonnen hatte.

100 Sekunden brauchte Robert Lewandowski für die polnische 1:0-Führung, 33 Minuten Renato Sanches für den portugiesischen Ausgleich zum 1:1. Es waren nacheinander der zweitschnellste Treffer und der Treffer des drittjüngsten Torschützen der EM-Historie, und es waren die Tore eines gegenwärtigen und eines künftigen FC-Bayern-Spielers, aber die nächsten Treffer in dieser qualitativ immer weiter abflachenden Partie fielen dann doch erst im Elfmeterschießen.

Cristiano Ronaldo machte für Portugal den erfolgreichen Auftakt, Lewandowski glich für Polen aus. Beide sehr souverän. Sanches traf ebenfalls, genauso Arkadiusz Milik, Joao Moutinho, Kamil Glik und Nani. Jakub Blaszczykowski scheiterte danach an Rui Patricio, und nachdem Ricardo Quaresma verwandelt hatte, feierten die Männer in Rot den Triumph. Portugal darf nun im Halbfinale am Mittwoch in Lyon gegen Belgien oder Wales um den Einzug ins Finale spielen, während die EM für die Polen beendet ist.

Der Rasen im Marseiller Stadion ist weiterhin so dürftig, dass beide Mannschaften ihr Abschlusstraining tags zuvor woanders hatten absolvieren müssen. Aber Lewandowski hat die Qualität der müden Halme anfangs überhaupt nicht gestört. Portugals Rechtsverteidiger Cedric verschätzte sich bei einem hohen Seitenwechsel der Polen und musste Kamil Grosicky auf der linken Seite auf und davon laufen lassen. Grosicky spielte den Ball scharf in den Rücken der portugiesischen Abwehr und fand dort Lewandowski, der 100 Sekunden nach dem Anpfiff das 1:0 für Polen erzielte. Es war das, was man einen Bilderbuchstart nennt.

Cristiano Ronaldo stand mehrfach aussichtsreich im Strafraum, doch er traf den Ball gar nicht erst

Während Polens Trainer Adam Nawalka nach dem Achtelfinal-Erfolg über die Schweiz eine unveränderte Startelf in das Viertelfinalspiel geschickt hatte, hatte Portugals Trainer Fernando Santos seine Startformation an zwei Stellen ändern müssen. Eliseu spielte für den künftigen Dortmunder Raphael Guerrero auf der Position des Linksverteidigers, und Sanches rutschte für André Gomes als Spielgestalter ins zentrale Mittelfeld.

Guerrero und Gomes standen wegen muskulärer Probleme nicht im Kader. Für den 18-jährigen Sanches war es im Turnier der erste Einsatz von Beginn an, nachdem er in den vorangegangenen vier Spielen drei Mal eingewechselt und ein Mal nicht berücksichtigt worden war. Er ist der jüngste Spieler, der je bei einem großen Turnier für Portugal in der Startelf stand.

Portugal hat den Ball, aber was dann?

Mehr Ballbesitz hatte sich der Trainer Santos für das Spiel gegen Polen erhofft, der maue 1:0-Sieg gegen Kroatien in der Verlängerung hatte für eine gewisse Ernüchterung gesorgt. Gegen diese und zugleich gegen Polens effektive Defensive (zuvor nur ein Gegentor in vier EM-Partien) galt es anzuspielen, allerdings ging der Plan schief, denn nach der frühen Führung konnten sich die Polen fallen lassen. Ordentlich Ballbesitz hatten die Portugiesen jetzt, aber glücklich wirkten sie damit nicht. Die Polen konterten in der ersten Halbzeit nach Gutdünken.

Die Portugiesen waren gefordert. Bis zur 33. Minute sprudelten sie zwar nicht vor Kreativität, aber dann fasste sich der von rechts in die Mitte ziehende Sanches ein Herz und zog aus 17 Metern ab. Er hatte Glück, dass der Ball von Polens Grzegorz Krychowiak abgefälscht wurde und ins Tor rauschte. Von Ronaldo war schon in der ersten Halbzeit nicht viel zu sehen gewesen.

Die Polen zeigten zu Beginn der zweiten Hälfte mehr Interesse am zweiten Tor. Lewandowski erreichte mit einem tief eingesprungenen Flugkopfball eine Flanke des Dortmunders Lukasz Piszczek nicht, auf der anderen Seite misslang dies eine Etage höher auch Ronaldo nach einer Eliseu-Hereingabe. Ronaldo erhielt danach bessere Möglichkeiten, einmal traf er das Außennetz, einmal haute er über den Ball, doch auf seine allerbeste Chance musste er warten. Bis zum Elfmeterschießen.

Mehrfach stand er noch aussichtsreich im polnischen Strafraum, doch er traf den Ball gar nicht erst. Er wirkte nicht wach. Spektakulärer Höhepunkt einer durchgehend mauen Verlängerung war ein Flitzer, der sein ersehntes Selfie mit Ronaldo allerdings nicht bekam, sondern von Ordnern überwältigt und vom Platz getragen wurde. Unter daraufhin erhöhtem Polizeischutz begann kurz darauf das Elfmeterschießen. Es war beinahe Mitternacht, als die Entscheidung in diesem ersten Viertelfinalspiel fiel.

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