Plagiatsvorwurf an den FC Bayern:Warum Klopps China-Vergleich hinkt

Jürgen Klopp hat den BVB zu zwei Meisterschaften geführt. Mit seinem Plagiatsvorwurf an den FC Bayern wird er dennoch nicht durchkommen. Das Rezept, dass aggressives Tempo-Pressing zum Erfolg führt, ist seit den achtziger Jahren bekannt. Es kommt auf die Zutaten an.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Dass man sich beim FC Bayern durchaus auch auf die Kunst der Kopie versteht, weiß man spätestens seit der Geschichte mit der Nürnberger Rostbratwurst. Die Rezeptur der Nürnberger Bratwürste wurde schon im Jahre 1313 vom Rat der Reichsstadt Nürnberg erstmals festgelegt, und auch der Ulmer Metzgerssohn Uli Hoeneß hat an der Mischung allenfalls marginal etwas ändern dürfen. Kurzum: Die Rostbratwurst war vor ihm da - und sie wird ihn überleben.

Ähnlich verhält es sich mit Jürgen Klopp und dem Fußball. Klopp hat jetzt zwar in Dortmund eine eigene Denkfabrik, so wie Hoeneß in Nürnberg eine familieneigene Wurstfabrik besitzt - trotzdem hat keiner der beiden ein persönliches Patent auf das jeweilige Kulturgut. Klopp nicht auf den Fußball, Hoeneß nicht auf die Wurst. In den Ball, der in Vor-Klopp'schen Zeiten eine Schweinsblase war, wird weiterhin Luft gepumpt, und in die Nürnberger Schafsdärme wird Schweinefleisch und Gewürz gestopft.

Das Angebot folgt dem bekannten Rezept. Variiert wird allenfalls in den Zutaten, und auch jenes aggressive Tempo-Pressing, mit dem die Dortmunder zu zwei Meisterschaften stürmten, war nicht gar so neu. Darauf erhebt zwar die Denkfabrik der Schwarz-Gelben eine Art Patent, wenn man Klopps Vorwurf des "Abkupferns" an den FC Bayern richtig interpretiert. Durchkommen aber wird er damit nicht. Denn dass der Gegner zu Fehlern genötigt wird, wenn man ihn kollektiv belästigt, das hat in den achtziger Jahren schon dem Hamburger SV des Wiener Kaffeehaus-Genies Ernst Happel den Titel beschert.

Fast schon zur Perfektion trieb den Konzeptfußball zwischen 1986 und 1990 der Tüftler Arrigo Sacchi mit dem AC Mailand und den Niederländern Gullit, Rijkaard und van Basten. Klopps frische Anwandlung, die Bayern seien die Chinesen der Gegenwart, also das Kopierwerk des Weltfußballs, ist auch historisch kaum zu halten. Nicht einmal durch die Personalie Pep Guardiola. Zwar steht der Katalane sofort unter Kopie-Verdacht, sobald er wie einst beim FC Barcelona daran geht, Dreiecke und Planquadrate zu entwerfen - doch er ist noch nicht da, er löst Jupp Heynckes erst im Sommer ab.

Klopps Vorwurf hat bei Heynckes einen Nerv getroffen. Schon vor dem 1:0-Pokalsieg gegen die Borussia hatte der Bayern-Trainer ausgeführt, dass die Steigerung der Münchner weniger eine Reaktion auf die nationale Vorherrschaft der Dortmunder als auf die Niederlage gegen den FC Chelsea im Champions-League-Finale gewesen sei. Erst daraufhin wurde an der Säbener Straße der Geldspeicher weit geöffnet, wurden 40 Millionen Euro für Javier Martínez freigegeben - nicht für einen schillernden Star, sondern für einen Dienstleister im Mittelfeld. Doch das ist auch nicht neu, es hat Tradition, dass sich die Münchner nach Demütigungen auf Shoppingtour zu trösten versuchen.

Dennoch ist der Dortmunder Anteil an der Münchner Form nicht zu unterschätzen. Erst in der Rolle des gedemütigten Verfolgers wuchs die Energie, sich zu hinterfragen. Auch lieferte die Borussia einige Impulse, mit denen die Bayern ihre Geld-schießt-Tore-Politik modernisieren konnten. Doch der China-Vergleich, der hinkt: Denn wer statt eines Originals die Fälschung kauft, der bekommt meist Probleme mit der Qualität. Der Stoff sei dritte Wahl, der Lack springe ab . . . - derartige Beschwerden sind über den Fußball made in Bayern derzeit nicht zu hören.

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