Podolski und Schürrle:Flügelzange aus der Londoner Schule

Deutschland - Armenien

Belebten gemeinsam das Spiel der Deutschen: Lukas Podolski (re.) und André Schürrle.

(Foto: dpa)

Mit Vollgas führt Lukas Podolski die deutsche Nationalmannschaft gegen Armenien zum Erfolg. Pünktlich zur Fußball-WM ist der Offensivmann in Turnierform, auch London-Legionär André Schürrle überzeugt. Bundestrainer Löw erkennt den Einfluss des englischen Fußballs.

Von Saskia Aleythe, Mainz

Manchmal gewinnt das, was Lukas Podolski auf dem Platz so treibt, im Nachhinein noch mehr an Gewicht. Es läuft die 44. Minute beim Testspiel in Mainz, als Podolski auf den Rasen läuft, im trübsten Moment an diesem Abend: Kurz zuvor hatte das deutsche Team und die vielen Fanseelen einen Schock zu verkraften, als Marco Reus schlimm umknickte und vom Platz getragen werden musste - das WM-Aus stand dem Dortmunder da schon im Gesicht.

Es gibt Teamkollegen, die so eine Situation ganz mulmig und unsicher macht. Und es gibt Lukas Podolski. Aus dem 0:0 zur Halbzeit wurde später noch ein 6:1, Podolski hatte daran den Hauptanteil. Das 1:0 fiel nach einem präzisen Pass auf André Schürrle, das 2:1 machte Podolski selbst, beim 4:1 bediente er Miroslav Klose und auch das 5:1 durch Götze folgte einem feinen Zuspiel des Arsenal-Spielers.

"Wenn man mit einem Sieg nach Brasilien fliegen kann, ist das schon entspannter", meinte Podolski im Anschluss. Ob er derzeit in Topform sei? "Das kann sein", sagte Podolski bestimmt, "ich versuche, Gas zu geben, wenn ich spiele".

Gas zu geben ist Podolski in den vergangenen Monaten nicht immer leicht gefallen. Wie so viele im deutschen Team war er lange verletzt, musste nach einem Muskelbündelriss zu Beginn der Saison gleich vier Monate pausieren. Es folgte ein fulminantes Comeback im Dezember, als Podolski gegen West Ham United eingewechselt wurde, nach 0:1-Rückstand das 2:1 vorbereitete und selbst zum 3:1 einnetzte. Wiederkommen kann der Herzens-Kölner ganz gut.

Die Rückrunde wurde trotzdem ein Kampf um die Einsatzzeiten, gesetzt ist Podolski bei Arsenal nicht. Zum einen wegen der starken Konkurrenz, zum anderen wegen der Formschwankungen: Beim Gewinn des FA-Cups gegen Hull City kann Podolski sich nicht präsentieren, wird in der 62. Minute ausgewechselt.

Zurück im Nationaldress zeigt Podolski wieder seine Begeisterung für große Turniere. Das war einst selbstverständlich, als er 2006 zum gefeierten Spieler der Heim-WM wurde. Es folgten schwache Jahre, die fast schon ein Abtauchen des Spaßvogels der Nation vermuten ließen, die EM 2012 verlief für ihn ernüchternd. Nach zwei Jahren bei Arsenal wird nun noch deutlicher, dass dieser Podolski noch nicht abgeschlossen hat mit seiner internationalen Laufbahn.

"Wenn Lukas seine Dynamik entwickelt, seine Schnelligkeit ausspielt und in die Tiefe geht, ist er kaum zu halten", sagte Joachim Löw nach dem Auftritt gegen Armenien anerkennend. Vor allem am Zusammenspiel mit André Schürrle, dem anderen England-Legionär, hat Podolski Gefallen gefunden. Der junge Spieler vom FC Chelsea war nach seinem Einsatz auf der rechten Außenbahn und seinem erneuten Länderspieltreffer sichtlich zufrieden mit seiner Leistung. Auch er sei in Topform, bestätigte Schürrle, er habe gut trainiert und freue sich auf die WM.

"André und Lukas haben auch schon beim Training und den Trainingsspielen gegen die U20 einen guten Eindruck gemacht. Sie sind körperlich sehr dynamisch, sehr stark", sagte Löw und schickte noch eine Erklärung für die gute Form hinterher: "Man hat das Gefühl, dass sie in England, in dieser körperlich sehr robusten und intensiven Liga, zugelegt haben."

Gemischte Gefühle vor dem Abflug nach Brasilien

Der Wechsel zum FC Chelsea vor einem Jahr war ein Wagnis, das für Schürrle auch ganz anders hätte ausgehen können. Vor allem an den Einsatzchancen des damals 22-Jährigen bestanden berechtigte Zweifel - und ohne Spielpraxis lässt es sich schlecht für eine WM empfehlen.

Tatsächlich ließ ihn José Mourinho viel Zeit auf der Bank verbringen, Schürrle arbeitete trotzdem fleißig, trainierte sich fünf Kilogramm extra Muskelmasse an - und präsentierte sich, als er die Gelegenheit dazu bekam. Das Halbfinale der Champions League erreichten die Londoner auch dank Schürrle: Er traf 14 Minuten nach seiner Einwechselung zum 1:0, das spätere 2:0 durch Demba Ba brachte die Entscheidung. Trainer Mourinho, nicht gerade für überschwängliche Lobeshymnen bekannt, befand: "Schürrles nächste Saison wird großartig".

Es ist eine Prognose, der Joachim Löw wohl nicht widersprechen würde. Mit ihren starken Auftritten gegen Kamerun und Armenien machten die beiden Mittelfeldspieler Löw auch eine Entscheidung leichter: Wen er für den ausfallenden Reus nachnominieren sollte. "Es ging uns nicht darum, Marco Reus eins zu eins zu ersetzen", erklärte Löw, auf den Positionen hinter der Spitze stünden ihm viele Alternativen zur Verfügung. Neben Schürrle und Podolski streben auch Müller, Götze, Özil, Draxler und ganz vorne Klose nach Einsatzzeiten - die Not, eine weitere Offensivkraft zu benennen, war für Löw nicht gegeben.

Also entschied er sich für Shkodran Mustafi, der beim italienischen Klub Sampdoria Genua die Abwehrarbeit leistet und eine Option für die immer mal wieder wacklige Viererkette vor dem deutschen Tor sein soll. Sein Länderspiel-Debüt gab Mustafi vor nicht mal einem Monat im Test gegen Polen, durfte sich im Trainingslager von Südtirol mit den Kollegen messen.

Der 22-Jährige hat alle Junioren-Nationalmannschaften von der U16 bis zur U21 durchlaufen und sich in den Nachwuchsabteilungen des DFB einen Namen gemacht. Die plötzliche Nachberufung kommentierte Mustafi mit gemischten Gefühlen: "Es tut mir sehr leid für Marco, aber ich freue mich natürlich, dass ich dabei sein kann." Um 22 Uhr wird das deutsche Team am Frankfurter Flughafen gen Brasilien abheben, benommen von der Verletzung des Dortmunders, angetan von dem wieder erstarkten Podolski.

Man werde nicht mit elf Spielern Weltmeister, sagte Löw noch, "wichtig wird sein, dass wir immer Spieler bringen können, die Akzente setzen können, die etwas bewegen, Frische ins Spiel bringen und die körperlich stark sind". Im Nachhinein war der Auftritt von Podolski in Mainz ein ziemlich gewichtiger.

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