Playoff-Finale:Gegen den Wind

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Andrea Trinchieri glänzt modisch am Spielfeldrand und lässt Bambergs Basketball glänzen - nur wie lange noch? (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Basketballtrainer Andrea Trinchieri könnte Bamberg im Finale gegen Oldenburg zum Titel-Triple führen. Mit seinem Stil weckt er in ganz Europa Begehrlichkeiten. Bald könnte Bamberg zu klein für ihn werden.

Von Christopher Meltzer

Wenn Andrea Trinchieri sich auf ein Basketballspiel vorbereitet, achtet er nicht nur auf taktische, sondern auch auf modische Details. Auf den Anzug, auf die rote Krawatte, auf die Schuhe sowieso. Der Italiener sieht meistens umwerfend aus, wenn er die Seitenlinie der Bamberger Basketballarena entlang hopst.

Es gibt aber auch den anderen Trinchieri, den mit T-Shirt, Schlabberhose und zotteligen Haaren, die sich jeder Struktur verweigern. So taucht Trinchieri auf Pressekonferenzen auf, wie vor einer Woche, nachdem Brose Bamberg den FC Bayern München auch im dritten Halbfinalspiel der Bundesliga besiegt hatte und ins Finale um die Deutsche Meisterschaft eingezogen war. Man erkennt Trinchieri dann nicht mehr an der roten Krawatte, wohl aber an den typischen Sprüchen. Er sagte: "Beim Fahrradfahren bekommt derjenige, der ganz vorne fährt, den gesamten Wind ab. Das ist sehr anstrengend."

Seit drei Jahren trainiert Andrea Trinchieri, 48, in Oberfranken. Aus der fernen russischen Stadt Kazan reiste der aufstrebende Basketballlehrer damals nach Bamberg, um den erfolgsverwöhnten Klub nach einer verpatzten Saison, die mit der Entlassung des jetzigen Bundestrainer Chris Fleming endete, zurück an die Spitze der deutschen Liga zu führen. Wenige Monate später strampelten die Bamberger wieder im Wind. Was anstrengend sein mag, im Fall Bambergs aber ziemlich leicht aussieht.

Im ersten Trinchieri-Jahr entthronten sie den Titelverteidiger aus München, im zweiten spazierten sie durch die Playoffs, ohne nur ein Spiel zu verlieren. An diesem Sonntag (15 Uhr) startet die Finalserie gegen Außenseiter Oldenburg. Und jetzt, da Trinchieri nur drei Siege fehlen, um auch den dritten Meistertitel in Serie abzugreifen, nutzt er die regelmäßigen Auftritte in T-Shirt und Schlabberhose, um auf das große Gesamtwerk hinzuweisen.

"Was wir in Bamberg in den letzten Jahren gemacht haben, führt für mich zu einem klaren Ergebnis: Die Liga ist unglaublich wettbewerbsfähig. Wir haben das Level erhöht und jeder ist uns gefolgt", sagte Trinchieri nach dem Viertelfinale gegen Bonn, als Bamberg erstmals seit dem Juni 2015 wieder eine Playoffpartie verlor. Im Anschluss an das Halbfinale betonte er nochmal: "Wir haben im letzten Jahr den Maßstab für den Rest der Liga gesetzt."

"Ich will einfach perfekt sein, in einem nicht perfekten Spiel"

Das sind forsche Aussagen, die sich Bambergs Trainer aber leisten kann. Schließlich hat Andrea Trinchieri den deutschen Vereinsbasketball modernisiert. Er experimentiert mit Formationen, die sich aus vielen kleinen Spielern zusammensetzen, ordnet die Größe dem Geschick unter. Als sich im Dezember der große Elias Harris (2,03 Meter) verletzte, beharrte Trinchieri darauf, den feingliedrigeren Jerel McNeal (1,91 Meter) nachzuverpflichten.

Nicht nur beherrschte Trinchieris Spielstil die Bundesliga, auch an Europas Elite tastete Bamberg sich damit heran. Im Training lehrt er seinen Spielern, in welche Richtung ihre Füße zeigen müssen, wenn sie den Ball fangen. "Manchmal würde er am liebsten auch im Flugzeug trainieren", hat Power Forward Nicolo Melli mal gescherzt. Trinchieri selbst sagt ganz ernst: "Ich will einfach perfekt sein, in einem nicht perfekten Spiel."

An guten Tagen ist Bamberg dem Ideal des Trainers schon nahegekommen. Freilich hat der Drang zur Perfektion seinen Preis. Um die Spitzenspieler Fabien Causeur, Janis Strelnieks oder Nikos Zisis anzulocken, musste in den vergangenen Jahren auch der Etat wachsen. In der Bundesliga verfügt Bamberg nicht nur über die beste Mannschaft, sondern auch über die teuerste.

Diese droht jedoch im Anschluss an die anstehende Finalserie auseinanderfallen. Die Power Forwards Daniel Theis und Nicolo Melli stehen nicht nur in Europa, sondern auch in der NBA hoch im Kurs. Auch Darius Miller Angebote dürfte lukrative Angebote erhalten. "Es wird den einen oder anderen Umbau geben in der Mannschaft", bestätigte Geschäftsführer Rolf Beyer gerade erst im Telekombasketball-Podcast.

Bricht Bambergs Erfolgsmannschaft auseinander?

Das scheinen aber nicht die größten Sorgen zu sein, die Beyer umtreiben. Denn vielleicht muss sich der Geschäftsführer auch noch einen neuen Trainer suchen. Andrea Trinchieris Vertrag läuft zwar bis 2018, enthält jedoch eine Ausstiegsklausel. Der FC Barcelona hofierte den Italiener schon im vergangenen Sommer, nun zeigt sich auch Maccabi Tel Aviv interessiert. Barcelona, Tel Aviv und Trinchieri eint die große Ambition in der Euroleague, dem wichtigsten europäischen Klubwettbewerb. Im Fall der Titelverteidigung würde auch Bamberg dort starten. Nur: Kann der deutsche Meister den Abstand zu den finanzstarken Spitzenklubs weiter verringern? Und würden Barcelona oder Tel Aviv Trinchieri jene Freiräume zugestehen, die sie ihm in Bamberg erlauben?

Die Zukunft des Trainers wird sich wohl an diesen Fragen entscheiden. Sollte Trinchieri Oberfranken in wenigen Wochen verlassen, Bambergers Basketball würde wohl an Glanz verlieren, spielerisch wie auch modisch.

© SZ vom 04.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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