Playoffs in der DEL:Die Adler strotzen vor Kraft

Chad Kolarik Adler Mannheim muss verletzt vom Feld gestuetzt von Sinan Akdag Adler Mannheim und

Adler mit Nehmerqualitäten: Chad Kolarik (Mitte) muss nach einer Verletzung von Teamkollegen gestützt das Spielfeld verlassen. Nach kurzer Behandlung ist er zurück auf dem Eis.

(Foto: Michael Bermel/Imago)

Mannheim führt 2:0 in der Serie gegen Ingolstadt. Nach einer schwierigen Saison erlebt der Klub gerade eine erstaunliche Auferstehung - dank Trainer Bill Stewart, dem Schwung durch Olympia, und einer nächtlichen Aussprache.

Von Christian Bernhard

Wahrscheinlich war er sich dessen gar nicht bewusst, doch Daniel Sparre hätte am späten Freitagabend deutsche Eishockey-Geschichte schreiben können. Der Stürmer der Adler Mannheim trat in der fünften Minute der Verlängerung des Playoff-Viertelfinalspiels gegen den ERC Ingolstadt zum Penalty an - und schoss ihn am Tor von Nationaltorhüter Timo Pielmeier vorbei. Es blieb dabei: Noch nie wurde eine Verlängerung in den Playoffs der Deutschen Eishockey Liga (DEL) durch einen Penalty entschieden.

Etwas später, genau genommen um 23.22 Uhr, sprangen trotzdem alle Mannheimer Spieler jubelnd Sparre an. Der 33-Jährige hatte die Partie doch noch mit einem Treffer entschieden, knapp 84 Minuten waren da gespielt. "Einen Gamewinner in der Verlängerung vergisst du dein ganzes Leben nicht", erklärte er strahlend. Durch das 3:2 sind die Adler das einzige Viertelfinal-Team, das nach zwei Spielen mit 2:0 in der Best-of-seven-Serie in Führung liegt und nur noch zwei Siege vom Halbfinaleinzug entfernt ist. Der war ihnen zuletzt 2015 gelungen, damals endete die Saison mit dem siebten und bisher letzten Titel für Mannheim.

Nach einem 0:5 in Köln warteten 150 Fans in Mannheim auf den Mannschaftsbus

Meisterschaft und Titel waren in den vergangenen Monaten eher nicht Teil des Mannheimer Vokabulars. Nach einer enttäuschenden Spielzeit war Anfang Dezember die gesamte sportliche Leitung freigestellt worden. Trainer Sean Simpson und Manager Teal Fowler mussten gehen. Doch auch unter dem neuen Trainer Bill Stewart, der die Mannheimer 2001 zur Meisterschaft geführt hatte, lief es anfangs nicht besser. Die Adler verloren neun der ersten zwölf Partien unter dem neuen Trainer, der eine "zerbrechliche Mentalität" in der Spieler-Kabine erkannte. "Momentan geht es hier nicht um Eishockey", sagte Stewart damals, "es geht um Mentalität, Courage, Zählbarkeit und darum, Herausforderungen anzunehmen." Immer wieder sprach er vom "Überleben".

Anfang Januar verlor Mannheim 0:5 in Köln. Als die Mannschaft nachts nach Mannheim zurückfuhr, warteten etwa 150 Fans auf den Bus. Es folgte eine Aussprache mit Kapitän Marcus Kink, David Wolf und Dennis Endras. "Das hat uns als Gruppe aufgeweckt", erzählte Stewart der Rhein-Neckar-Zeitung. Kink sagte: "Wir haben uns die Kritik zu Herzen genommen." Danach sammelten die Mannheimer in den letzten 13 Hauptrundenspielen starke 29 Punkte.

Obwohl sie zwölf Spieltage vor Ende der Hauptrunde noch den drittletzten Tabellenplatz belegten und sogar um den Einzug in die Pre-Playoffs bangen mussten, schafften sie es mit einem starken Endspurt noch auf Rang fünf - und damit direkt ins Viertelfinale. "Das zeigt, dass doch guter Charakter in der Mannschaft steckt", fand Nationalspieler Marcel Goc. Was intern passierte, verriet Kink nicht. Er wolle nicht so genau darauf eingehen, sagte der Stürmer, "aber Bill hat viel Neues in die Kabine gebracht. Das hat uns neuen Schwung gegeben."

Die Adler profitieren auch von dem Erfolg der Nationalmannschaft

Stewart, der nach der Saison seine Trainer-Karriere beenden wird, gab das Lob an die Spieler zurück. Diese hätten sich für die Arbeit der vergangenen Wochen selbst belohnt, betonte er. "Die Erfolge, das Gezeigte auf dem Eis, sind das Produkt eines Prozesses. Das ist nicht von heute auf morgen passiert." Seine ausgeprägten Analyse-Fähigkeiten halfen ihm, das Mentalitätsproblem in den Griff zu bekommen. Außerdem verbesserte er die Fitness der Spieler. "Bill hat einen hervorragenden Job gemacht", sagte Wolf. "Es hat seine Zeit gebraucht, aber wir sind zum Ende der Saison topfit."

Auf die Gründe des Adler-Aufschwungs angesprochen, antwortete Endras: "Das Herz ist wieder am rechten Fleck, die Leidenschaft stimmt. Nur so kann man Spiele gewinnen - siehe Nationalmannschaft." Dort halfen sechs Mannheimer mit, als die Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen überraschend die Silbermedaille gewann. Den Schwung haben sie mit in den Verein genommen. Zwei Spieler stehen dafür stellvertretend. Torhüter Endras, der unter Simpson zwischenzeitlich nicht mehr die klare Nummer eins war, hält seit Ende der Hauptrunde stark. Stürmer Wolf, der auch verletzungsbedingt in der Hauptrunde nicht zu seiner Form fand, strotzt vor Kraft. Er bildet zusammen mit Nationalmannschaftskollege Matthias Plachta und Andrew Desjardins die gefährlichste Angriffsreihe des Teams.

Ingolstadts Trainer Doug Shedden hielt sich auf der Pressekonferenz nach dem Playoff-Krimi kurz. "Ich bin müde und habe nicht einmal gespielt. Ich kann mir nur vorstellen, wie sich meine Spieler fühlen." Für die Adler-Spieler dürfte gelten: Müde, aber gut.

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